Transport Logistic 2023: Lange letzte Meile - wie es klappt mit Cargobike-Logistik

Beim LOGISTRA-Forum zur "Letzten Meile" zeigte sich deutlich, dass es Fortschritte und Lösungen in Sachen Lastenrad- und LEV-Logistik gibt, die aber auf der Messe der "großen Räder" noch etwas zu kurz kommen.

Was sich mit Lastenrädern alles bewerkstelligen lässt, das thematisierte die LOGISTRA-Session zur "Langen Letzen Meile" auf der Transport Logistic. | Foto: HUSS-VERLAG
Was sich mit Lastenrädern alles bewerkstelligen lässt, das thematisierte die LOGISTRA-Session zur "Langen Letzen Meile" auf der Transport Logistic. | Foto: HUSS-VERLAG
Johannes Reichel

Auf der Messe der "großen Räder" sind die "kleinen Räder" eher unterrepräsentiert: Fast wie die Nadel im Heuhaufen muss man Cargobikes in den Münchner Hallen ebenso suchen wie Leichtelektrofahrzeuge. Dabei bieten sie gewaltige Chancen in der City-Logistik, wie das LOGISTRA-Forum "Lange Letzte Meile: Chancen und Grenzen des Einsatzes von Lastenrädern in der Logistik" unter Moderation von LOGISTRA-Test+Technik-Ressortleiter und Lastenradspezialist Johannes Reichel auf der Messe verdeutlichte.

Klar ist auch: Der Einsatz von Lastenrädern in der Logistik professionalisierte sich seit der letzten Ausgabe der Messe und nimmt deutlich an Fahrt auf. Die Hersteller haben bei der Entwicklung zuverlässiger und robuster Cargo-Bikes vorgelegt, nun muss die Logistik mit neue Lieferkonzepten und Micro-Hubs nachziehen. Auf dem Forum wurde diskutiert, wo die Chancen, aber auch die Grenzen der Lastenrad-Logistik liegen und welche Potenziale in Ergänzung mit Leichten Elektrofahrzeugen erschlossen werden können.

Kein Ersatz für Trucks, sondern Ergänzung

Dass sich die Masse an Stückgut und Paketen niemals mit Lastenrädern in die Cities befördern lassen werden, unterstrich Stefan Hohm, Chief Development Officer (CDO) der Dachser Group und seit vielen Jahren für die "Toolbox" des Konzepts "Dachser Emission Free Delivery" zuständig, das mittlerweile auf elf europäische Städte ausgedehnt wurde. Bis zur nächsten Ausgabe der Messe, so Hohms Wunsch und Plan, sollen 22 Städte erreicht sein. Exemplarisch verdeutlichte der Logistiker, wie sich hier auf der letzten Meile Lastenräder perfekt mit schweren und leichten E-Trucks im Vorlauf, in diesem Falle Mercedes eActros und Fuso eCanter ergänzen lassen. Was mit Prototypen-Trucks begann, geht jetzt zunehmend mit Serienmodellen in die Normalität über.

„Mit Dachser Emission-Free Delivery haben wir bewiesen, dass wir die letzte Meile emissionsfrei mit Stückgut beliefern können. Das Forschungsprojekt hat den Schritt in die Praxis geschafft und weist den Weg hin zu einer nachhaltigeren Stadtlogistik“, berichtete Hohm.

Essentiell ist die Koppelung mit Mikrodepots

Den Betonmischer werde man niemals mit Lastenrädern ersetzen, aber einen erklecklichen Teil an Transportaufkommen traut Hohm dem wiederentdeckten Transportmittel durchaus zu, wenn man es klug kombiniert und einfügt in Mikrodepot-Konzepte. Er verweist auch darauf, dass die Auftraggeber in ihren CO2-Bilanzen die Scope-3-Anforderungen in Sachen Klimaschutz und konform zum Pariser Abkommen erfüllen und Logistiker wie Dachser eben die passenden Lösungen bereitstellen müssten. Da sei das Lastenrad ein wichtiges Puzzlestück.

