Tiemann Gruppe: Tradition und Innovation Hand in Hand - Einblicke von Christoph Huber und Caspar Plump

Caspar Plump und Christoph Huber leiten als Chief Operating Officer gemeinsam mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Dr. Dirk Plump die Tiemann Gruppe. Wir wollten von den beiden wissen, wie wichtig Tradition für das Unternehmen ist und warum sich in Zeiten des Wandels auch Service und Vertrieb evolutionär weiterentwickeln müssen.

Christoph Huber (links) und Caspar Plump leiten als Chief Operating Officer die Tiemann Gruppe zusammen mit Dr. Dirk Plump, dem geschäftsführenden Gesellschafter. | Bilder: C. Harttmann
Christoph Huber (links) und Caspar Plump leiten als Chief Operating Officer die Tiemann Gruppe zusammen mit Dr. Dirk Plump, dem geschäftsführenden Gesellschafter. | Bilder: C. Harttmann
Christine Harttmann

VisionTransport : Herr Huber, als Vorsitzender der Geschäftsführung von MAN Deutschland sind Sie uns ja gut bekannt. Anfang Januar haben Sie zur Tiemann Gruppe hier in Bremen gewechselt. Was hat Sie zu diesem eher ungewöhnlichen Schritt bewogen?

Christoph Huber: Nun, die Aufgabe als solche, also die Verantwortung für fast 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Unternehmen mit viereinhalb Milliarden Umsatz, habe ich zwar abgegeben. Aber ich bin – und das war mir sehr wichtig – in der MAN-Familie geblieben.

Denn die Marke und die Menschen, die dort arbeiten, sind mir in den vergangenen acht Jahren sehr ans Herz gewachsen. Und als MAN-Partner gehört auch Tiemann zur Familie. Das Unternehmen hat mich schon in meiner Zeit als MAN-Vertriebsleiter als sehr starkes und kundenorientiertes Unternehmen tief beeindruckt. Es vertritt MAN hier im Norden seit 90 Jahren unglaublich loyal.

Hinzu kommt, dass ich Caspar Plump und seinen Onkel während meiner Zeit bei MAN sehr schätzen gelernt habe. Ich wusste also, worauf ich mich einlasse. Hinzu kommt, dass dieses vermeintlich viel kleinere Unternehmen ein sehr großes Familienunternehmen ist, an dem mich gerade der familiäre Charakter gereizt hat. Hier kann ich noch viel unternehmerischer agieren, als in meiner Zeit als Konzerngeschäftsführer.

Ein weiterer Beweggrund für mich war die Rückkehr in meine Heimat, den Norden. Dadurch, dass die Tiemann Gruppe mit insgesamt siebzehn Standorten im Elbe-Weser-Dreieck vertreten ist, kann ich wieder in Hamburg leben.

Sie beide leiten als Chief Operating Officer das Unternehmen zusammen mit Dr. Dirk Plump, dem geschäftsführenden Gesellschafter. Gibt es innerhalb des Unternehmens eine Aufgabenteilung, wer was macht, wer wo treibt?

Huber: Wir wollen hier noch weiterwachsen. Das bringt natürlich zusätzliche Aufgaben mit sich. Durch die Übernahme der MAN Niederlassung Lüneburg, sowie unseren Neubau in Rosengarten, sind wir auf deutlich über 500 Mitarbeiter in der Tiemann Gruppe gewachsen. Hier bedarf es einer entsprechend operativen Aufmerksamkeit, welche wir uns teilen.

Aber wir sind ein Team und arbeiten eng zusammen. Wir tauschen uns täglich aus und besprechen gemeinsam die Strategien. Caspar Plump hat in den letzten Jahren vieles erfolgreich entwickelt, und Dirk Plump kann seine Erfahrung als Senior einbringen, der dieses Unternehmen in den letzten 40 Jahren geprägt und begleitet hat. Er ist für uns eine wichtige Stütze im Hintergrund und immer da, wenn wir ihn brauchen. Aber er lässt uns auch machen.

Caspar Plump: Das ist die Balance, die man in einem solchen Unternehmen finden muss. Auf der einen Seite die Erfahrung der älteren Generation und auf der anderen Seite die Jungen, die etwas verändern wollen.

Huber: Auch ich bin seit 30 Jahren im Nutzfahrzeugvertrieb tätig. Caspar ist also der Jüngste im Team. Aber das ist eine gute Kombination. Wir sind quasi drei Generationen und es ist gut, sich in dieser Diversität aufzustellen.

Ohne Diversität wird es heutzutage in einem Unternehmen wie Tiemann gar nicht gehen?

Huber: Anders könnten wir gar nicht wachsen. Erfreulicherweise kommen aber auch immer mehr junge Frauen zur Ausbildung als Mechanikerin zu uns – diese sind sehr motiviert und werden auch von den Kollegen sehr respektiert.

Plump: Nur mit männlichen Kollegen könnten wir die Nachfrage nicht decken. Außerdem ändern sich die Aufgaben von Jahr zu Jahr. Es kommt immer wieder Neues und Interessantes hinzu. Auf der einen Seite haben wir natürlich das Thema E-Mobilität mit all den neuen Tätigkeitsfeldern. Außerdem machen wir immer mehr mit Computern und werden immer digitaler.

Die Landtechnik ist da ganz vorne, wahnsinnig digital und den Nutzfahrzeugen fünf bis zehn Jahre voraus. Wir haben mittlerweile mehrere Mechaniker pro Standort, die früher in der Werkstatt geschraubt haben und heute am Computer sitzen und die Kunden aus der Ferne betreuen. Das macht den Beruf in Zukunft gerade für Frauen wahnsinnig interessant.

Besonders stolz sind Sie auf das Label familiengeführt. Was verbinden Sie damit, wie wird das im Unternehmen umgesetzt oder gelebt?

Plump: Wir sind ein altes, traditionsreiches Unternehmen. Nächstes Jahr feiert die Tiemann Gruppe ihr 120-jähriges Bestehen. Seit 90 Jahren sind wir Partner von MAN. Daran sehen Sie, dass uns langfristige Lieferbeziehungen sehr, sehr wichtig sind.

Diese Beständigkeit gibt allen Beteiligten – Kunden, Mitarbeitern, Partnern – sehr viel Sicherheit. Das ist gerade in der heutigen Zeit wichtig, in der es so viele Veränderungen gibt. Außerdem hat ein Familienunternehmen einen anderen, persönlicheren Kontakt zu seinen Kunden als ein von Investoren getriebenes Unternehmen oder ein Großkonzern.

Herr Huber, Sie sind aus dem Großkonzern in das Familienunternehmen gekommen. Wie empfinden Sie die Unterschiede?

Huber: Hier bei Tiemann sind wir mutig, zielstrebig und schnell: kurze Entscheidungswege, schnell handeln, auch mal etwas ausprobieren, eine Idee testen. Das macht Spaß und ist ganz anders als in einer Konzernstruktur. Da gibt es Gremien, die eingebunden werden müssen, Entscheidungsschleifen und Genehmigungsschleifen. Sonst funktioniert das im Konzern nicht.

Innerhalb des Nutzfahrzeuggeschäfts – gibt es da bei Tiemann bestimmte Schwerpunkte, oder machen Sie grundsätzlich alles?

Plump: Unsere verschiedenen Standorte haben natürlich unterschiedliche Schwerpunkte. Den Standort Bremen haben wir beispielsweise als Kompetenzzentrum für Transporter aufgebaut. Ein anderer Standort ist als Kompetenzzentrum für E-Mobilität ausgestattet, wobei natürlich alle sukzessive umgestellt werden müssen.

Einer unserer Schwerpunkte insgesamt ist aber sicherlich die Marktbearbeitung. Mit einem Marktanteil von 30 bis 35 Prozent bei den Lkw-Neuzulassungen in der Region liegen wir über dem Durchschnitt in Deutschland. Das setzt natürlich eine hohe Kundenzufriedenheit voraus. Dafür ist das Thema Erreichbarkeit wichtig.

Wir sind rund um die Uhr erreichbar und bieten Notdienste an – das sind Dinge, bei denen wir uns differenzieren können. Aber dadurch, dass wir hier unsere eigene MANRegion betreuen, müssen wir natürlich grundsätzlich alle Leistungen abbilden können. Das gilt für den Vertrieb genauso wie für den Service.

Welche Leistungen decken Sie als Servicepartner speziell für MAN ab?

Huber: Wir verkaufen alles, vom Lkw über den Transporter bis zum Bus. Dafür haben wir spezielle Verkäufer ausgebildet, die dann in ihrem Gebiet für die optimale Kundenbetreuung und Marktbearbeitung verantwortlich sind. Und natürlich haben wir das gesamte Dienstleistungsportfolio dazu im Bauchladen. Das reicht von der Finanzierung über Wartungsverträge bis hin zu unseren Serviceleistungen.

