Nachhaltige Logistik: Trucksters treibt emissionsfreie Fernverkehrslinien in Barcelona voran
Im Straßengüterverkehr wurden in den letzten Jahrzehnten die revolutionärsten und bahnbrechendsten Technologien aus dem Automobilbereich eingeführt. Aus der Dringlichkeit des Umweltschutzes und der Emissionsreduzierung resultierte die Entwicklung von Elektrofahrzeugen. Auch bei Trucksters sieht man einen Paradigmenwechsel, der alles verändern wird, auf die Branche zukommen.
Als Straßentransportunternehmen zu dessen Geschäftsmodell die Innovation gehört, hat sich daher das spanische Transportunternehmen das ehrgeizige Ziel gesetzt, die erste vollständig elektrisch betriebene und emissionsfreie Fernverkehrslinie in Europa einzurichten.
Ziel ist es, Emissionen nicht nur zu kompensieren, sondern gänzlich zu vermeiden.
„Weltweit gesehen machen die Emissionen des Verkehrssektors etwa 23 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen aus, und Prognosen deuten darauf hin, dass diese Emissionen in den kommenden Jahrzehnten weiter ansteigen“, erläutert José Ángel Sanz, Leiter der Abteilung Kommunikation bei Trucksters.
Zwei rein elektrische Lkw hat der spanische Transportdienstleister im vergangenen Jahr in Betrieb genommen. Weitere sollen in den kommenden Jahren folgen.
„Wir bei Trucksters setzen uns mit Nachdruck für den Einsatz von Elektrofahrzeugen im Güterfernverkehr ein, einem Bereich, der bisher kaum erforscht ist und der mit viel mehr Schwierigkeiten konfrontiert ist als der Mittelstrecken- oder Last-Mile-Verkehr“, begründet Sanz.
Auf Routen rund um Barcelona elektrisch unterwegs
In einer ersten Testphase erbrachte Trucksters auf Strecken innerhalb der spanischen Provinz Barcelona Transportdienstleistungen für 40 nationale und internationale Kunden. Dabei sah sich das Unternehmen mit Herausforderungen konfrontiert, die es so nicht erwartet hatte.
Da sind zum einen die hohen Anschaffungskosten für die E-Lkw. Ein Elektro-Lkw kann bis zu 350.000 Euro kosten, das Doppelte oder sogar Dreifache eines vergleichbaren Dieselfahrzeugs. Wie Sanz erläutert, müssen Transportunternehmen anfangs erhebliche Investition sorgfältig abwägen gegen die langfristige Rentabilität des Fahrzeugs.
„Auch die Unklarheit über öffentliche Subventionen erschwert die Entscheidungsfindung. Die staatlichen Subventionen für den Kauf von Elektrofahrzeugen sind in den letzten Jahren zurückgegangen, was bei potenziellen Käufern zu Unsicherheit führt“, so Sanz weiter.
Der Anschaffungspreis und die Kilometerkosten sind allerdings nicht die einzigen Faktoren, die der Einführung von emissionsfreien Lkw entgegenstehen. Transportunternehmen müssen außerdem betriebliche Anforderungen berücksichtigen. Im täglichen Betrieb sind Rentabilität und Effizienz der Lkw entscheidend.
„In unserem speziellen Fall sind wir uns bewusst, dass die Rentabilität dieser Fahrzeuge nicht sofort gegeben sein wird und dass sich viele weitere Verlader dem Wunsch anschließen müssen, den Langstreckenverkehr gemeinsam mit emissionsfreien Fahrzeugen zu dekarbonisieren. Dies ist ein Wettlauf, den wir langfristig bewerten müssen.“
Ein weiteres Hindernis ist der Mangel an Ladestationen für Elektrofahrzeuge auf den Straßen. Die Reichweite der E-Lkw ist deutlich begrenzt und auch in Spanien mangelt es an geeigneten Ladestationen. Unternehmen müssen daher in eigene Geräte investieren, was eine weitere finanzielle Belastung darstellt.
Jedoch werden mit der erwarteten Zunahme von Ladestationen für Elektro-Lkw die Kosten für Anschaffung und Installation voraussichtlich sinken.
José Ángel Sanz,
Leiter der Abteilung Kommunikation Trucksters
Zitat Herr Sanz:
Der Mangel an Ladesäulen ist so eklatant, dass ein durchgängiger Betrieb nur möglich ist, wenn der Lkw am Startpunkt oder am Ankunftsort ‚schlafen‘ kann.
An einer 325 kW-Schnellladesäule dauert es etwa 45 Minuten bis der Akku eines E-Lkw auf 80 Prozent aufgeladen ist. Um auf 100 Prozent zu kommen, muss der E-Lkw etwas weniger als zwei Stunden aufladen. Das Betanken eines Diesel-Lkw dauert dagegen nur fünf bis zehn Minuten ein gewichtiges Argument für eine Branche in der Zeit ein kritischer Faktor ist.
