Truckracer mit Ambition und Leidenschaft

Für Steffen Faas, Teamchef und Fahrer des neuen Scania-Teams „tankpool24-Racing Team“, stand von vornherein fest, dass sein eigener Racetruck ein Scania sein wird. Schließlich war sein erster Lkw, den er auf öffentlichen Straßen bewegte, ein Schwede mit dem gekrönten Fabelwesen Greif im Firmenlogo. Zwar saß auf dem Beifahrersitz ein Fahrlehrer, der das Temperament des Fahrers einbremste, aber die Liebe zur Marke aus dem schwedischen Södertälje war entbrannt.

Foto: tankpool24-Racing Team
Foto: tankpool24-Racing Team
Redaktion (allg.)

Mit dem neuen Scania-Team „tankpool24- Racing Team“ wird zukünftig das Alleinstellungsmerkmal der niederländischen Scania-Truckracer Erwin Kleinnagelvoort und Cees Zandbergen in der European Truck Racing Championship (ETRC) dahin sein. Die Niederländer hatte über viele Jahre die Scania- Fahne alleine hochhalten müssen. Zwar ohne große Erfolge, aber dafür mit sehr viel Herzblut. In den Anfangsjahren des europäischen Truckracing war Scania gar mit einem Semi- Werksteam unterwegs. Rolf Björg, Teameigner und Pilot des schwedischen R.B. Racing Teams, wurde in der leistungstärksten Klasse C 1988 auf seinem Scania T 143 M-Haubertruck mit V8-Power Europameister. Der zweite Scania- Pilot im Team war der Brite Andrew (Andy) Levett, der auf einem eigenen Scania-Truck bereits 1986 am Start war. Dessen Sohn Chris hielt Jahre später Einzug in den Truckrace- Zirkus.

2017 erfüllte sich für den heute 36-jährigen Steffen Faas der langgehegte Wunsch, einen Racetruck in der FIA ETRC pilotieren zu können. Die Truckrace-Szene kannte er schon länger. Schließlich besuchte er mit seinen Eltern bereits in den 1990er-Jahren den ADAC Truck-Grand-Prix. Viele weitere Besuche an der Strecke folgten und der junge Steffen Faas stand bei einem gewissen Gerd Körber für ein Autogramm an. Auch in diese Zeit fällt das erste Aufeinandertreffen mit Jochen Hahn, den er dann 2007 persönlich kennenlernte. Dieser war es auch, der 2017 den Kontakt zum Team Schwabentruck herstellte. Steffen Faas war nun Teamkollege von Mr. Truckrace, Gerd Körber. Am Ende der Debütsaison, die für Faas nur aus den Rennen am Nürburgring und dem Slovakiaring bestand, hatte der Truck-Newcomer acht Meisterschaftspunkte gesammelt. 2018 wechselte er Team und Marke. Bei MB-Motorsport (Mercedes-Benz) traf er auf Norbert Kiss, der bereits mit Oxxo Racing zwei Meistertitel hatte gewinnen können. Bereits nach einer Saison in Diensten von MB-Motorsport war jedoch Schluss. Steffen Faas schloss seine bisher letzte Trucksaison im Jahr 2018 auf dem 14. Gesamtrang mit 20 Meisterschaftspunkten ab. Erst ein Blick auf den Grammer Truck Cup verdeutlicht, was hinter dieser Leistung stand. Im Grammer Truck Cup werden nur die Piloten gewertet, die neu in der Serie sind oder die vorherige Saison nicht unter den Top 10 beendeten. Unter „Seinesgleichen“ wurde Faas Vizemeister und ließ etliche Truckrace-Haudegen mit deutlich mehr XXL-Rennerfahrung hinter sich.

2019 pausierte Steffen Faas, der im heimatlichen Schömberg (Landkreis Calw in Baden-Württemberg) eine freie Kfz-Werkstatt betreibt und seit über zehn Jahren historische Fahrzeuge, überwiegend luftgekühlte Porsche, restauriert. Daneben betreibt er mit seiner Frau noch eine großzügige Reitanlage. Die dazugehörigen Sattelzugmaschinen für den Pferdetransport stammen natürlich auch aus dem Hause Scania. Ab dieser Saison dürfen sie auch die Auflieger des neuen Rennteams aufsatteln.