Wie man das Puzzle richtig zusammensetzt

Wie das genau passend gemacht wird und besser funktioniert, damit befassten sich die weiteren Referenten. So wies Alexander Belz von B4B Logistics aus München darauf hin, dass sich auch Stückgut mit Lastenrädern befördern lasse - und den Beweis tritt das Unternehmen ab Juni in der bayerischen Landeshauptsstadt an. In Kombination aus schwerem Lastenrad von Rytle und einem Anhänger vom Münchner Start-up e2trail werden Lasten befördert, die bisher Kleintransportern vorbehalten waren.

Mit 1,1 bis 1,3 Lastenradkombinationen, so rechnete e2trail-Geschäftsführer Holger Emmert vor, lasse sich ein ausgewachsener Sprinter ersetzen, wenn man es clever aufsetzt, zeigte sich der Start-up-Unternehmer überzeugt. Erste Pilotprojekte mit dem variablen, palettentauglichen Trailer, der auch elektrisch unterstützt kommt und zugleich als Handwagen und Ameise für die "allerletzte Meile" verwendbar ist, sind vielversprechend. Emmert verweist auch darauf, dass mit dem vergleichsweise preiswerten Instrument des E-Trailers die hohe Hürde der noch ziemlich teuren schweren E-Cargobikes umgangen werden könne.

Ersatzteillogistik mit dem Lastenrad

Auch noch in der Startphase und bereits in einer ersten logistischen Anwendung ist man da bei mocci und dem CIP-Group-Tochter CIP Mobility, die immerhin am Stand von Großlogistiker Bolloré präsent sind mit ihrem innovativen, kettenlosen und voll vernetzten Pedelec aus Kunststoffspritzguss. Die Pedelecs ersetzen hier den Transport mit Vans und Lkw an die Standorte der Kunden, ins Logistikzentrum und die Zollabfertigungsbereiche für den Tausch zahlreicher Ersatzteile, Werkzeuge und Dokumente. Von Kundenseite her gedacht, meint Ralf Busse, könne man schon heute bestimmte Logistikdienstleistungen per E-Bike schneller und günstiger erledigen. Das gehe aber nur mit zuverlässiger Technik, die wartungsfrei arbeite und robust sei, wie man es mit dem kettenlosen mocci-Bike realisiert haben will.

Leichtelektrofahrzeuge: Unterschätzt und robust

Mit robust und langlebig kennt sich auch Norbert Kerkhoff aus, der als Vertriebsmanager bei Carit Automotive für den E-Plattformwagen HopOn der Leichtelektrokategorie L6e wirbt, der eine Kreuzung aus Lastenrad und Transporter sein will. Der E-Antrieb soll völlig unproblematisch und wartungsfrei arbeiten, die Bremsen und Technik des Gefährts sind nach automotiven Standards konzipiert und die Nutzlast von über 250 Kilogramm in der Kurz- oder gar der Langversion mit zwei Paletten kann Kleintransportern das Wasser reichen. Sogar ein Trailer mit 300 Kilo lässt sich noch anspannen.

Was alles geht mit leichter E-Mobilität

Interesse an dem Münsterländer Gefährt kommt auf einmal aus allen Bereichen: Bäckereien, Intralogistiker, ein Entsorgungsunternehmen, berichtet Kerkhoff. Ein wichtiger Aspekt und Argument: Das 84 Zentimeter schmale Gefährt findet fast überall am Straßenrand Platz, die leidigen Parksorgen seien damit Vergangenheit. Kerkhoff erzählt zugleich von exzellenten Gesprächen auf der Messe und tollen Kontakten zu Großlogistikern und ist zuversichtlich über die weitere Skalierung des Konzepts. Auch den Preis ab 13.600 Euro finden die meisten dann bei näherer Betrachtung der Möglichkeiten des Leichtelektrogefährts nicht zu hoch. Was die Potenziale betrifft, verweist Kerkhoff auf das von Münster aus im wahrsten Sinne "nahe liegende" Nachbarland der Niederlande: Man sollte man den Blick über den Tellerrand werfen - und findet hier ein Land, das sich längst auf den Weg gemacht hat, in der Stadt "downzusizen", Autos aus den Städten zu verbannen und Bikes und Leichtgefährten Priorität einzuräumen.

Und so könnte es sein, dass sich ganz allmählich was "zum kleinen Rad" hin dreht, sprich in Sachen "Downsizing". Die technischen Mittel jedenfalls sind vorhanden und marktreif. Jetzt muss man nur noch die richtigen "Tools" aus dem "Werkzeugkasten" ziehen.