Interview mit Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing

Wie entwickelt sich die Mobilitätswende im Gütertransport? Und welche Rolle spielen Messen wie die NUFAM im Transformationsprozess? Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing sprach darüber mit der NUFAM kompakt. 

Dr. Volker Wissing, Bundesverkehrsminister | Foto: C. Harttmann
Dr. Volker Wissing, Bundesverkehrsminister | Foto: C. Harttmann
Redaktion (allg.)

Herr Minister Wissing, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Sie sind zum ersten Mal Schirmherr der NUFAM. Das ist eine Anerkennung der Branchenrelevanz dieser Messe. Wie sehen Sie die Rolle der Messe für den Austausch innerhalb der Nutzfahrzeugbranche?

Die NUFAM ist eine gute Gelegenheit, um sich über die neuesten Entwicklungen und Herausforderungen der Branche auszutauschen. Eines der zukunftsweisenden Themen sind neue, klimafreundliche Lösungen für den Transportsektor. Auf der NUFAM sind zahlreiche Aussteller vertreten und sie fördert die Vernetzung in der Branche.

Die NUFAM bietet eine Plattform für Hersteller, Zulieferer und Dienstleister der Nutzfahrzeugbranche. Kann eine solche Messe dazu beitragen, den Übergang zu nachhaltigeren und vernetzten Lösungen im Nutzfahrzeugsektor zu unterstützen?

Nachhaltige Mobilität ist nicht allein eine Frage der Fahrzeuge, es geht zum Beispiel auch darum, die Routenplanung nachhaltig zu gestalten. Ein weiteres Thema ist die Anwendung der richtigen Technik, etwa von Kontrollsystemen an den Fahrzeugen. Damit sich Anwender einen größtmöglichen Überblick verschaffen können, welche Systeme derzeit am Markt verfügbar sind, sind Messen wie diese eine große Unterstützung.

Ein großes Thema der Messe ist der Wandel der Nutzfahrzeugbranche hin zu mehr Nachhaltigkeit und Effizienz. Was sehen Sie derzeit als treibende Kraft für umweltfreundlichere Nutzfahrzeuge?

Auf den Straßengüterverkehr entfällt derzeit etwa ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen des Verkehrssektors. Hier müssen wir etwas tun, und das haben alle Akteure erkannt. Das betrifft neben der Politik insbesondere die Hersteller und Nutzer der Fahrzeuge. Die Elektrifizierung schwerer Nutzfahrzeuge kann aufgrund der hohen Laufleistungen und der vergleichsweise kurzen Haltedauer einen wesentlichen Beitrag leisten, um die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen.

Der flächendeckende Aufbau von alternativer Tank- und Ladeinfrastruktur, die CO2-differenzierte Lkw-Maut und novellierte Flottenzielwerte für schwere Nutzfahrzeuge setzen starke Anreize für die Branche. Ganz besonders freut mich aber, dass auch die Fahrzeughersteller sich ihrer Verantwortung annehmen und die Transformation zu klimafreundlichen Fahrzeugen als Chance erkennen. Auf der NUFAM können wir einmal mehr sehen, wie groß das Angebot an Fahrzeugen mit klimafreundlichen Antrieben mittlerweile ist und wie es immer weiterwächst.

Erwarten Sie, dass die Nachfrage der Transportbranche nach diesen Fahrzeugen in den nächsten Jahren in dem erwarteten Maße steigen wird?

Wir sehen eine sehr dynamische positive Entwicklung bei den alternativ angetriebenen Fahrzeugen. Laut Prognose der Nutzfahrzeughersteller werden 2030 etwa zwei Drittel der Neufahrzeuge emissionsfrei, also batterieelektrische oder mit Brennstoffzelle angetriebene schwere Nutzfahrzeuge sein. Damit könnten wir den Anteil emissionsfreier Fahrzeuge auf gut ein Viertel steigern. Das Interesse an klimafreundlichen Nutzfahrzeugen ist groß. Das zeigen die Antragszahlen unseres Förderprogramms. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage weiter zunimmt.

Die Nachfrage ist eine Sache, das Angebot eine andere. Wie wollen Sie die Unternehmen ermutigen, 
in Innovationen wie die Entwicklung alternativer Antriebe, Vernetzung und autonome Systeme zu investieren?

Als BMDV schaffen wir mit dem Gesamtkonzept klimafreundliche Nutzfahrzeuge einen Anreiz für Investitionen in innovative Technologien. Erstens fördern wir die Beschaffung von Fahrzeugen mit klimaschonenden Antrieben. Zweitens bauen wir eine auf den Fahrzeughochlauf abgestimmte Tank-, Lade- und Oberleitungsinfrastruktur auf und gestalten das passende regulatorische Umfeld für den Fahrzeugeinsatz.

Unser Ansatz soll insbesondere Planungssicherheit schaffen, die Anwender und Industrie brauchen.

