Bayerisches Verkehrsministerium will Güterverkehrskonzept vorlegen: Minister Bernreiter verrät die Eckpunkte
VisionTransport: Herr Minister Bernreiter, warum braucht Bayern ein Güterverkehrskonzept? Welche Hauptziele verfolgen Sie dabei?
Christian Bernreiter: Der Güterverkehr sichert die Versorgung der Bevölkerung und ist ein wichtiges Rückgrat der bayerischen Wirtschaft. Aber er steht vor großen Herausforderungen: Das Güteraufkommen und somit auch der Güterverkehr nehmen immer weiter zu. Allein zwischen 2015 und 2019 ist der bayerische Binnenverkehr um zehn Prozent angestiegen und alle relevanten Prognosen gehen von einer weiteren Steigerung aus. Gleichzeitig muss der Güterverkehr nachhaltiger werden. Das hat viele Facetten: Wir müssen die Belastungen für Anwohnerinnen und Anwohner und die ökonomische Tragfähigkeit im Blick haben und wir müssen unsere Klimaziele erreichen.
Wir wollen die Logistik deshalb fit für die Zukunft machen und die steigende Nachfrage im Güterverkehr effizient und nachhaltig bewältigen. Um dies zu erreichen, erarbeiten wir ein Güterverkehrskonzept. Wir haben uns gefragt: Wo steht der Güterverkehr in Bayern und wo wollen wir hin? So wollen wir unsere Aktivitäten und Förderungen noch besser bündeln und strukturieren und damit auch der Wirtschaft eine längerfristige Perspektive geben.
Spielt auch der Klimaschutz eine Rolle?
Die weitere Verlagerung von Transporten auf die Schiene und auch auf das Schiff wird ein wichtiger Teil des Konzepts. Das ist gelebter Klimaschutz, da hier pro transportierter Tonne und Kilometer weit weniger CO2 ausgestoßen wird als mit dem Lkw. Aber auch die Straße wird natürlich weiterhin eine zentrale Rolle für den Güterverkehr spielen. Batterieelektrische Lkw bieten hier ein großes Potenzial. Auch Wasserstoff und eFuels werden ihre Rolle haben. Wichtig ist, dass der Bund die Förderung für die alternativen Antriebe aufrechterhält und vor allem vereinfacht und beschleunigt. Die Nutzer müssen schnell die Kaufverträge schließen können, damit die Hersteller ihre Kapazität hochfahren.
Aus bayerischer Sicht – welche speziellen Gegebenheiten müssen Sie beachten?
Bayern ist Transitland. Wir liegen in der Mitte Europas. Gerade der Verkehr über die Alpen fließt stark durch Bayern, darauf müssen wir reagieren. Gleichzeitig ist Bayern auch ein Flächenland, daher haben wir einen großen Fokus auf den ländlichen Raum gelegt. Güterverkehr muss in der Breite verfügbar und erschwinglich sein. Außerdem haben wir mit dem Main, dem Main-Donau-Kanal und der Donau eine wichtige, europäische Wasserstraße und drei internationale Flughäfen. Auch diese werden wir berücksichtigen.
Straße, Schiene, Wasser, Luft – wie werden die unterschiedlichen Verkehrsträger in das Konzept mit einbezogen?
Bayern ist ein starker Wirtschaftsstandort und international vernetzt. Für einen leistungsfähigen Güterverkehr brauchen wir deshalb ein Zusammenspiel aller Verkehrsträger. Denn unsere Unternehmen brauchen reibungslose Lieferketten – für die eigene Rohstoffversorgung und den Transport zum Verbraucher. Wir werden hier niemandem etwas vorschreiben, sondern die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Wir wollen die Schiene und die Wasserstraße stärken. Nötig ist aber ein Netzausbau bei allen drei Verkehrsträgern. Und auch unsere drei internationalen Flughäfen spielen eine wichtige Rolle.
Wird es Auswirkungen auf die jeweilige Infrastruktur geben?
Wir haben die Infrastruktur in Bayern ausführlich analysiert. Im Großen und Ganzen sieht die Situation gut aus, aber es gibt auch einige Engpässe. Hier ist der Bund am Zug, der für die Autobahnen, das Schienennetz und auch die Bundeswasserstraßen zuständig ist. Vor allem viele Schienenstrecken sind bereits heute stark ausgelastet und müssen ausgebaut werden. Auch bei Sanierungen gibt es einen großen Investitionsstau. Der Bund muss dringend tätig werden und seine selbst gesteckten Ziele im Güterverkehr auch umsetzen. Ohne Platz auf der Schiene fährt auch kein Zug.
Inwieweit sind Vernetzung und Verkehrsverlagerung ein Thema?
Die Verflechtung der Verkehrsträger wird ein Schwerpunkt unseres Konzepts sein. Hier bieten sich im Freistaat Kapazitäten, die wir nutzen wollen, gerade abseits der Metropolen. Zum Beispiel können Synergieeffekte entstehen, wenn mehrere Unternehmen bestehende Verladeinfrastruktur wie Laderampen, Gleisanschlüsse und kommunale Häfen nutzen. So können sie die notwendige Menge an Gütern generieren, um eine Verlagerung auf Schiene und Wasserstraße zu ermöglichen. Wir wollen solche Kooperationen unterstützen.
Wird der intermodale Verkehr gefördert?
Natürlich. Der Kombinierte Verkehr hat nach unseren Prognosen das höchste relative Wachstum. Auch sein Anteil am Modal Split nimmt in Bayern weiter zu. Hier braucht es einerseits ein ausreichendes Schienennetz und andererseits genügend Terminals als Zugangspunkte. Bayern hat schon heute ein dichtes Netz an Umschlaganlagen und Güterverkehrszentren. Diese müssen aber kontinuierlich digitalisiert, modernisiert und teilweise ausgebaut werden.
Zudem gibt es noch Orte in Bayern, bei denen das nächste Terminal weit entfernt ist. Deshalb bieten wir Projektträgern für neue Terminals passgenaue Unterstützung bei Konzeption, Grundstückssuche und Planung an. Die Projekte müssen lokale Initiativen sein und die Bevölkerung mitnehmen. Nur so erzielen wir größtmögliche Akzeptanz. Ein positives Beispiel ist hier das kommunale Projekt Interfranken, das wir bei den Planungen eines Umschlagterminals in Mittelfranken unterstützen. Der Bau muss aber weiterhin finanziell durch den Bund gefördert werden.
Wie sieht es mit der Digitalisierung aus?
In der Digitalisierung liegt ein ganz wichtiger Schlüssel für die Zukunft. Das Thema wurde in den Workshops dementsprechend in den unterschiedlichsten Facetten diskutiert. Ein besonders wichtiger Punkt ist die digitale Steuerung, die den Verkehr lenken und verflüssigen kann. Wir treiben zum Beispiel ein internationales, digitales Verkehrsmanagementsystem von Bayern über Tirol bis nach Südtirol voran, um den Brennerkorridor optimal auszunutzen. Mit einem solchen System kann der Verkehr für die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer sicherer und planbarer werden, außerdem entlasten wir die Bevölkerung vor Ort und auch die Umwelt. Das funktioniert aber nur mit ausreichend Verkehrsdaten und dafür ist die Digitalisierung essenziell.
Finden neue Technologien, wie das autonome Fahren, Berücksichtigung?
Neue Technologien sind ein ganz wichtiger Schlüssel, um den Güterverkehr in Zukunft effizienter zu machen. Ich bin davon überzeugt, dass autonomes Fahren in Zukunft große Bedeutung haben wird. Da sind sich alle Experten einig. Aber auch bei der letzten Meile gibt es noch technisches Potenzial. Eventuell kann dort vom Kombinierten Verkehr gelernt werden: Mit standardisierten Behältnissen könnten Produkte noch einfacher gestapelt, in einen Sprinter oder gar auf ein großes Lastenrad verladen und zu den Endkunden gebracht werden. Wichtig dabei ist, dass sich die Unternehmen möglichst auf einen Standard einigen und diesen gemeinsam entwickeln, damit Zusammenarbeit und Weitergabe klappen.
Sind Maßnahmen zur Optimierung des Verkehrsflusses vorgesehen?
Selbstverständlich. Dafür müssen wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Ein aktuelles Projekt in diesem Bereich ist das bereits erwähnte digitale Verkehrsmanagementsystem am Brenner. Dort wollen wir der Blockabfertigung ein Ende bereiten und zusammen mit Tirol und Südtirol ein digitales Slotsystem aufbauen, um den Verkehrsfluss besser zu gestalten.
