Interview mit Winfried Hermann, Minister für Verkehr in Baden-Württemberg
Herr Minister Hermann, Sie haben auch in diesem Jahr wieder die Schirmherrschaft für die NUFAM übernommen. Welche Intentionen und welche Erwartungen verknüpfen Sie damit?
Die Transformation des Güterverkehrs ist einer der wichtigsten Hebel, um die CO2-Einsparziele im Verkehrssektor erreichen zu können. Als Verkehrsministerium haben wir uns das Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2030 möglichst jede zweite Tonne klimaneutral transportiert wird. Denn das ist nötig, um die gesetzlich festgeschriebenen Einsparziele erreichen zu können. Aus diesem Grund möchte ich der NUFAM durch die Schirmherrschaft größere Aufmerksamkeit verschaffen. Hier werden die Zukunftstechnologien präsentiert, mit denen die Umstellung auf klimaneutrale Antriebe im Straßengüterverkehr möglich wird.
Im Juni haben Sie am Electric Vehicle Symposium (EVS) in Kalifornien teilgenommen. Welche Erkenntnisse und Anregungen für den Straßengüterverkehr haben Sie hinsichtlich der Entwicklungen bei Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen sowie bei Brennstoffzellenantrieben mit Wasserstoff mitgebracht?
In den USA werden wie bei uns neue, klimaneutrale Antriebe entwickelt und auf die Straße gebracht. Daimler Truck (u.a. Freightliner) als größter Hersteller ist vorne mit dabei. Anders als in Deutschland sind Trucker in den USA meistens Solounternehmer. Ein neues Fahrzeug muss sich rechnen, sonst kann ein Einzelunternehmer es nicht kaufen. Das bedeutet, man muss sich ausrechnen können, dass der E-Truck ein Business Case ist. Teurer bei der Anschaffung, günstiger beim Betrieb. Deshalb wird nicht nur aufs Klima, sondern auch auf die Wirtschaftlichkeit geachtet. Der Diesel wird weiter optimiert, der E-Truck kommt und an Wasserstoffbrennstoffzellenantrieben für die lange Distanz wird ebenfalls gearbeitet.
Was lässt sich davon auf die Antriebswende bei den baden-württembergischen Unternehmen der Fahrzeugindustrie übertragen – und welchen Einfluss haben Sie darauf?
Die baden-württembergische Fahrzeugindustrie hat zu lange auf den Dieselantrieb gesetzt. Das hat sich aber in den letzten Jahren komplett geändert. Die Notwendigkeit des Wechsels auf klimaneutrale Antriebe wird erkannt. Ich habe aus meinen Gesprächen mit der Fahrzeugindustrie den Eindruck, dass Elektromobilität für kleinere Lkw, für Busse und für große Lkw im Bereich bis circa 350 Kilometer pro Tag die Antriebstechnologie der Zukunft sein wird, auch für viele Nutzfahrzeuge. Die Brennstoffzelle wird eher im Langstreckenbereich zum Einsatz kommen. Auch ein Wasserstoff-Verbrenner könnte im nächsten Jahrzehnt kommen.
Stichwort E-Mobilität: Mitte August hat das Verkehrsministerium Baden-Württemberg die Fördermöglichkeiten für öffentlich und nichtöffentlich zugängliche Ladepunkte ausgeweitet. Bis 2030 sollen zwei Millionen Stationen zur Verfügung stehen. Im Fokus stehen Garagen und Parkhäuser. Können auch kleinere Speditionen und Flottenbetreiber im Güterverkehr unter Charge@BW Fördergelder beantragen beziehungsweise ist für die Transportbranche ein eigener Fördertopf eingerichtet?
Charge@BW zielt auf öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur und auf Wohnungseigentumsgemeinschaften und ist deshalb für Speditionen und Flottenbetreiber im Güterverkehr nicht geeignet. Der Bund hat ein großes neues Förderprogramm aufgelegt, ich hoffe sehr, dass damit das Laden in Depots von Speditionen und Flottenbetreibern ein Förderangebot bekommt.
Speziell für batterieelektrische oder mit einer Brennstoffzelle betriebene Lkw und Lieferfahrzeuge haben Sie mit BW-e ein Förderprogramm für den Umstieg auf E-Mobilität aufgelegt und jüngst mit der „Landesinitiative III Marktwachstum Elektromobilität BW“ ausgeweitet. Wie verhält es sich um die Nachfrage danach – und welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Wir bieten dazu seit etwa einem Jahr ein attraktives Förderprogramm namens „BW-e-Nutzfahrzeuge“ an. Die Nachfrage bleibt noch hinter unseren Erwartungen zurück. Wir analysieren gerade mit Unterstützung der Landesagentur e-mobil BW, woran das liegen könnte. Nach ersten Erkenntnissen könnte das gegenwärtig noch geringe Angebot an elektrischen Nutzfahrzeugen auf dem Markt und ein mangelhafter Bekanntheitsgrad unserer Förderung Gründe dafür sein.