Je nach Standort bieten wir unterschiedliche Öffnungszeiten und unterschiedliche Ausrichtungen auf bestimmte Fahrzeugtypen. Hinzu kommt unsere Vermietabteilung Tiemann Rent. Am Standort Hamburg arbeiten wir dabei eng mit MAN TopUsed zusammen.

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Auch wenn es auf den ersten Blick anders aussieht – in der modernen Werkstatt wird längst nicht mehr nur klassisch geschraubt. Die digitale Betreuung des Kunden aus der Ferne wird immer wichtiger. | Bild: C. Harttmann

Wie bedeutend ist für einen Konzern wie MAN ein Partner wie Tiemann?

Huber: Ein Konzern kann nicht alles selbst machen. Gerade bei regionalen Dienstleistungen vor Ort stößt er schnell an seine Grenzen. Da ist es gut, Partner vor Ort zu haben, die auf lokaler Ebene noch mehr Flexibilität mitbringen.

Deshalb hat MAN 210 selbstständige Servicepartner, die jeden Tag aufstehen, damit fahren läuft. In Deutschland, wahrscheinlich sogar weltweit, ist die Tiemann Gruppe der größte dieser Partner. Seit 90 Jahren vertritt sie in einer ganzen Region exklusiv nur MAN. Mit dieser Loyalität ist sie, wie alle anderen Partner auch, eine ganz wichtige Stütze, sowohl als Markenbotschafter als auch als Ansprechpartner für die Kunden.

Ist also die wichtigste Stärke des Partners vor Ort, dass er agiler und schneller ist?

Huber: Ja, das würde ich sagen. Damit will ich den Konzern nicht schlechtmachen. Ganz im Gegenteil. MAN hat eine wunderbare und starke eigene Organisation mit eigenen Betrieben und eigenen Verkäufern, die auch sehr flexibel und kundenorientiert agieren.

Unser Vorteil bei Tiemann ist eben, dass jeder Verkäufer, wenn er vor Ort beim Kunden ist, den Hörer in die Hand nehmen und direkt mit Caspar oder mir telefonieren kann. Und wir können dann schnell und flexibel entscheiden.

Plump: In einem Familienunternehmen gehen die Genehmigungsschleifen einfach schneller. Das ist der Grund, warum wir überhaupt existieren können. Auf der anderen Seite haben wir natürlich nicht die Skaleneffekte eines Großkonzerns. Also müssen wir nachhaltiger denken, schneller sein und irgendwie alles noch ein bisschen besser machen.

Aber wir bei Tiemann haben aufgrund unserer Historie eine gewisse Sonderstellung. Wir sind sehr eng mit MAN verbunden. Wir arbeiten in den gleichen Systemen auf einer gemeinsamen Plattform. Ich bin im Vorstand des MAN-Beirat der Servicepartner und Vertragsvermittler e.V., in der wir die MAN-Außenorganisation zukunftsfähig machen. Die Verzahnung geht also auch hier sehr weit.

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Christoph Huber (links) und Caspar Plump (rechts) vor der Firmenzentrale in Bremen mit einem der wenigen Verkaufsräume, in dem auch ein Lkw Platz findet. | Bild: C. Harttmann

Eine Frage, die immer stärker in den Vordergrund rückt, ist der CO2-Ausstoß. Spüren sie das jetzt auch bei Tiemann? Ändern sich die Erwartungen, Vorstellungen Ihrer Kunden?

Huber: Alle Kunden interessieren sich dafür. Jeder braucht Beratung zur Elektromobilität. Das ist in jedem Verkaufsgespräch ein Thema. Wir sind auch sehr stolz darauf, dass wir einen der größten Elektro-Lkw-Aufträge für MAN an Land gezogen haben.

Das hat sich in unserer Region herumgesprochen und gibt uns einen gewissen Wissens- und Beratungsvorsprung. Und das führt dann an der einen oder anderen Stelle zu mehr Gesprächen mit anderen Kunden. Also das Thema E-Mobilität ist bei unseren Kunden sehr präsent. Jeder will es irgendwie ausprobieren. Aber es gibt auch viele Hemmnisse. Die Unternehmer sind unsicher, wie sie den E-Lkw in ihren Fuhrpark integrieren sollen. Sie fragen sich, ob er genauso produktiv und wirtschaftlich ist wie ein Verbrenner.

Und ja, Elektro funktioniert, aber die Ladeinfrastruktur ist schwierig. Hier ist die Politik gefragt. Sie muss Parkplätze mit Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellen und die Anschaffung der Fahrzeuge fördern. Dann können wir auch mehr Elektro-Lkw ausliefern.