Mit der Entwicklung neuer Technologien ist es nicht getan. Um die Nutzfahrzeugbranche zukunftsfähig zu machen, müssen die Hersteller ihre umweltfreundlichen Nutzfahrzeuge auch in den Markt integrieren. Inwieweit kann die Branche hierbei Unterstützung von Ihnen erwarten?

Unsere nationalen Strategien und Maßnahmen verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, zum Beispiel fördert das BMDV die Beschaffung von Nutzfahrzeugen mit Batterie und Brennstoffzelle, den Aufbau der erforderlichen Tank- und Ladeinfrastruktur und setzt durch die Befreiung CO2-freier Fahrzeuge von der Lkw-Maut einen wirksamen Anreiz zur Nutzung dieser klimaschonenden Fahrzeuge.

Ein weiteres zentrales Thema der Transformation ist die Digitalisierung der Logistikprozesse. Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht digitale Plattformen, um Transportprozesse effizienter und transparenter zu gestalten?

Die Digitalisierung und damit auch digitale Plattformen bieten große Chancen zur Verbesserung der Transparenz und Effizienz in der Logistikbranche. Standardisierungen ermöglichen zudem einen besseren Austausch von Daten. Diese Chancen sollten deutsche Unternehmen nutzen, um damit im internationalen Wettbewerb langfristig erfolgreich zu bleiben. Die Frage, inwieweit digitale Plattformen angeboten und genutzt werden, ist Sache der Wirtschaft. Vieles wird bereits eingesetzt, etwa digitale Lösungen zum besseren Management von Ladekapazitäten.

Indem digitale Tools dabei helfen, den Transportraum optimal auszunutzen, leisten sie auch einen Beitrag zu mehr Klimaschutz. Optimal geplante Touren und Routenführungen minimieren Zeit und Emissionen, auch hier können digitale Plattformen einen positiven Beitrag leisten. Es gibt noch deutlich mehr innovative digitale Lösungen für die Logistik, etwa zum Management von sehr kurzfristig benötigten hochwertigen Ersatzteilen oder lebensrettender Organtransporte. Innovative Unternehmen und Start-ups treiben diese Entwicklung. Digitale Plattformangebote werden insbesondere in der Logistik zu weiteren Effizienzsteigerungen und damit auch zu mehr Klimaschutz führen.

Emissionsreduktion und Klimaschutz sind drängende Themen. Wie beurteilen Sie die Rolle alternativer Antriebe wie Wasserstoff und Elektrizität dabei, die Nutzfahrzeuge der Zukunft umweltfreundlicher zu gestalten?

Klimafreundliche Nutzfahrzeuge, betrieben mit Strom oder Wasserstoff, sind der Schlüssel zur Emissionsreduktion des schweren Straßengüterverkehrs. Die Fahrzeuge sind bereits heute verfügbar und werden in den kommenden Jahren immer mehr zum Alltag gehören.

Die NUFAM ist ein Treffpunkt für Experten aus der Branche. Für wie bedeutsam halten Sie Netzwerke und Kooperationen, um die Herausforderungen der Transformation gemeinsam anzugehen?

Die nachhaltige Gestaltung unseres Mobilitätssystems ist eine Aufgabe, die wir nur im Zusammenspiel realisieren können. Insbesondere in der Anfangsphase der Technologieentwicklung braucht es starke Netzwerke, um Kompetenzen aufzubauen und Erfahrungen auszutauschen. Kooperationen über Technologie- und Branchengrenzen hinweg setzen den Grundstein für innovative Entwicklungen und sind so auch ein Wirtschaftsmotor. Veranstaltungen wie die NUFAM schaffen den notwendigen Raum für Vernetzung und können so Akteure und ihre Ideen zusammenbringen.

Die Transformation der Nutzfahrzeugbranche erfordert auch qualifizierte Arbeitskräfte mit neuen Fähigkeiten. Können Sie uns kurz erläutern, welche Maßnahmen Sie planen, um die Aus- und Weiterbildung in der Branche anzupassen und sicherzustellen, dass der Nachwuchs auf die Anforderungen von morgen vorbereitet ist?

Der Fachkräftemangel stellt uns vor große Herausforderungen. Umso wichtiger sind Strategien, um Nachwuchs zu gewinnen und Fachkräfte zu halten, gerade bei den Fahrerberufen. Wo wir als BMDV eine rechtliche Zuständigkeit haben, sind wir bereits tätig. Zum Teil muss an kleinen Stellschrauben gedreht werden, die aber große Wirkung entfalten können. Eine Maßnahme stellen Erleichterungen des Berufszugangs dar: So arbeiten wir zum Beispiel derzeit an einer Änderung der Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung. Wir ermöglichen damit die Prüfung der beschleunigten Grundqualifikation, die in der Praxis besonders wichtig ist, in mehreren Fremdsprachen. Bei Weiterbildungen wird auch auf die Möglichkeiten des E-Learnings zurückgegriffen. Nicht zuletzt sind die Unternehmen selbst in der Pflicht. Sie müssen für attraktive Arbeitsbedingungen, eine angemessene Entlohnung sowie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgen.

Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch.