Köpfe der Branche: Carrier Transicold-Präsident Victor Calvo im Interview

Temperaturgeführte Transporte werden immer wichtiger, doch wo geht die Reise bezüglich batterieelektrischer Lösungen und Digitalisierung hin? Victor Calvo, Präsident International Truck & Trailer bei Carrier Transicold Truck Trailer Refrigeration sowie Mitglieder des Carrier Führungsteams, hat mit uns über aktuelle Entwicklungen und die Zukunft von Kühltransporten gesprochen.

Victor Calvo, Präsident International Truck & Trailer bei Carrier Transicold Truck Trailer Refrigeration. (Bild: Carrier Transicold)
Victor Calvo, Präsident International Truck & Trailer bei Carrier Transicold Truck Trailer Refrigeration. (Bild: Carrier Transicold)
Tobias Schweikl

LOGISTRA: In Europa nimmt die Bedeutung temperaturgeführter Transporte stetig zu. Wie ist die Entwicklung weltweit?

Victor Calvo: Während der Pandemie haben wir bemerkt, wie wichtig eine gut entwickelte Kühlkette ist. Sowohl bei der Versorgung mit Lebensmitteln während des Lockdowns als auch bei der Verteilung der Impfstoffe. Obwohl Europa ist hier schon sehr weit ist, wird die Bedeutung auch hier noch zunehmen. In Asien, aber auch in Afrika, haben die Regierungen die Kühlkette als strategischen Entwicklungsfokus erkannt. Deshalb wird dort in Infrastruktur investiert – in Straßen, aber auch in Lagerhäuser. Es wird aber auch das nötige Regelwerk entwickelt. Vor allem in China, Indien und Südostasien entwickeln sich die Kühlkette sehr schnell weiter. Auch in Zentralafrika gibt es einige Regierungen, die gemeinsam mit den Vereinten Nationen stark an dem Thema arbeiten.

 

Elektromobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind im Transport derzeit die Haupttreiber der Entwicklung. Was bedeutet das für die Kältemaschine?

Wir haben derzeit die Chance, eine nachhaltigere Kühlkette zu etablieren. Wir befinden uns aktuell in einer umfassenden Transformation, an deren Ende es mehr als eine Technologie geben wird. Wir werden sowohl batterieelektrische- als auch Brennstoffzellen-Systeme sehen. Das ist ein Trend, der auch nicht mehr aufzuhalten ist.

 

Wie weit sind Sie damit, den Verbrennungsmotor durch emissionsfreie Lösungen zu ersetzen?

Carrier hat die erste elektrische Kältemaschine im Jahr 1999 auf den Markt gebracht. Der Strom kam damals zwar noch von einem mit Diesel angetriebenen Generator, aber die heutige Technik war im Grundsatz schon vorhanden. Wir mussten nur den Generator durch eine Batterie ersetzen. Dadurch können wir bereits vollelektrische Lösungen in allen Segmenten anbieten. Wir haben einen vollelektrischen Trailer und wir haben elektrische Lösungen für leichte Nutzfahrzeuge und Lkw mit Aufbau. Dort greifen wir die Energie entweder vom Dieselmotor oder von der dort vorhandenen Batterie ab.

 

Wo stehen wir aktuell in dem Transformationsprozess hin zu einer elektrischen Kühlkette?

Heute ist es die Entscheidung des Kunden, ob er eine batterieelektrische Lösung haben will oder ob er noch auf den Verbrennungsmotor setzt. Mit der vollelektrischen Lösung hat man mehr Einschränkungen bei der Autonomie. Im Fernverkehr, etwa von Südspanien nach Deutschland, ist die Lösung vermutlich nicht die Batterie sondern die Brennstoffzelle. Allerdings hängt das auch von der kommenden Batterietechnik ab.

 

Das hört sich nicht danach an, dass wir in den nächsten Jahren einen signifikanten Anteil an elektrifizierten Kühltransporten sehen werden…

Wir gehen davon aus, dass bis zum Ende des Jahrzehnts etwa die Hälfte unserer verkauften Einheiten elektrisch betrieben werden. Die Marktdurchdringung auf Lkw beschleunigt sich derzeit enorm. Deutschland hinkt hier noch ein wenig nach, die Niederlande haben hier die Führungsrolle, zusammen mit UK und Skandinavien.

 

Was bedeutet die Digitalisierung für diese Entwicklung?

Die Batterie einer einzelnen Kühleinheit arbeitet nur für ein paar Stunden autonom. Man kann diesen Zeitraum mit größeren Akkus verlängern, aber irgendwann besteht der Lkw nur noch aus Batterien. Weil also die Energie so begrenzt ist, muss man sie intelligenter managen als früher. Und das gelingt nur, wenn die Einheiten digital verbunden sind.

