Kravag Kompetenzzentrum: Kleines Haus, große Projekte

Umweltschutz fördern und den Unternehmen nutzen – genau das bezweckt der Versicherer Kravag mit seinem Tiny House in Hamburg. Das 100ste Jubiläum der Muttergesellschaft R+V gab willkommene Gelegenheit zur Präsentation.

Sie machen das Fahren sicherer  und werden von den Fahrern gern  genutzt: Abbiegeassistenzsysteme.
Sie machen das Fahren sicherer und werden von den Fahrern gern genutzt: Abbiegeassistenzsysteme.
Redaktion (allg.)

Dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit keine Gegensätze sein müssen, hat der Versicherer Kravag bei einer Veranstaltung in Hamburg erneut deutlich gemacht. Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Muttergesellschaft R+V hat das Kompetenzzentrum in seinem Tiny House in der Elbmetropole drei Nachhaltigkeitsprojekte vorgestellt, die sich auch für die Unternehmen rechnen können.

Eines befasst sich mit der Entwicklung neuer, leichterer Lkw-Planen. Die Kravag arbeitet dabei mit dem Logistik-Kompetenz-Zentrum (LKZ) in Prien am Chiemsee, zusammen. Insbesondere im Kombinierten Verkehr (KV) soll das hilfreich sein, weil hier die Auflieger mit den Planen besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Bei Transporten über den Brenner zerreißen dadurch täglich bei rund sechs Lkw die Planen. Abhilfe schaffen sollen nun Planen mit Nanotechnologie. Diese dann widerstandfähigeren Planen dürften in der Anschaffung etwas teurer sein, aber die laufenden Kosten geringer. Karl Fischer vom LKZ erklärt, eine Nano-Plane sei auch für den reinen Lkw-Verkehr wirtschaftlich und aufgrund der Vorteile umweltfreundlich. „Ich rechne im nächsten Jahr mit einem Prototyp für eine intermodalfähige Plane.“

Mit Kran auf die Schiene

Ein weiteres Projekt stellte Fischer vor: Nikrasa 3.0. Dabei handelt es sich um eine Transportplattform, wie eine große Palette, auf die die Auflieger mit der Sattelzugmaschine gezogen werden und dann mit jedem Kran oder Reachstacker innerhalb von drei Minuten auf die Schiene kommen. Der Auflieger wird dann zusammen mit der Transportplattform auf den Waggon gehoben.

Der Vorteil: An den Aufliegern können die Haken für die Kranung und die speziellen Luftbälge entfallen. Das macht laut Fischer rund 400 Kilogramm aus, die für mehr Ladegewicht genutzt werden können. Außerdem kann die Rahmenverstärkung entfallen. Das mache nochmals Gewicht aus, das für Ladung genutzt werden könne.

Beide Projekte – Nano-Plane und Nikrasa – sollen den Kombinierten Verkehr unterstützen, der zwar weiter auf Wachstumskurs ist, dabei aber auf vielerlei Hindernisse stößt. Eines davon ist die allzu oft fehlende Kranbarkeit vieler Sattelauflieger, ein weiteres sind die nicht für den Schienentransport ausgelegten Planen. Mit ihren Lösungsansätzen wollen das LKZ und die Kravag das Verlagerungspotenzial von Gütern auf die Schiene steigern und damit einen wichtigen Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehrssektor leisten.

Auch das elektronische Bill of Lading (B/L) mit Namen eConbil – ein weiteres Projekt, das Kravag in seinem Tiny House präsentierte – verbindet den Gedanken der Nachhaltigkeit mit Arbeitserleichterung, Es soll Abwicklungszeiten verkürzen sowie Mehrfacherfassungen und Fehlerquellen reduzieren können. Nachhaltig sei es, beschreibt die Kravag, weil es das klassische analoge B/L auf Papier durch ein elektronisches B/L ersetzt. Alle zusammenhängenden Prozesse wie Druck, Transport und Übertragung der Dokumente können damit digitalisiert werden.

Die notwendige Sicherheit der Übertragung soll durch die eingesetzte Blockchain-Technologie sichergestellt sein. Wobei das Team von eConbil nicht auf Bitcoin oder Etherium setzt, sondern auf Hyperledger Fabric. Hierdurch würde sich der CO2-Fußabdruck gegenüber der analogen Form um das 150-Fache reduzieren, so das Kalkül.

