Richtige Reifenwahl entscheidet über Kraftstoffersparnis: Manfred Zoni erklärt, wie Nachhaltigkeit im Transportsektor gefördert wird
VisionTransport: Gemeinhin wird über Lkw-Reifen eher selten gesprochen, schon gar nicht, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Warum finden Sie das Thema dennoch wichtig und interessant?
Manfred Zoni: Das Thema Nachhaltigkeit geht uns angesichts der Klimakrise alle etwas an, selbstverständlich auch uns als produzierendes Unternehmen. Der Anteil von Lkw an der erbrachten Transportleistung im Güterverkehr belief sich im Jahr 2021 auf rund 72 Prozent, geprägt durch unser aller Konsumverhalten. Insofern ist mehr Nachhaltigkeit gerade auch im Transportsektor von großer Bedeutung. Wir als Reifenhersteller arbeiten kontinuierlich daran, die Laufleistung und Lebensdauer unserer Nutzfahrzeugreifen zu erhöhen. Mit Hankook entscheidet sich der Kunde für Premiumprodukte und Karkassen, welche die Grundlage für gute Runderneuerung sind – ein weiterer wichtiger Baustein zu nachhaltigeren Reifen.
Die Transportbranche ist preissensibel. Die Spritkosten sind hoch. Was raten Sie einem Kunden, der seinen Verbrauch senken will, bei der Reifenwahl?
Zunächst einmal sollte die Reifenwahl die richtige sein. Das heißt, Kunden sollten die Einsatzbereiche ihrer Fahrzeuge genau kennen. Nur durch die für die Zwecke passende Bereifung kann die maximale Kraftstoffersparnis erzielt werden. Unser Vertriebsteam berät Kunden hierbei, ebenso unterstützt es Flottenunternehmen dabei, ihre Reifen im Betrieb optimal zu managen und gemeinsam reifenbezogene Einsparpotenziale für ihren Fuhrpark zu identifizieren. Neben der richtigen Reifenauswahl spielen der Reifendruck, ein niedriger Rollwiderstand, hochwertige Reifentechnologien sowie das Nachschneiden und die Runderneuerung eine Rolle.
Nachhaltigkeit ist ja vieles: Sprit sparen, Zuverlässigkeit, Ressourcenschonung – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Können Sie uns erklären, was einen nachhaltigen Reifen ausmacht?
Wie Sie sagen: Zu einem nachhaltigen Reifen zählen viele Dinge. Angefangen natürlich bei den Rohstoffen und deren Beschaffung (also Lieferketten) über den Herstellungsprozess und die eingesetzte Energie bis hin zum Transport.
Hankook setzt sich dafür ein, den Ressourcenverbrauch und das Abfallaufkommen während des Produktionsprozesses zu minimieren und den Ressourcenkreislauf zu forcieren, sodass Ressourcen mehrfach wiederverwendet werden können. Das Abfallaufkommen in unseren Produktionsstätten reduzieren wir kontinuierlich, während Abwasser recycelt und der Energieverbrauch weiterhin gesenkt wird. In unseren Werken werden wir sukzessive auf 100 Prozent erneuerbare Energien wechseln. Materiallieferanten müssen sich bei Hankook einer Bewertung nach ESG (Environmental Social Governance)-Kriterien stellen.
Hinsichtlich Rohstoffen hat Hankook 2018 eine Richtlinie für nachhaltigen Naturkautschuk eingeführt und ist Mitglied der Global Platform for Sustainable Natural Rubber (GPSNR), einer internationalen, mitgliedergestützten Plattform, die gegründet wurde, um die Nachhaltigkeit der Wertschöpfungskette für Naturkautschuk zu definieren. Durch die Richtlinie sind alle Beteiligten einschließlich Produzenten, Händlern und Herstellern verpflichtet, die Gesetze und Vorschriften der Länder einzuhalten, in denen sie tätig sind.
Ganz wichtig ist auch die Qualität eines Produktes, denn ein großer Teil der Umweltauswirkungen eines Reifens entsteht während seiner Nutzung. Deshalb spielen eine hohe Laufleistung und ein geringer Rollwiderstand eine wichtige Rolle in der Ökobilanz eines Reifens. Das erreichen wir durch innovative Reifentechnologien. Runderneuerung erhöht zudem die Lebensdauer um bis zu 250 Prozent.