Ladestationen entlang der Strecken sind also essenziell. Im Fit for 55-Paket hat die Europäische Union deswegen auch festgelegt, dass die Mitgliedstaaten bis 2025 alle 60 Kilometer entlang des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) im Kernnetz Ladestationen mit einer Mindestleistung von 350 kW installieren müssen.
Bis 2030 sollte die Abdeckung des TEN-V-Netzes mit 350 kW-Ladestationen alle 60 Kilometer im Kernnetz und alle 100 Kilometer im weitergehenden Netz vollständig sein.
Theorie und Praxis – zwei Welten treffen aufeinander
Die Realität allerdings ist weit davon entfernt, den Anforderungen gerecht zu werden, berichtet Sanz.
„Wir haben gelernt, dass wir weit davon entfernt sind, diese Art von Lkw auf internationalen Strecken quer durch Europa bewegen zu können, und dass der Mangel an Ladesäulen so eklatant ist, dass ein durchgängiger Betrieb über kurze bis mittlere Entfernungen nur möglich ist, wenn der Lkw am Startpunkt oder am Ankunftsort ‚schlafen‘ kann.“
Dies macht Langstreckenfahrten mit E-Lkw zu einem unsicheren Unterfangen. Grund zum Optimismus liefert allerdings das Projekt der Daimler Truck AG, der Volvo Group und der Traton Group, die ein Netz von 1.700 Hochleistungs-Ladestationen für elektrische Lkw und Busse in ganz Europa schaffen wollen.
Mit einer Reichweite von 300 bis 400 Kilometern entsprechen moderne E-Lkw den Anforderungen, die der Transport über 200 bis 400 Kilometern zwischen Logistikzentren stellt. Für die Langstrecke jedoch attestiert Sanz erhebliche technologische Hürden.
Schnelle Ladezeiten sind ein Schlüssel, um E-Trucks für die Logistik wirtschaftlich zu machen. Das Megawatt- Laden, von dem sich auch Trucksters Verbesserungen erhofft, ist allerdings noch nicht über den Prototypenstatus hinausgekommen. | Bilder: C. Harttmann; Trucksters
Auf geschlossenen Rundkursen oder Strecken mit planmäßigen Stopps werde die Ladeplanung vereinfacht. Dies verringere den Bedarf an öffentlichen Ladestationen. Wer nach erfolgreichen Anwendungen suche, werde sie, so Sanz, im Transport zwischen Logistikzentren finden.
„Heute sind Elektro-Lkw ideal für den Transport von Waren zwischen Lagern in einem Umkreis von 300 bis 400 Kilometern. Auf diese Weise lassen sich die Transportwege optimieren und die Betriebskosten senken.“
Eine weitere Herausforderung für den rein elektrischen Lkw-Verkehr ist die Routenplanung. Sie muss sich derzeit an der Verfügbarkeit von Ladestationen orientieren. Auch das ist laut Sanz ein großer Nachteil:
„Diese übermäßige Abhängigkeit von der Ladeinfrastruktur schränkt die Flexibilität ein und schafft Ineffizienzen, die sich letztlich negativ auf die Kundenzufriedenheit auswirken können.“
Die Vorstellung, mit einem Elektro-Lkw auf Korridoren von mehr als 3.000 Kilometern unterwegs zu sein, erscheint daher utopisch. Trotz einiger Prototypen, die 800 Kilometer und mehr rein batterieelektrisch zurücklegen sollen, zeigen die Erfahrungen bei Trucksters, dass derzeit bestenfalls 300 bis 400 Kilometer möglich sind.
Und das bei normalen, stabilen Witterungsbedingungen, konstantem Fahrrhythmus und ohne die Motoren durch starke Steigungen zu belasten.
„Der Verkehr ist nur so robust wie sein schwächstes Glied“, erklärt Sanz. „Und wenn strenge Kälte die Reichweite eines Elektrofahrzeugs erheblich einschränkt oder eine anspruchsvolle Fahrt auf steilen Straßen, wie es in einigen europäischen Ländern der Fall ist, bevorsteht, haben wir ein Problem.“
Er setzt daher auf die Weiterentwicklung der Batterietechnik.
„Die Verbesserung der Reichweite von Elektro-Lkw-Batterien hätte erhebliche Auswirkungen auf die Rentabilität und Akzeptanz dieser Technologie“, ist er überzeugt.
Sobald E-Lkw längere Strecken zurücklegen können, ohne dass sie aufladen müssen, wären sie für Langstrecken besser geeignet.