Was das an Einsparung bedeuten kann, zeigt eine Zahl: Jährlich acht Millionen Bill of Lading (B/L) werden ausgestellt, um mittels Akkreditiven und Banken den Zahlungsfluss zwischen internationalen Käufern und Verkäufern zu gewährleisten. Prof. Dr. Thomas Wieske und sein Team am Institut für Logistikrecht und Riskmanagement (ILRM) an der Hochschule Bremerhaven haben in einem Pilotprojekt ermittelt, dass alleine mit der Digitalisierung aller Transportdokumente weltweit rund 143.000 Tonnen CO2 eingespart werden können. 

Und schließlich ging es in einem weiteren Projekt noch um den Einsatz von Lkw-Assistenzsystemen, die die Sicherheit erhöhen und Unfälle verhindern können. Rund 85 Prozent aller Unfälle sind auf menschliche Fehler zurückzuführen. Das ergab eine Studie der Internationalen Straßentransport Union (IRU) bereits 2007. Viele dieser Unfälle könnten durch Fahrerassistenzsysteme vermieden werden, sind sich Prof. Axel Salzmann, Leiter des Kravag-Kompetenzzentrums, und Prof. Dr. Tim Gruchmann von der Fachhochschule Westküste einig. Zumal es bei Unfällen mit Lkw oft zu schweren bis tödlichen Verläufen kommt. Aber sehen die Lkw-Fahrer die Assistenzsysteme auch als hilfreich an und nutzen sie? Dieser Frage ging eine Studie nach.

Die Befragung unter 142 Fahrern ergab, dass 94,3 Prozent von ihnen den Notbremsassistenten nutzen. Auf den Spurhalteassistenten greift mit 92,9 Prozent ebenfalls eine überwältigende Mehrheit der Befragten zurück, auf den Abstandsregeltempomat 88,7 Prozent und immer noch 57 Prozent lassen sich vom Abbiegeassistenten unterstützen.

Positiv werteten viele Fahrer den Einfluss von Fahrerassistenzsystemen auf ihre Fahrleistung. Auf die Frage nach einer Verbesserung werteten sie auf einer Skala von 1 – stimme ich gar nicht zu – bis 5 – stimme voll zu – mit durchschnittlich 3,58. Einen Vorteil bei der Unfallvermeidung bejahten sie mit 4,39 deutlich, ebenso bei der Erhöhung der Sicherheit mit 4,45. Zudem machen die Assistenzsysteme ohne Probleme, was die Fahrer wollen. Das zeigt der Wert von 3,63 auf der Skala bis fünf.

Eher nicht imageförderlich

Dass die Nutzung von Assistenzsystemen das Image des Unternehmens erhöht, bekommt eine 3,85. Dennoch zeigt Gruchmanns Erfahrung: „In der Untersuchung werden die Assistenzsysteme bislang nicht als imageförderlich für das eigene Unternehmen angesehen oder mit der Attraktivität des Arbeitgebers in Verbindung gebracht.“ Aber betriebliche Einführungsphasen und das feinfühlige Heranführen technikfremder Fahrer an die jeweiligen Assistenzsysteme zeigen mögliche Potenziale zur Akzeptanzförderung. Zudem könnten sich Testphasen und die Möglichkeit für Fahrer, die Systeme vorher auszuprobieren, förderlich auf die Technologieakzeptanz auswirken.

„Man muss den Fahrern halt die Zeit geben und sie gut informieren, damit sie das Gefühl bekommen, sie beherrschen das System in allen notwendigen Situationen“, ergänzte Salzmann. Da komme auf die SVG Consult mit den Weiterbildungs- und Schulungsangeboten eine besondere Rolle zu. Denn eines stellte sich in der Studie als besonders wichtig heraus, betonte Gruchmann: „Die Fahrer:innen wollen immer noch Herr:in der Kabine sein und sich nicht 100 Prozent allein auf die Technik verlassen.“

Für Salzmann liegen die unternehmerischen Vorteile offen auf dem Tisch: weniger Kosten durch Unfälle und Schadenanmeldung, weniger Ausfall von Lkw sowie Fahrerinnen und Fahrer, mehr Liefersicherheit, bessere und zuverlässige Kundenbindung.

Anja Ludwig vom Kravag-Kompetenzzentrum für das Straßenverkehrsgewerbe und Logistik, die fachkundig durch die Veranstaltung führte, ergänzt schließlich noch, dass sowohl für die Busbranche als auch das Transportgewerbe die Verkehrssicherheit höchste Priorität habe. Dem Thema Assistenzsysteme komme daher eine immense Bedeutung zu, die die Unternehmen längst erkannt haben. Nun gelte es, die Akzeptanz der Systeme beim Fahrpersonal weiter zu erhöhen.