Im Mai 2017 hat die Landesregierung Baden-Württemberg den Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg (SDA) initiiert. Er soll Mitte nächsten Jahres auslaufen. Können Sie bereits das eine oder andere Ergebnis skizzieren.
Für mich steht fest: Die Idee zum Strategiedialog in BW war und ist wegweisend. Der SDA hat ein Forum geschaffen, in dem sich Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und viele weitere Akteure offen und ehrlich austauschen konnten. Der Erfolg des SDA lässt sich an verschiedenen gemeinsamen Strategiepapieren zu allen relevanten Zukunftsbereichen der Automobilwirtschaft insbesondere im Mobilitätsbereich ablesen. Zudem gibt es zahlreiche gemeinsame Projekte sowie neue Produkte in der Wirtschaft, etwa batterieelektrische Lkw mit inzwischen rund 400 Kilometer Reichweite, die Oberleitungsversuchsstrecke eWay BW, Reallabore für automatisierte und vernetzte Kleinbusse im ÖPNV und die Nutzung von Mobilitätsdaten. Ich halte es für sinnvoll, den SDA auch über 2024 hinaus weiterzuführen.
In welcher Höhe liegen die Investitionen, die Baden-Württemberg für den Erhalt und Ausbau der Straßeninfrastruktur aufwendet und ergänzend dazu die Investitionen des Bundes für die Fernstraßen und Autobahnen in Baden-Württemberg?
Für Erhaltungsmaßnahmen der Straßeninfrastruktur stehen für das Jahr 2023 im Bundeshaushalt 236 Millionen Euro und im Landeshaushalt 165,5 Millionen Euro zur Verfügung. Der Bund investiert für Neu- und Ausbau zudem 239 Millionen Euro, während im Landeshaushalt rund 77,2 Millionen Euro dafür bereitstehen. Seit dem 01.01.2021 werden die Bundesautobahnen von der Autobahn GmbH des Bundes verwaltet, daher liegen meinem Haus diesbezüglich keine Zahlen vor.
Wo sehen Sie bei den Investitionen im Straßenbau vorrangigen Handlungsbedarf?
Erhaltung und Sanierung haben Vorrang – insbesondere bei den Brücken. Die wichtigsten Aus- und Neubaumaßnahmen werden berücksichtigt und umgesetzt. Ebenfalls hervorzuheben ist die Förderung von Radwegen, da diese einen wesentlichen Beitrag für eine nachhaltige Mobilität und zur Verkehrswende leisten.
Um den Parkplatzdruck besonders im Bereich des Gütertransports zu reduzieren, hat das Land bis zur Autobahnreform maßgeblich das Lkw-Parkplatzkonzept an Autobahnen vorangetrieben. Aktuell liegt der Fokus auf der Bedarfserhebung und Priorisierung zusätzlicher Stellplätze an Bundesstraßen, um den Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern ein ausreichendes Angebot zur Verfügung zu stellen.
Die EU-Kommission schlägt den fast uneingeschränkten Verkehr von Lang-Lkw zwischen EU-Mitgliedsstaaten vor, in denen die Fahrzeuge zugelassen sind. Wie bewerten Sie diesen Vorstoß?
Derzeit sind Lang-Lkw in Übereinstimmung mit dem EU-Recht nur dann grenzüberschreitend einsetzbar, wenn dazu zwischen den Nachbarstaaten eine völkerrechtliche Vereinbarung besteht. Aktuell gilt ein Abkommen über den grenzüberschreitenden Verkehr von Lang-Lkw zwischen den Niederlanden und Deutschland. Die Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens zwischen Dänemark und Deutschland steht wohl kurz bevor. Die Europäische Kommission hat jetzt im Rahmen des „Greening Freight Packages“ einen Änderungsvorschlag zu einer europaweiten Regelung von Lang-Lkw vorgelegt.
Diesen Vorschlag werden wir uns genau anschauen und uns anschließend gemeinsam mit den anderen Bundesländern im Bundesrat dazu positionieren. Grundsätzlich ist beim Thema Lang-Lkw – ob auf rein nationalen Routen oder grenzüberschreitenden – festzuhalten, dass wir hier über ein Nischenprodukt sprechen. Die mit dem Lang-Lkw verbundenen Kapazitätsvorteile ergeben sich ja nur bei ganz bestimmten voluminösen Gütern. Denn das zulässige Gesamtgewicht beträgt ja auch bei Lang-Lkw in der Regel 40 Tonnen. Wichtig ist mir bei der Ausweisung von Strecken für den Lang-Lkw, dass die Aspekte der Verkehrssicherheit und der Verschleiß der Straßeninfrastruktur mitgedacht und daran keine Abstriche gemacht werden.
Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch.
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