Köpfe der Branche: Loxxess-Chefin Christina Thurner im Gespräch

Christina Thurner ist nicht nur "Bayerische Unternehmerin des Jahres" sondern auch Vorstand der Loxxess AG. Im Interview berichtet sie über aktuelle Herausforderungen der Branche und wie etwa Künstliche Intelligenz dabei weiterhelfen kann.

Christina Thurner leitet gemeinsam mit ihrem Bruder die Loxxess AG. (Bild: Loxxess)
Christina Thurner leitet gemeinsam mit ihrem Bruder die Loxxess AG. (Bild: Loxxess)
Nadine Bradl

Frau Thurner, vor ziemlich genau zwei Jahren wurden sie in den Vorstand der Loxxess AG berufen – vorher waren Sie bereits jahrelang in der Geschäftsleitung tätig. Was hat sich für Sie verändert?

Christina Thurner: Bereits seit 2010 bin ich ein Mitglied der Geschäftsleitung von Loxxess und durfte sukzessive immer mehr Verantwortungsbereiche übernehmen. Der Schritt in den Vorstand neben meinen Bruder war letztlich eine Formalie, weil wir Entscheidungen auch zuvor gleichberechtigt getroffen haben. Aktuell verantworte ich die Bereiche IT, Operations, Corporate Development, Marketing und Kommunikation sowie die Branche Pharma und die Regionen Nord und Ost in Deutschland.

 

Sie führen die Aktiengesellschaft in zweiter Generation mit ihrem Bruder. Von der früheren Panzerverschrottung, die ihr Vater gründete, ist Loxxess inzwischen allerdings weit entfernt. Wo sehen Sie Loxxess heute?

(lacht) Das stimmt, damit haben wir nun wirklich nicht mehr viel gemeinsam! Mein Vater hatte zum Glück nie Angst vor Veränderungen, darin sehe ich einen Schlüsselfaktor unserer heutigen guten Positionierung. Loxxess hat neue Technologien und innovative Ansätze mutig ausprobiert – auch auf die Gefahr hin, dass ein Experiment nicht klappt. Ich sehe uns als agilen, innovativen und leistungsstarken Logistikdienstleister mit einem stabilen und diversifizierten Kundenstamm. Wachstum ist für uns kein Selbstzweck, vielmehr begleiten wir die Entwicklung unserer Kunden und wachsen daran behutsam mit.

 

Das vergangene Jahr hat mit zahlreichen Krisen große Herausforderungen für die Branche mitgebracht. Welche Chancen sehen Sie darin?

Krisen holen uns für einen Moment aus der Routine und erlauben uns deshalb, Althergebrachtes zu hinterfragen – das sehe ich als Chance und versuche, diese Praxis als Unternehmerin zu pflegen. Durch die Pandemie mussten wir uns alle auf digitales Arbeiten einstellen. In dem Moment kann man sich fragen: Was kann ich denn noch alles im gleichen Schwung digitalisieren? Das gilt ebenso für die Energiekrise: Jetzt ist der Zeitpunkt, zu prüfen, welche Möglichkeiten zu einer größeren Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern zur Verfügung stehen.

Hat 2022 auch bei Loxxess für Veränderungen gesorgt?

In einigen Zielbranchen gab es kleine Rückgänge, der E-Commerce hat weiterhin zugelegt – die Steigerung der Aufträge zu bewältigen war eine Riesenherausforderung. Das haben wir leistungsfähiger Technologie, aber in erster Linie unserem engagierten Team zu verdanken.

Unerwartete Veränderungen gab es nicht, aber auch wir spüren den gestiegenen Kostendruck durch die Energiepreise und die angespannte Personallage.

 

Welche Themen sehen Sie zukünftig bei Loxxess – und in der Branche allgemein – im Fokus? Und wie gedenken Sie diese anzugehen?

Wir werden einen größeren Fokus darauf legen, Arbeitgeber der Zukunft zu sein. Die Logistik ist wie viele andere Branchen auch vom Fach- und Arbeitskräftemangel betroffen, da sind wir keine Ausnahme. Deshalb liegt uns viel daran, die Arbeitsplätze auf dem Shopfloor so angenehm und ergonomisch wie möglich zu gestalten, etwa durch den Einsatz von Handschuhscannern. Auch die Einarbeitungsphase haben wir unter die Lupe genommen und testen den Einsatz von selbstbestimmtem, app-basiertem Lernen. Da haben wir vielversprechende Erfahrungen gemacht. Wir stellen uns konstant die Frage, was wir noch für unsere Kolleginnen und Kollegen tun können.

Darüber hinaus liegt uns viel daran, unsere Prozesse schlank und digital zu halten. In unserem Logistikkonzept für den E-Commerce „SMILE“ kommt bereits Künstliche Intelligenz zum Einsatz, die uns bei der Auftragssteuerung entlastet. Zukünftig kann sie uns bei der Personaleinsatzplanung unterstützen. Teilautomatisierung am Warenausgang im Lager ist ein weiteres Mittel, die Kolleginnen und Kollegen bei körperlich anstrengenden Aufgaben zu entlasten.

 

Sie durften vergangenes Jahr gleich mehrere Auszeichnungen entgegennehmen. Unter anderem wurden Sie „Bayerische Unternehmerin des Jahres“ und erhielten den Preis „strategie I ist weiblich“. Wie wichtig sind Ihnen solche öffentlichen Wertschätzungen? Und glauben Sie, dass es auch Auswirkungen auf das Branchenimage hat?