Dass er einen guten Bleifuß hat, bewies Faas bereits vor seiner Truckrace-Zeit. Mit zehn Jahren saß Faas junior erstmals im Kart. Richtig los ging es für den heute 36-Jährigen im Jahr 2004. Seine Schwester hatte ihn, ohne sein Wissen, bei der Motorsport-Challenge „Mit SEAT und Sat.1 Rennfahrer werden“ angemeldet. Ohne Vorbereitung wurde er ins kalte Wasser geworfen und setzte sich gegen alle Mitbewerber durch. Als Belohnung winkte am Ende der Challenge der Gaststart in der Seat Leon Supercopa in der BERU Top 10. Der Traum des Rennfahrers ging endlich in Erfüllung. Mit nur wenigen Unterbrechungen fuhr er in den kommenden Jahren in diversen Markenpokalen und -cups sowie Track Days und zuletzt bei den KTM X-Bow Battles mit. Mit dem Gewinn einiger Meistertitel und diverser Einzelveranstaltungen setzte er deutliche Ausrufezeichen und bewies, dass Fahrzeugbeherrschung sein Ding ist. Im Rahmen dieser Rennen kam er immer wieder auch mal mit der ETRC in Berührung.

Nach dem auslaufenden Vertrag mit MB Motorsport (Mercedes) war tankpool24 offen für Neues. Steffen Faas ist froh, mit tankpool24 einen Hauptsponsor gefunden zu haben, der bereits über viele Jahre Truckracing-Erfahrung verfügt und es ihm ermöglicht, nun mit Scania in der FIAEuropameisterschaft zu fahren.

Und so wurde die Kfz-Werkstatt Ende 2019 zur Faas’schen Truckschmiede erweitert. Obwohl Scania bisher sämtliche Support-Anfragen abblitzen ließ, hielt Steffen Faas an seiner Hausmarke fest. Die Fahrerkabine und zwei Chassis-Rails wurden regulär gekauft. Der serienmäßige Scania-Reihensechszylinder aus der XPI-Motorenfamilie mit rund 13 Litern Hubraum musste natürlich ordentlich auf Trapp gebracht werden. Dafür zuständig war eine niederländische Spezialwerkstatt. Die Software für das Steuergerät stammt hingegen aus Deutschland. Steffen Faas, gelernter Kfz- Mechaniker, verbrachte von November 2019 bis Ende April 2020 fast jede freie Stunde in der Werkstatt. Gemeinsam mit einem Freund baute er fast im Alleingang den neuen Racetruck auf. Gelegentliche Unterstützung gab es von Jochen Hahn, der im rund 40 Kilometer entfernten Altensteig beheimatet ist.

Bei Rennveranstaltungen werden ihn rund zehn Personen begleiten, die so gut wie alle aus dem Freundes- und Familienkreis stammen. Die familiäre Atmosphäre ist Faas wichtig und für ihn auch ein entscheidender Baustein der Truckrace-Serie. Das Erfolgsrezept von Truckrace ist die tolle Mischung aus professionellem Motorsport in einem familiären Umfeld. Gerne hätte Steffen Faas seinen brandneuen Boliden bei den geplanten Tests vor Ostern den Konkurrenten präsentiert. Schließlich hatten sich für Most 14 Teams mit 17 Trucks angekündigt. So viele wie noch nie. Und für den Nürburgring hatten sich Faas und Hauptsponsor tankpool24 etwas Besonderes einfallen lassen. Doch Corona bremste alle aus. Während die einen Teams die Zeit für eine noch intensivere und entschleunigte Saisonvorbereitung nutzen konnten, dürften andere um ihre Existenz bangen. Schließlich kann kein Team ohne Sponsoren überleben.

Bleibt zu hoffen, dass nach der Absage des Truck-Grand-Prix 2020 überhaupt noch das ein oder andere Rennen zustande kommt, wo die Teams sich präsentieren können. Der tankpool24-Scania und sein Erschaffer Steffen Faas brennen auf die ersten Runden unter Wettbewerbsbedingungen.