In puncto Nachhaltigkeit – welches Konzept verfolgt Hankook?
Hankook hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 zu 100 Prozent nachhaltig zu sein. Wir arbeiten bereits auf dieses Ziel hin. Seit dem vergangenen Jahr gibt es ein eigenes Komitee innerhalb des Vorstands, um das ESG-Management zu stärken. Dass wir uns für nachhaltiges Handeln einsetzen, zeigt das renommierte Prädikat „S&P Global Gold Class“. Damit zählen wir zu einem der Topunternehmen im Nachhaltigkeits-Jahrbuch, das auf dem S&P Dow Jones Sustainability World Index (DJSI World) basiert. Darauf sind wir stolz, denn neben Hankook findet sich unter den ausgezeichneten Unternehmen lediglich ein weiterer Automobilzulieferer. Hankook zählt 2022 bereits zum siebten Mal in Folge zu den Unternehmen, die im DJSI World aufgeführt sind.
Spielt Recycling eine Rolle?
Altreifen sind in unserer Nachhaltigkeitsstrategie eine wichtige Quelle von erneuerbaren Rohstoffen. Wie im ESG-Bericht von Hankook darüber hinaus erwähnt wird, arbeitet Hankook mit den Verbänden der Reifenindustrie in den jeweiligen Ländern zusammen, um geeignete Entsorgungstechnologien zu finden, mit denen das Recycling von Altreifen weiter gesteigert werden kann.
Als Mitglied des Tire Industry Project (TIP) des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) engagiert sich Hankook gemeinsam mit globalen Reifenherstellern in einem breiten Spektrum von Aktivitäten, um sicherzustellen, dass Altreifen angemessen entsorgt werden. Im Jahr 2021 schlossen sich Reifenhersteller, Recyclingunternehmen, Regierungen und andere Interessengruppen aus Europa, den USA und China diesem Projekt an, um Möglichkeiten zur Schaffung von Transparenz für Altreifen, Recyclingtechnologien und recyclingfördernde Maßnahmen zu diskutieren.
Forschen Sie an Ersatzstoffen zu Kautschuk und Gummi?
Die Expertise hierfür liegt unter anderem in unserem europäischen Forschungs- und Entwicklungszentrum, dem Europe Technical Center in Hannover. Wir haben demnach bei der Verwendung klimafreundlicher Rohstoffe große Fortschritte erzielt. So sind wir als erster Reifenhersteller mit der ISCC-Plus-Zertifizierung (International Sustainability & Carbon Certification) ausgezeichnet worden. Dies bezieht sich auf unser Werk in Geumsan/Südkorea und die Einführung von biologischem Öl und erneuerbaren biochemischen Materialien.
Und es gibt noch weitere, sehr vielversprechende und faszinierende Entwicklungen. So ist Ruß ein enorm wichtiger Rohstoff in der Reifenherstellung – wir sprechen von „Carbon Black“. Wir können den Ruß auch aus Altreifen oder via umweltfreundlicher Pyrolyse gewinnen.
Bieten Sie den Kunden Alternativen wie das Nachschneiden oder die Runderneuerung?
Ja, als Partner für unsere Kunden sehen wir es auch als unsere Aufgabe an, ihnen ein umfassendes Paket an Möglichkeiten zu bieten, wie sie ihre Bereifung möglichst lange nutzen können und dazu zählen klar das Nachschneiden und die Runderneuerung. Unter der Marke Hankook Alphatread bieten wir Heißrunderneuerungen in vielen Märkten in Europa an. Mit der Übernahme von Reifen Müller haben wir in Deutschland in eine eigene Werksrunderneuerung investiert und dort einen modernen Maschinenpark installiert. An weiteren vier Standorten in Europa arbeiten wir eng mit Partnern zusammen.
Jeder Hankook Nutzfahrzeugreifen verfügt über einen höheren Grundgummi und eine hochwertige Karkasse, sodass unsere Produkte mehrfach nachgeschnitten und runderneuert werden können. Schon nach einmaligem Nachschneiden erhöht sich die Lebensdauer um 25 Prozent gegenüber einem Standardreifen, am Ende sind es sogar bis zu 250 Prozent. Hankook nennt das das SmartLife-Konzept. Dieses bringt klare ökonomische und ökologische Vorteile mit sich. Hankook Alphatread Heißrunderneuerungen können bis zu 100 Prozent der Laufleistung eines neuen Reifens bei 70 Prozent der Kosten erreichen.