Es war eine große Ehre für uns, den Preis im Namen des ganzen Loxxess-Teams entgegennehmen zu dürfen. Wir freuen uns darüber, dass unser soziales und ökologisches Engagement wahrgenommen und gewürdigt wird. Als mittelständisches Familienunternehmen liegt uns viel daran, einen engen Bezug zur Region aufrecht zu erhalten.

Für mich war es ein besonderes Highlight, dass durch den Preis „Logistik ist weiblich“ ein Scheinwerfer auf die tollen Frauen in der Branche und die beeindruckenden Werdegänge in der Logistik gerichtet wurde. Mir persönlich liegt daran, die Sichtbarkeit, die mir zuteilwird, ganz gezielt zu nutzen: Ich möchte junge Menschen und insbesondere Frauen erreichen und ermutigen, ihre Karriere voranzubringen. Gleichzeitig liegt mir viel daran, den Wirtschaftsbereich Logistik sichtbarer zu machen und aufzuzeigen, welche vielfältigen Ausbildungs- und Aufstiegschancen er bietet. Insofern – ja, ich bin überzeugt davon, dass wir auch durch solche Auszeichnungen in kleinen Schritten etwas fürs Branchenimage tun können.

 

Die Logistik- und Transportbranche kämpft oft gegen Vorurteile wie geringe Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen. Wie begegnen Sie bei Loxxess dem daraus auch resultierenden Fachkräftemangel?

Über die genannten Aspekte hinaus legen wir großen Wert darauf, unseren Kolleginnen und Kollegen eine breite Palette an Aus- und Weiterbildungen zu bieten und beispielsweise den internen Quereinstieg zu machen. So schaffen wir es auch, immer wieder Führungskräfte aus den eigenen Reihen aufzubauen. Eine wertschätzende Unternehmenskultur und vertrauensvoller Umgang sind ein guter Schutz gegen Fluktuation im Team. Dazu gehört eine offene Fehlerkultur nach dem fail fast-Prinzip. Zu starre Hierarchien hemmen effiziente und innovative Prozesse; bei Loxxess gewinnt immer das beste Argument – egal wer es nennt. Gleichzeitig geht es um hard facts: Um faire Arbeitsbedingungen, geschlechtergerechte Gehälter und ein flexibles Eingehen auf die Bedürfnisse der Menschen.

 

Ein großes Thema jetzt und in den nächsten Jahren ist die Emissionsreduktion. Welche Pläne verfolgt Loxxess auf diesem Feld?

Ein wichtiger Hebel sind unsere eigenen Logistikimmobilien, da ein Großteil der CO2-Emissionen im Gebäude entsteht. Aktuell befinden wir uns in der Nachrüstung von Immobilien mit Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach und an den Fassaden und in der Prüfung, welche weiteren Standorte geeignet sind. Auch Leichtbaumodule können ein Weg sein, wo die Gebäudestatik eine Nachrüstung nicht erlaubt. So erzeugen wir klimafreundlichen Strom, der direkt in der Immobilie verwendet oder ins kommunale Stromnetz eingespeist werden kann. Durch Zukauf kommen wir aktuell auf einen Anteil von 90 Prozent Ökostrom im Unternehmen.

Durch die Installation von Ladesäulen für E-Autos können wir einen Beitrag zur E-Mobilität leisten, indem wir sie unserem Team, Partnern und Besuchern umsonst zur Verfügung stellen.

Ein wichtiger Faktor, den man nicht wirklich sehen kann, aber eine ebenso große Rolle spielt: Die Verankerung von Lean Management-Prinzipien und Effizienz im täglichen Doing. Effizientere Prozesse und Arbeitsabläufe gehen oft einher mit einer Einsparung von Emissionen – zum Beispiel durch digitale Prozesse, die gleichzeitig Transparenz erhöhen.

 

Gerade der Pharma-Bereich, in dem Sie selbst ja bei Loxxess Pharma angefangen haben, ist durch gekühlte Transporte und nötige Überwachung energieintensiv. Welche Ansätze gibt es hierbei?

Im Pharmalager müssen teilweise Temperaturen bis -28 Grad Celsius stabil aufrechterhalten werden. Um die Energieversorgung möglichst nachhaltig zu gestalten, haben wir im Sommer 2022 am Standort Neutraubling eine emissionsarme Wärmepumpe in Betrieb genommen. Eine effiziente Tourenplanung ist für uns Logistiker eines der obersten Anliegen, um Ressourcen, Zeit und dadurch auch Emissionen zu sparen. Essenziell ist eine hervorragende Isolierung der Transportbehälter, um den Temperaturverlust so gering wie möglich zu halten. Die lückenlose Nachverfolgung der Temperatur ist ein weiterer wichtiger Faktor, da so rechtzeitig eingegriffen werden kann, sollten Unregelmäßigkeiten auftauchen. Die Unversehrtheit der Medikamente steht an oberster Stelle – aus humanitären Gründen, aber auch, weil die Vermeidung von Ausfällen und ressourcenintensiver Nachlieferungen den größten Kosten- und Emissionstreiber darstellen. Das Temperaturtracking haben wir schlank gestaltet, die Daten können ganz einfach per USB-Schnittstelle ausgelesen und dem Kunden digital zur Verfügung gestellt werden.

Die Hersteller von Verpackungen für die Kühlung während des Transports entwickeln zunehmend nachhaltige Produkte, sei es in der Wahl von Materialien oder in der flexiblen Anwendung für passive Kühlung. Auch wiederverwendbare Boxen aus recyceltem Plastik stellen eine sinnvolle Alternative für Einwegkartonagen dar.