Köpfe der Branche: Meiller-CEO Dr. Daniel Böhmer im Interview
Transport: Herr Dr. Böhmer, wie kam Meiller Fahrzeugbau durch die Pandemie? Leidet das Unternehmen an irgendeiner Stelle quasi an „Long Covid“? Welche Folgen spürten und spüren sie durch den Ukraine-Krieg, gibt es ihr Werk im russischen Vostok noch?
Dr. Böhmer: Beim Thema Pandemie denke ich zunächst an unsere Mitarbeiter. Die Wochen, bis wir ein Regelwerk zum Umgang mit der neuen Gefahr gefunden hatten, waren schon aufregend. Heute sind wir stolz, dass sich mit hoher Wahrscheinlich niemand im Unternehmen bei der Arbeit angesteckt hat. Im Fahrzeugbau lassen sich Abstände gut realisieren. Und die neuen elektronischen Hilfsmittel ermöglichten uns in großem Stil mobiles Arbeiten. Die dabei gefundene Flexibilität bereichert unsere Arbeitswelt noch heute. Der Angriff Russlands auf die Ukraine wirkte nach der Pandemie wie ein Tiefschlag. Etwa acht Prozent unseres Umsatzes machten wir bis dahin in Russland. Das Geschäft war praktisch über Nacht weg. Unser Tochterunternehmen in Russland bearbeitet jetzt noch die Gewährleistungsfälle der bis vor dem Angriff gelieferten Aufbauten, kein leichtes Geschäft ohne Ersatzteile. Am härtesten hat uns aber der rasante Preisanstieg der Rohstoffe seit 2021 getroffen. Durch die zusätzlich schleppende Versorgung mit Lkw-Chassis hatten wir keine Möglichkeit, die Verluste durch Absatzsteigerungen zu kompensieren. Das hat uns auf unserem Wachstumskurs zurückgeworfen.
Transport: Stichwort Fachkräftemangel. Wie schwer ist es derzeit, geeignete und gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden oder im Betrieb zu halten?
Dr. Böhmer: Fachkräfte sichern Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Hier geht es uns im Wesentlichen wie allen in der Branche, sowohl in Deutschland als auch an den anderen Standorten der Meiller-Gruppe. Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden haben wir vor allem in den Bereichen IT und Technik. Ausgenommen ist der Vertrieb, hier gelingt es uns vergleichsweise schnell, offene Stellen neu zu besetzen. Dies ist für uns die Bestätigung, dass Meiller einen guten Ruf und qualitativ hochwertige Produkte hat. Die Fluktuation ist niedrig.
Transport: Wie sieht die Material-Lage aus? Gibt es und gab es Engpässe bei bestimmten Grund-Werkstoffen? Wie haben sich die Preise entwickelt?
Dr. Böhmer: Auch hier geht es uns wahrscheinlich nicht anders als unseren Marktbegleitern. Bei einzelnen Materialien hat sich die Preisentwicklung beruhigt, in Summe sehen wir aber weiter eine Erhöhung der Kosten. Hinsichtlich der Verfügbarkeit sind die Lieferketten noch nicht wieder stabil. Praktisch jede Woche gibt es einen anderen Engpass.
Transport: Wie schätzen Sie mittel- bis langfristig die Konjunkturlage ein? Spüren Sie bereits eine zurückgehende Nachfrage wegen den Rückgängen in der Bauwirtschaft?
Dr. Böhmer: Wir spüren bisher keine deutliche Abschwächung des Auftragseingangs. Kleinere Flotten halten sich schon länger mit Investitionen zurück, während große Kunden versuchen, ihre Investitionspläne umzusetzen. Die bestimmende Variable ist weiter die Verfügbarkeit von Chassis für unsere Aufbauten.
Transport: Meiller hat in den letzten Jahren einige Fertigungsprozesse ins osteuropäische Ausland (Slany, Niepolomice, Vostock) verlagert. Angesichts löchriger Lieferketten: Werden sie die eine oder andere Fertigung wieder nach Bayern zurückholen?
Dr. Böhmer: Die Meiller Hydraulik fertigen wir weiter an unserem Stammsitz in München. Die Verlagerung des Stahlbaus ins tschechische Slany bei Prag haben wir bereits in den 90er Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vollzogen. Hier investieren wir aktuell noch einmal in Oberflächentechnik und Automatisierung. Ebenso haben wir zuletzt in Österreich ein neues Werk gebaut, an dem wir komplexen Fahrzeugbau wie zum Beispiel Kranmontagen und Wechselsysteme bündeln. In Russland hatten wir nie ein eigenes Werk. Dort haben wir mit lokalen Fahrzeugbauern zusammengearbeitet. Weitere Investitionen zur Unterstützung unseres Wachstums sehen wir eher in Ost-Europa.
Transport: Meiller präsentierte jüngst den stark überarbeiteten Dreiseiten-Kipper, der jetzt „Trigenius“ heißt. Die Abroller laufen unter der Typbezeichnung „Tectrum“, die Absetzer unter „Tectris“. Können sich die Kunden die neuen Namen merken? Wie kommt das neue Konzept bei der Kundschaft an?
Dr. Böhmer: Mit der Produktvorstellung der neuen Dreiseitenkipper-Generation im Rahmen der letzten IAA hat Meiller den Namen Trigenius präsentiert und somit erstmals einer Produktfamilie einen gemeinsamen Namen gegeben. Das Kunstwort Trigenius ist hierbei Programm: Die Dreiseitenkipper der neuen Generation basieren auf einem modularen Baukasten, weisen ein einheitliches, modernes Design mit Wiedererkennungswert auf und setzen neue Maßstäbe in Sachen Ergonomie, Bediensicherheit und Effizienz. Im Rahmen der zahlreichen Schulungen mit unseren Kunden können wir bestätigen, dass nicht nur die neuen Trigenius Produktmerkmale große Zustimmung finden sondern auch die neue Namensgebung. Nachdem die Namensgebung bei den Absetzkippern Tectris und den Abrollern Tectrum nicht im Zuge einer kompletten Produkterneuerung erfolgt ist, wird es hier vielleicht etwas länger dauern, bis die Produktnamen im Sprachgebrauch der Kunden verankert sind.
Transport: Detailfrage: Meiller hat ja bereits vor Jahren die I.s.a.r.-Control-Fernsteuerung der Aufbauten erfunden? Wie hoch ist die Marktdurchdringung dieser Innovation? Für welche Aufbauten wird sie am häufigsten geordert?
Dr. Böhmer: Wir haben unsere I.s.a.r.-Control-Fernsteuerung vor über zehn Jahren eingeführt. Aktuell verkaufen wir die dritte Generation der Fernsteuerung und arbeiten permanent an weiteren Verbesserungen. Mit der Marktdurchdringung sind wir sehr zufrieden: Gehen Sie von 100 Prozent Ausstattungsquote bei unseren Absetzkippern aus, knapp 75% sind es bei den Abrollkippern und etwa 20% bei den Kippern. Aktuell merken wir bei den neuen Trigenius-Kippern einen deutlichen Trend hin zur Fernsteuerung. Ist ja logisch: Je mehr steuerbare Funktionen sie bei den Aufbauten haben – zum Beispiel Schiebe-Planen, den automatischen Unterfahrschutz, hydraulische Rückwände oder die Bordmatic bei Kippern - desto öfter greifen unsere Kunden mittlerweile zur Funk-Fernsteuerung. Die Vorteile liegen auf der Hand: Eine vom Fahrerhaus unabhängige Bedienposition mit optimaler Sicht in kritischen Situationen, eine deutlich effizientere Bedienung des Aufbaus und die einfache Möglichkeit zur Aktivierung von Folgesteuerungen, die ein teilautomatisiertes Abkippen der Ladung oder Absetzen von Behältern ermöglicht.
Transport: Alle Welt redet von „Digitalisierung“. Zugegeben - der Begriff ist arg strapaziert. Wo und wie kann ein Fahrzeugbauer wie Meiller am Produkt selbst noch etwas digitalisieren, wo in der Fertigung?
Dr. Böhmer: Sie haben Recht, der Begriff ‘‘Digitalisierung‘‘ wird in der Tat sehr strapaziert. Sozusagen als ‘‘stand-alone-Lösungen‘‘ bieten wir ein Wiegesystem für unsere Absetzkipper mit einer Gewichtsanzeige auf unserer I.s.a.r.-control. Dieses System ist komplett unabhängig vom Fahrgestell. Bei anderen Lösungen macht es jedoch Sinn, eng mit den Lkw-Herstellern zusammen zu arbeiten. Ein gutes Beispiel sind Kamerasysteme zur Laderaumüberwachung, bei denen wir, wenn möglich, den schon vorhandenen Fahrzeugmonitor nutzen wollen. Die Frage ist doch: Wie werden Kipper in der Zukunft gesteuert? Auch die zunehmende Elektrifizierung der Fahrgestelle beschleunigt den Trend hin zu digitalen Steuerungssystemen. In Summe geht es immer um das perfekte Zusammenspiel von Aufbau und Fahrgestell.
Transport: Welche Produkt-Qualitäten und -Eigenschaften sind für ihre Kundschaft am wichtigsten, welche Dienstleistungen?
Dr. Böhmer: In Bezug auf die Qualität unserer Produkte haben wir zum Beispiel in eine KTL-Oberflächenanlage in unserem Werk in Slany investiert, so dass wir zukünftig bei allen Meiller-Produkten einen optimalen Korrosionsschutz anbieten können. In Kombination mit hochwertigsten Materialien und neuesten Fertigungstechnologien schaffen wir so die Voraussetzungen für einen besonders robusten und langlebigen Aufbau. Der zweite wichtige Punkt ist die Effizienz im täglichen Einsatz: Mehr Nutzlast durch eine gewichtsreduzierte Bauweise und wie erwähnt eine optimale Steuerung des Aufbaus. Dritter Punkt: die Individualisierbarkeit unserer Produkte. Wir ermöglichen es unseren Kunden, sich den optimalen Aufbau individuell zu konfigurieren. Nehmen sie den neuen Trigenius, der so vielseitig ist wie nie zuvor: Damit können sie unterschiedlichste Güter transportieren: Schüttgüter oder Baumaterial, bis hin zu palettierten Ziegeln. Die modulare Bauweise und der Einsatz von Schraubtechnik erlauben hier einfache Nachrüstungen und Modifikationen.
Das Interview führte Robert Domina
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