Hankook hat sehr lange Jahre Erfahrungen mit Reifen, auch mit Lkw-Reifen. Erleben Sie, dass die Transformation in der Fahrzeugbranche Auswirkungen darauf hat, welche Anforderungen an einen Reifen gestellt werden?
Ich denke, hier muss differenziert werden: Die erwähnte Transformation in der Fahrzeugbranche hat ihre Anfänge im Automobil- sprich Pkw-Sektor genommen und ist aufgrund dessen in diesem Bereich, anders als bei Nutzfahrzeugen, weiter fortgeschritten. Gerade hier erleben wir deutlich geänderte Anforderungen seitens der Fahrzeughersteller an unsere Reifen. Für die Elektromobilität optimierte Erstausrüstungsreifen von Hankook sind bereits seit einiger Zeit bei Audi, BMW, Porsche, VW und anderen führenden Marken im Einsatz. Mit dem iON hat Hankook nun eine komplette Familie von EV-Reifen auf den Weltmarkt gebracht.
Inwiefern wird die fortschreitende Elektrifizierung des Verkehrs die Reifenentwicklung verändern?
Die Anforderungen sind durch höhere Drehmomente und höheres Gewicht deutlich anders gelagert als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Unsere neuen Reifengenerationen Hankook SmartLine AL50/DL50 für die Langstrecke und Hankook SmartFlex AL51/DL51 für die Lang- bis Regionalstrecke passen sich den Bedürfnissen von Fahrzeugen mit Elektromotor an. Reifen müssen dazu beitragen, die Reichweite zwischen den Ladevorgängen zu erhöhen. Ein Kompromiss zwischen Rollwiderstand und Traktion ist aber oftmals unabdingbar und notwendig. Die neuen Reifenprofile Hankook SmartLine AL50/DL50 und SmartFlex AL51/DL51 bieten eine hohe Laufleistung durch verschleißarme Profiltechnologie, die abriebfeste Laufflächenmischung und eine optimierte Karkassenkontur für die gleichmäßige Druckverteilung in der Aufstandsfläche, kombiniert mit einem optimalen Kompromiss aus Rollwiderstand und Traktion.
Der Reifen der Zukunft – bleibt der schwarz und rund? Oder haben Sie da andere Visionen?
Rund bleiben wird der Reifen sicherlich – die Vorteile hiervon hat die Menschheit schon vor langer Zeit entdeckt. Spaß beiseite – die Zukunft, in der es um neue Formen der Mobilität in Kombination mit mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit geht, stellt neue Herausforderungen an die gesamte Mobilitätsbranche. Wir als Reifenhersteller haben uns natürlich auch schon mit dem Thema befasst und Szenarien entwickelt, wie Reifen neu gedacht werden können. Ein Beispiel hierfür ist der luftlose Konzeptreifen i-Flex, den wir stetig weiterentwickelt und die jüngste Generation letztes Jahr auf der Tire Cologne präsentiert haben.
Die Vorgaben für den im Rahmen einer Kooperation mit der Hyundai Motor Company entstandenen Konzeptreifen lauteten, Passagiere komfortabel und Waren sicher zu transportieren sowie schwere Lasten zuverlässig zu tragen. Bei der robotikbasierten Hyundai-Plattform Plug & Drive (PnD) fahren Transportmodule autonom auf dem luftlosen Hankook i-Flex. Das kompakte 10-Zoll-Format, der Durchmesser von 400 Millimetern und die Breite von 105 Millimetern in Kombination mit dem luftlosen Aufbau machen die neueste Version zum optimalen Transportpartner.
Inwiefern diese Konzepte auch auf schwere Nutzfahrzeuge anwendbar sind, wird die Zukunft zeigen.
Über Manfred Zorn
Als Sales Director Truck bei der Hankook Reifen Deutschland GmbH ist Manfred Zoni seit 2016 für die Weiterentwicklung der Marke Hankook im Bereich der Lkw- und Busbereifungen in der Region DACH verantwortlich. Er bringt einige Branchenerfahrung in leitenden Funktionen innerhalb der Reifenindustrie mit und war unter anderem Geschäftsführer der TP Industrial Deutschland.
Dieser Artikel wurde ursprünglich im Magazin VISION TRANSPORT Ausgabe 2023 veröffentlicht.
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