Tiemann tritt als modernes, innovatives Unternehmen auf. Auf Ihrer Internetseite sprechen Sie von der Tievolution. Was hat es denn damit auf sich, Herr Plump?

Plump: Tievolution ist der Oberbegriff für unsere konzernweite Unternehmensstrategie. 2020 und 2021 haben wir sie auf den Weg gebracht. Anlass war, dass wir im Zuge der Corona-Pandemie extrem viele Veränderungen auch im Markt wahrgenommen haben.

Wir haben uns daher gefragt, wo wir stehen und ob wir für die Zukunft gut aufgestellt sind. Dabei wurde uns schnell klar, dass wir die Landwirtschaft immer brauchen werden und dass es auch den Transport immer geben wird. Aber bei beiden gibt es relativ viele Herausforderungen für die Zukunft, denen wir uns stellen müssen.

Das eine ist natürlich die Nachhaltigkeit. Greta war damals noch sehr, sehr aktiv und uns war klar, dass das nicht nur ein Trend ist, sondern dass uns das langfristig beschäftigen wird. Dem wollten wir gerecht werden, aus ethischen Gründen, aber vor allem auch mit Blick auf die Kostenentwicklung. Die CO2-Bepreisung war damals schon Thema.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Digitalisierung. Ich habe vorhin schon angedeutet, dass die Landtechnik hier ganz vorne mit dabei ist. Die Digitalisierung im Service ist aber auch für alle anderen Nutzfahrzeuge relevant. Sie bietet zum einen Potenzial für die interne Prozessoptimierung. Zum anderen wollen wir damit den Kunden neue Werkzeuge an die Hand geben, um noch profitabler zu werden.

Wir haben daher ein internes Projektteam gebildet, das mit der Analyse und der Definition von Maßnahmen begonnen hat. Herausgekommen sind über 100 Projekte, mit denen wir uns auf die Zukunft vorbereiten. Dabei geht es nicht um die kleine Photovoltaikanlage, sondern darum, uns im Sinne unserer Kunden weiterzuentwickeln und noch leistungsstärker zu werden.

Aus diesen 100 Projekten haben wir dann Cluster gebildet, um die Strategie nach außen greifbarer zu machen. Daraus sind dann die drei Säulen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Wachstum entstanden, denen wir im Nachhinein den Namen Tievolution gegeben haben. Der Begriff setzt sich aus Tiemann und Evolution zusammen. Es geht also um die Weiterentwicklung des Bestehenden.

Haben Sie ein paar konkrete Nachhaltigkeitsprojekte für uns?

Plump: Wir haben begonnen, unsere Standorte mit Photovoltaikanlagen auszustatten. Außerdem haben wir LED-Beleuchtung eingeführt und stellen unseren eigenen Fuhrpark weitgehend auf E-Mobilität um. Aber auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist uns wichtig. Schließlich wollen wir auch in Zukunft profitabel sein und entwickeln unsere Wachstumsstrategien weiter.

Hinzu kommt unsere gesellschaftliche Verantwortung. So haben wir beispielsweise die Restzeitspende eingeführt. Dabei spenden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sie wollen, jeden Monat von ihrem Gehalt den Betrag hinter dem Komma. Maximal sind das knapp zwölf Euro im Jahr. Wir als Unternehmen verdoppeln dann die Summe und alle Mitarbeiter können sich dann gemeinsam ein Projekt aussuchen, an das die Spende geht.

Und was sind konkrete Ansätze bei der Digitalisierung?

Plump: Um die Digitalisierung voranzutreiben, haben wir viel in unsere IT-Infrastruktur investiert. Unsere gesamte Serverlandschaft wurde erneuert. Alle Standorte sind mit einer leistungsfähigen Internetanbindung ausgestattet. In der Landtechnik stellen wir gerade unser komplettes Warenwirtschaftssystem um.

Wir haben IP-Telefonie eingeführt. Und dies sind nur einige Beispiele. Es ist also ein sehr, sehr großer und bunter Strauß von verschiedenen Projekten, mit denen wir uns zukunftssicher aufstellen. Dann haben wir die vermeintlich größte Säule, das Wachstum, durch einen weiteren Ausbau unserer Marktbearbeitung in beiden Unternehmensbereichen.

Wir haben uns also ambitionierte Ziele für die Zukunft gesetzt und ich bin sehr froh, dass wir Christoph Huber hierfür begeistern und gewinnen konnten.

Das Interview führte Christine Harttmann. Der Artikel erschien zuerst in der VISION Transport-Ausgabe Sommer 2024