In den Innenstädten brauchen wir für einen guten Verkehrsfluss die Expertise der Städte, Gemeinden und Landkreise. Niemand kennt die lokalen Gegebenheiten so gut wie sie. Ich meine, dass wir dort durch stärkere Planung und noch mehr Moderation der Transportunternehmen noch viel erreichen können. Ein erster wichtiger Schritt wäre es, wenn alle Landkreise und Städte klare Ansprechpartner für die Logistikthemen benennen und sich diese Ansprechpartner vernetzen, um voneinander zu lernen. Wir können uns dafür auch eine Art Fachzentrum für lokale Logistik im ländlichen und städtischen Raum vorstellen. Träger müssten Kommunen und auch die City-Logistik-Dienstleister sein. Wir würden die Gründungsphase aber unterstützen.
Ist auch das Thema Nachwuchs in dem Konzept relevant?
Der Fachkräftemangel ist eine riesige Herausforderung und betrifft viele Bereiche. Denn nicht nur Fahrerinnen und Fahrer sind rar, auch in der Disposition brauchen die Unternehmen Nachwuchs. Die IT der Unternehmen funktioniert genauso wenig von allein und auch bei den Kommunen gilt es, die Ansprechpartner nicht nur zu benennen, sondern auch zu qualifizieren.
Wir haben seit letztem Jahr einen Runden Tisch zu dem Thema. Den führen wir natürlich fort. Ich glaube, dass wir hier zusammen mit allen Akteuren am meisten gewinnen können. Denn die Unternehmen wissen am besten, wie sie mit attraktiven Rahmenbedingungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten und gewinnen können. Es geht ja nicht nur um die Qualifikation, sondern auch um Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen. Auch die Suche nach Personal im Ausland ist eine Möglichkeit. Dafür habe ich mich schon als Landrat eingesetzt.
Erwarten Sie Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren des Güterverkehrs, wie Speditionen oder Verlader?
Das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure ist heute mehr denn je notwendig. An der Transportkette beteiligt sind unterschiedliche kleine und große Fuhrunternehmen, Speditionen, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Reedereien, aber auch Terminal- und Hafenbetreiber. Sie interagieren und gestalten den Prozess der Planung und Durchführung des Transports. Der Staat setzt die Rahmenbedingungen, Bayern ist dabei nur einer der Akteure neben Bund, EU und Kommunen. Mit unserem Güterverkehrskonzept wollen wir deshalb einen klaren Rahmen setzen, damit die verschiedenen Akteure ihre Abläufe und Interaktionen noch besser gestalten können. Planungssicherheit in der Logistik hilft allen!
Zuletzt die Frage: Wie ist der Stand der Konzepterarbeitung?
Wir befinden uns in der Finalisierung. Die uns unterstützenden Gutachter haben die notwendigen Grundlagen gelegt, angefangen bei Recherchen und der Erstellung von Prognosen über die Durchführung von insgesamt neun Workshops mit der Branche bis hin zu einzelnen Handlungsvorschlägen. Dieser Leistung gebührt bereits mein herzlicher Dank. Wir müssen jetzt weiter verdichten und die konzeptionellen Elemente klar herausarbeiten. Wir werden die Endfassung dieses Jahr noch vorlegen.
Noch wichtiger ist aber, dass wir schon jetzt die Umsetzung der bereits identifizierten Maßnahmen vorantreiben. Da sind wir schon gut unterwegs: Für das erwähnte digitale Slotsystem am Brenner haben wir mit Tirol und Südtirol eine gemeinsame Erklärung erarbeitet.
Ein grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement kann auf dem viel befahrenen Korridor München-Verona eine deutliche Besserung erwirken. Außerdem treiben wir die Digitalisierung der Terminals mit einem Förderprojekt für die direkte Kommunikation zwischen der Software am Terminal und der Software bei den Truckern voran. Das spart den Disponenten und den Fahrern Zeit und sorgt dafür, dass die Terminals maximal genutzt werden können. Und auch der Runde Tisch und seine Arbeitsgruppen treffen sich regelmäßig. Dort konnte schon erreicht werden, dass die Agentur für Arbeit künftig speziell in Bayern die Kosten für eine beschleunigte Grundqualifikation angehender Berufskraftfahrer fördern wird.
Dieser Artikel wurde ursprünglich im Magazin VISION TRANSPORT Ausgabe 2023 veröffentlicht.
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