 

Welches Potenzial haben Solarzellen auf dem Trailerdach bei der Stromversorgung?

Solarzellen können eine Ergänzung sein, werden die Batterie aber nicht ersetzen. In Deutschland etwa wird man an einem typischen Januartag nicht viel Energie daraus gewinnen. Im Juli und August kann es anders aussehen. Solarzellen gewinnen viel Energie an sonnigen Tagen, wenn man auch viel Kühlung braucht. Aber nochmal: auch dann benötigt man noch eine Batterie und eine Rekuperationsachse. Wir bieten die Lösung an, aber man muss sich den Business-Case sehr genau ansehen und rechnen: wie viel kosten die Solarzellen, wie viel zusätzliche Autonomie verschaffen sie und braucht man sie wirklich? Der Kunde muss diese Fragen beantworten. Auch im Schadensfall verursachen Solarzellen Zusatzkosten.

 

Wie ordnet sich die elektrische Technologie preislich im Vergleich zu Verbrennerlösungen ein?

Die Anschaffungskosten einer elektrischen Lösung sind höher als beim Dieselaggregat. Allerdings sind wir bei der Technologie auch noch nicht in der Massenfertigung. In der TCO-Betrachtung sind der Hebel dann hauptsächlich die wegfallenden Spritkosten. Wir streben an, dass sich die Investition innerhalb wenigen Jahren bezahlt macht. Auf jeden Fall innerhalb der möglichen Nutzungsdauer des Fahrzeugs.

 

Was ist mit Wartungs- und Reparaturaufwendungen während der Laufzeit?

Um das fundiert einschätzen zu können, müssen wir noch mehr Erfahrungen sammeln. Üblicherweise haben elektrische Einheiten weniger Ersatzteile, sollten also auch hier Geld sparen. Viel wichtiger als die Kosten sind aber die Lautstärke und die CO2-Emissionen. Im Jahr 2030 werden die Anwohner in der Stadt einfach kein Dieselaggregat mehr akzeptieren. Ist die leise und saubere Technologie erst verfügbar, wird sie auch eingefordert werden.

 

Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zur Digitalisierung?

Bereits heute sind alle unsere Einheiten verbunden und sammeln Daten. Daraus lassen sich eine Reihe von Mehrwertdiensten ableiten – heute, aber auch in der Zukunft. Ein Beispiel: Eine Kühldistribution kann manchmal sehr ineffizient ablaufen, weil die Türen länger geöffnet bleiben, als nötig. Das lässt sich mit einer Telematik sehr schnell beheben. In den Daten lassen sich auch weitere Optimierungsmöglichkeiten finden, etwa bei drohenden technischen Defekten.

 

Muss ihr Kunde im Schadensfall noch selber den Kundendienst kontaktieren oder macht das schon die Kühleinheit?

Heute muss noch der Kunde anrufen. Aber die Idee ist ganz klar, dass sich künftig der Techniker proaktiv beim Kunden meldet. Und zwar immer dann, wenn sich ein Stillstand abzeichnet und nicht erst, wenn der Stillstand passiert. Wenn wir in den Daten eine genügend hohe Wahrscheinlichkeit erkennen, dass eine Komponente demnächst versagen könnte, ist ein vorsorglicher geplanter Werkstattaufenthalt sinnvoller, als einen Stillstand während der Fahrt zu riskieren.

 

Wie sinnvoll ist es, dass auch die Fracht, etwa über intelligente Ladungsträger, in dieses System eingebunden wird?

Wir als Carrier verkaufen bereits Temperaturüberwachungsgeräte, die der Kunde auf der Ladung platzieren kann, um damit selber die Temperatur zu überwachen. Und wir arbeiten daran, mit diesen Geräten zu kommunizieren. Diese Überwachung auf Ladungsebene wird in der Zukunft vermutlich stattfinden. Einfach weil es nochmals die Effizienz im System steigert. Und wenn es passiert, sind wir bereit.

 

Eine abschließende Frage: was raten Sie einem Kunden, der heute ein neues Kühlfahrzeug braucht?

Wenn sie einen Trailer für eine City-Distribution brauchen, kaufen Sie einen Vector eCool. Damit sind sie die nächsten zehn Jahre trotz schärfer werdender Regularien sicher. Auf internationalen Routen ist es immer noch schwierig, kein Dieselaggregat zu kaufen. 2.000 Kilometer in drei Tagen schafft man nicht mit einer Batterie. Bei leichten Nutzfahrzeugen und Lkw mit Kühlaufbau gibt es unsere motorlosen Lösungen. Egal mit welcher Technologie der Lkw angetrieben ist, wir können die Energie für das Kühlaggregat davon abziehen.

 

Die Fragen stellte Tobias Schweikl