„Andererseits würden die Betriebskosten sinken, da die Kraftstoff- und Wartungskosten von Elektro- Lkw im Allgemeinen niedriger sind als die von Diesel-Lkw.“
Eine größere Reichweite würde, so Sanz, weniger Nachladungen und damit geringere Betriebskosten bedeuten.
„Und schließlich wäre die logistische Effizienz größer: Elektro-Lkw könnten über längere Zeiträume ohne Ladeunterbrechungen betrieben werden, was die Effizienz der Transportwege verbessern könnte.“
Wenn dann noch die Ladevorgänge beschleunigt werden könnten, etwa mit Mega- Chargern, könnte, davon ist Sanz überzeugt, die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs tatsächlich auch Realität werden und der E-Lkw könnte dann zur echten Alternative gegenüber dem Diesel-Lkw werden.
Trucksters operiert im Fernverkehr mit einem Lkw-Staffelsystem. Im Raum Barcelona setzt das Unternehmen dabei auf FM Electric Sattelzugmaschinen von Volvo Trucks. | Bilder: C. Harttmann; Trucksters
Feingefühl statt brachialer Motorleistung
Ein ebenfalls wichtiger und bisher kaum beachteter Aspekt ist, dass das Fahren eines Elektro-Lkw im Fernverkehr eine spezifische Schulung erfordert und die meisten Fahrer in Europa damit bisher noch kaum Erfahrung haben.
„Im Gegensatz zu Diesel-Lkw, bei denen brachiale Motorleistung eine wichtige Rolle spielt, erfordert das Fahren eines Elektro-Lkw ein strategischeres und effizienteres Vorgehen“, beschreibt Sanz.
Die Art und Weise, wie der Fahrer beschleunige, bremse und die elektrische Energie nutze, habe einen entscheidenden Einfluss auf die Effizienz und Reichweite der Batterie des Fahrzeugs.
Fahrer von Elektro-Lkw müssen also eine vorausschauende Fahrweise entwickeln. Sie müssen Verkehrssituationen vorhersehen und ihre Geschwindigkeit entsprechend anpassen können, um beim Bremsen die Energie zurückzugewinnen, die sonst als Wärme verloren ginge. „Effizientes Fahren bedeutet auch, die Trägheit des Elektro-Lkw so weit wie möglich auszunutzen“, bringt es Sanz auf den Punkt.
„Anstatt scharf abzubremsen, sollten die Fahrer das Fahrzeug auf natürliche Weise abbremsen lassen, wenn sie den Fuß vom Gaspedal nehmen, insbesondere an leichten Steigungen.“
Die Reichweite eines Elektro-Lkw lässt sich damit um bis zu 20 Prozent erhöhen. Das verbessere die Effizienz der Transportwege und senke die Betriebskosten, konkretisiert Sanz, der außerdem darauf hinweist, dass dies auch der Verkehrssicherheit zugute kommt.
Doch trotz all dieser Herausforderungen und Hürden – Sanz ist überzeugt, dass die Elektrifizierung des Schwerverkehrs entscheidend für die Bekämpfung des Klimawandels ist – insbesondere wenn sie mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Er zitiert Studien des International Council on Clean Transportation (ICCT), die gezeigt haben, dass Elektro-Lkw während ihrer Lebensdauer mindestens 63 Prozent weniger Emissionen verursachen als Dieselfahrzeuge.
Für den Fahrer ist von Vorteil, dass der E-Lkw deutlich leiser und vibrationsärmer ist, als der Diesel-Lkw. Das Fahrerhaus verwandle sich damit in einen komfortablen und sicheren Raum, „der das körperliche und geistige Wohlbefinden des Fahrers bewahrt“, so Sanz. Die ruhigere Umgebung in der E-Lkw-Kabine fördere auch die Konzentration, reduziere Stress und verbessere die Schlafqualität. Ein klarer Vorteil auch für den Arbeitgeber, wie Sanz betont, denn:
„Ein ausgeruhter und konzentrierter Fahrer ist ein sicherer und effizienter Fahrer.“
Doch der E-Truck ist bei Trucksters nicht der einzige Weg in die Klimaneutrralität. „Wir prüfen derzeit den Einsatz von HVO in Koexistenz mit E-Lkw“, berichtet Sanz.
„Aufgrund unseres besonderen Relaismodells können wir Streckenabschnitte, auf denen wir eine Technologie einsetzen, mit Streckenabschnitten verbinden, auf denen wir eine andere verwenden. So können wir Schwierigkeiten wie das langsame Aufladen der Batterien oder das Fehlen von Ladeinfrastrukturen auf langen Strecken abfedern. Hoffen wir, dass es bald mehr Tankstellen gibt, die diesen Kraftstoff anbieten.“
Dieser Artikel erschien in der VISION Transport Ausgabe Sommer 2024
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