Fahrzeugbau: Strategien für morgen und übermorgen

Iffet Türken, Vorstandsmitglied beim Trailerhersteller Kässbohrer, spricht über Herausforderungen an die Branche vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Umweltweltauflagen und der gleichzeitig stetigen Zunahme des Gütertransports auf der Straße. Zudem geht es in dem Interview um ein innovatives Container- Chassis für den kombinierten Verkehr.

Das innovative Oktagon- Multifunktions-Container- Chassis, dahinter der superleichte 40-Fuß- Swap-Body. Fotos: Kässbohrer, R. Domina
Das innovative Oktagon- Multifunktions-Container- Chassis, dahinter der superleichte 40-Fuß- Swap-Body. Fotos: Kässbohrer, R. Domina
Robert Domina

Frau Türken, wenn Sie an die weiteren Entwicklungen des Straßengüterverkehrs in den nächsten zehn Jahren denken, auf welche Herausforderungen muss sich der Trailerhersteller Kässbohrer einstellen?

Iffet Türken: Transport und Logistik halten die Welt in Bewegung. Viele Studien gehen davon aus, dass die Nachfrage im Gütertransport auch in den nächsten zehn Jahren weiterhin kontinuierlich wachsen wird. Experten der Europäischen Kommission erwarten, dass dabei die Aktivität im schweren Nutzfahrzeugbereich von 2010 bis 2050 mehr als 50 Prozent ansteigen wird.

Auf der anderen Seite hat das Europäische Parlament im April 2019 beschlossen, die CO2-Emissionen bei neuen Trucks im Vergleich zu 2019 bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Bis zum Jahr 2025 sollen es bereits 15 Prozent sein. Schließlich sieht der von der Europäischen Kommission vorgesehene „Green Deal“ eine Klimaneutralität in Europa für das Jahr 2050 als langfristiges Ziel vor.

Wie will Kässbohrer auf diese Herausforderungen reagieren?

Auf Basis unseres innovativen Erbes arbeiten wir an neuen Konzepten und neuen Geschäftsmethoden, die der Dynamik der Branche entsprechen. Im Mittelpunkt steht ein breites Ökosystem, bei dem wir auf langfristige und seriöse Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Lieferanten setzen, um die Kreativität zu steigern und auf das sich schnell ändernde Umfeld vorbereitet zu sein. Vor diesem Hintergrund sind wir stolz darauf, Teil des von der Europäischen Kommission unterstützten Aeroflex-Projekts zur Erzeugung der nächsten Generation von Straßenfahrzeugen zu sein, mit dem Ziel, die Emissionen, neben neuen internationalen Projekten, zu reduzieren.

Mit Ihrem Slider-Container-Chassis mit achteckigem Mittelrahmen haben Sie ein sehr innovatives Produkt im Bereich des kombinierten Transports zu bieten. Hat sich dieses Konzept bisher bewährt?

Das multifunktionale Container- Chassis K.SHG AVMH mit neuartigem achteckigem Zentralrahmen-Design hat den Trailer-Innovation-Preis 2019 in der Kategorie „Chassis“ gewonnen. Es ist Teil des breiten intermodalen Produktportfolios von Kässbohrer, einschließlich der leichtesten Curtainsider-Wechselsysteme auf dem Markt. Mit dem K.SHG AVMH und seinem achteckigen zentralen Rahmendesign konnten wir ein Problem lösen, das bereits seit 30 Jahren bestand. Das innovative Rahmendesign ermöglicht die Reduzierung aller Nebenspannungen der geschweißten Komponenten, wodurch das gesamte Chassis so spannungsfrei wie möglich wird. Dadurch werden dauerhafte Schäden vermieden, die bei dem sonst üblichen rechteckigen Zentralrahmendesign oft vorkommen. Unserer Slider-Container-Chassis wird in verschiedenen Verkaufsregionen nachgefragt, einschließlich Benelux und Deutschland. Zudem gibt es eine hohe Akzeptanz bei den Mietflotten, bei denen Geschwindigkeit im Betrieb und Langlebigkeit das A und O sind. Infolgedessen haben wir von unseren Kunden sehr positive Rückmeldungen zu den gesenkten Wartungskosten erhalten.

Braucht die Trailerbranche mehr konstruktiven Spielraum seitens der Gesetzgeber? Was wünschen Sie sich da?

Es muss allen klar sein, dass alle Beteiligten erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Wir brauchen einen agileren und kooperativeren Ansatz in der europäischen Gesetzgebung, um einen harmonischen Umgang mit den steigenden Herausforderungen zu finden. Ich bin Vizepräsidentin der Transportabteilung von ESTA, dem führenden europäischen Verband für den Schwerstraßenverkehr und die Vermietung von Mobilkranen. Ich habe immerhin zwei Jahre gebraucht, um der UNECE (Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen) einen Vorschlag zur Standardisierung von Beleuchtung und Kennzeichnung in Europa unterbreiten zu können. Deshalb: Wir brauchen mehr Zusammenarbeit auf jeder Ebene!

Welche Themen für die Zukunft sind für Ihre Kunden am wichtigsten?

Als Kässbohrer ist es unsere Priorität, unseren Kunden in mehr als 55 Ländern die innovativsten und effizientesten Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Für uns ist es wichtig, die Anforderungen und gesetzlichen Vorgaben unserer Kunden mit den verfügbaren Technologien zusammenzubringen. Laut unseren Kunden sind logistische Anforderungen, einschließlich der Optimierung und Zuverlässigkeit der Gesamtbetriebskosten (TCO) sowie gesetzliche Anforderungen, einschließlich komfortabler Fahrzeuge, Gewicht und Abmessungen, Emissionen, Sicherheit und Verfügbarkeit von Technologie, zukünftig von Bedeutung.

Der Artikel erschien in der 2020er Ausgabe des Magazins VISION Transport.