Köpfe der Branche: Jörg Hübeler von Neste über alternative Kraftstoffe aus Altfetten und Holzresten

Alle Welt sucht nach CO2-neutralen Alternativen zum herkömmlichen Diesel. HVO 100, also hydrogeniertes Pflanzenöl (Hydrogened Vegatable Oil) aus Altfetten gilt derzeit als aussichtsreicher Treibstoff für bestehende Diesel-Lkw. Allein: Die verfügbaren Mengen aus Altfettrecycling sind noch sehr überschaubar, die Ressourcen hierzulande und weltweit schon sehr gut genutzt.

Jörg Hübeler (l.), bei Neste zuständig für Renewable Road Transportation sprach mit Test & Technik-Ressortchef Robert Domina über die Chancen von HVO 100 als Diesel-Alternative. Foto: Transport
Jörg Hübeler (l.), bei Neste zuständig für Renewable Road Transportation sprach mit Test & Technik-Ressortchef Robert Domina über die Chancen von HVO 100 als Diesel-Alternative. Foto: Transport
Robert Domina

Jörg Hübeler, von Neste sprach am Rande des Handelsblatt-Jahrestagung "Nutzfahrzeuge 2023 -Bridging the Gap, Transformation Transport" über die Möglichkeiten, aus Reststoffen der Holzindustrie, der Landwirtschaft und Gastronomie einen veritablen Diesel-Ersatz nicht nur zu kreieren sondern auch in den Markt zu bringen. Das Interview führte Robert Domina, Test & Technik-Redakteur bei Transport, Huss-Verlag.

HVO 100, also biogener Dieselersatz aus Fett-Hydrierung, wird gerade sehr als CO2-neutraler Diesel-Ersatz gehypt. Bei aller Begeisterung für HVO100: Sind letztlich nicht doch nur marginale Mengen erwartbar? Mit marginal meine ich jetzt drei bis fünf Prozent von dem, was wir eigentlich für den Straßengüterverkehr oder auch für die Luftfahrt bräuchten. 

Hübeler: Neste ist bei dem Thema recht weit vorn und wir bauen unsere Produktionskapazität weiter aus. Bis 2026 soll sie weltweit auf 6,8 Millionen Tonnen erneuerbare Produkte - wie beispielsweise HVO100 - steigen. Um diese Zahlen in Relation zu setzen: In Deutschland verbraucht der Schwerlastverkehr aktuell zirka 30 Millionen Tonnen Diesel. Eine Studie der Analysten von Greenea geht davon aus, dass wir 2025 zirka 30 Millionen Tonnen HVO100 Kapazität haben werden – weltweit. Das heißt, wir könnten dann mit der globalen Kapazität rein rechnerisch den kompletten Schwerlastverkehr in Deutschland bedienen. Global gesehen könnten wir 2040, wenn wir alle erneuerbaren Rohstoffpotenziale ausschöpfen, etwa eine Milliarde Tonnen Rohölbedarf durch biogene Kraftstoffe ersetzen.

Das gilt jetzt weltweit…

Hübeler: Richtig. Die 30 Millionen Tonnen für 2025 oder die Milliarde Tonnen für 2040 beziehen sich auf die ganze Welt. Und für 2025 entspricht die prognostizierte Kapazität ziemlich genau der Menge, die wir im Moment an Diesel für den Schwerverkehr in Deutschland brauchen.

Da wären wir ja schon ganz nahe dran. Allerdings würde das weltweit gewonnene HVO100 gerade mal für den deutschen Bedarf reichen. Das ist doch viel zu wenig…

Hübeler: Es bedeutet, dass man den kompletten Schwerlastverkehr in Deutschland zahlenmäßig mit HVO100 betreiben könnte. Das ist kein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es ist natürlich richtig: Auch außerhalb Deutschlands fahren LKW. Insofern kann 2025 natürlich nicht Schluss sein mit dem Ausbau der globalen Kapazitäten. 

Die Kritiker werfen der HVO100 Industrie ja vor, immer noch viel Palmöl als Grundstoff zu verwenden. Wie hoch ist der Palmöl-Anteil bei Neste?

Hübeler: Neste wird Ende dieses Jahres komplett aus der Verarbeitung von rohem Palmöl ausgestiegen sein – weltweit. Für den deutschen Markt gilt das schon jetzt. Wir haben bisher nur nachhaltig erzeugtes, vollständig rückverfolgbares, zertifiziertes Palmöl verwendet. Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Lieferanten laufend auditiert werden.

Altfett konkurriert auch mit Holz als Brennstoff, also Pellets, Hackschnitzel und so weiter…

Hübeler: Das, was wir im Bereich Abfall und Reststoffe aus der Forst- und Agrarwirtschaft nutzen können, ist nichts, was in die Pelletproduktion geht. Neste kann zum Beispiel Fettsäuren auf Basis von rohem Tallöl als Rohstoff verwenden. Diese werden aus Rückständen gewonnen, die in Zellstofffabriken bei der Herstellung von Zellstoff aus Kiefernholz anfallen. Diese Rückstände werden in Tallölraffinerien in einem Destillationsprozess zu verschiedenen Fraktionen wie rohen Tallölfettsäuren weiterverarbeitet. Das, was wir noch verarbeiten, sind daher Pflanzenreste, sozusagen der Rest vom Rest. Uns geht es um die Triglyceride, die in den Reststoffen sind und die wir über unseren Raffinerieprozess noch rausbekommen können. Und letztendlich sind das genau jene Fette, Öle, Abfälle und Reststoffe, die auf derzeit 50 Millionen Tonnen jährliche Kapazität geschätzt werden. Will heißen: All das, was wir jetzt und bis 2025 tun, können wir aus diesen bereits vorhandenen Abfall- und Reststoffen herausholen. Weitere Ressourcen für die Zukunft wären zum Beispiel die so genannten Novel Vegetable Oils mit einem geschätzten Potenzial von 150 Mio. Tonnen, gemischte Siedlungsabfälle mit etwa 190 bis 250 Mio. Tonnen, Lignocellulose aus Abfall- und Reststoffen der Land- und Forstwirtschaft mit 200 bis 400 Mio. Tonnen und in etwas fernerer Zukunft Algen und „Power to Liquid“-Verfahren. All das ist in der Erforschung.

Algen, die in relevanten Mengen Grundstoffe darstellen, das klingt jetzt schon ein bisschen weit hergeholt. Da sind wir doch noch meilenweit entfernt…

Hübeler: Vom gesamten Forschungs- und Entwicklungsbudget von Neste geht ein Großteil in den Bereich der Rohstoffpool-Erweiterung. Im Bereich Algen gibt es bei Neste ein eigenes Team, das sich intensiv mit der Frage der Kommerzialisierung beschäftigt. 

Nochmal zurück zu den Begriffen: Sie legen Wert auf die Feststellung, dass HVO100 kein E-Fuel ist. Warum?

Hübeler:E-Fuels und HVO sind tatsächlich zwei ganz unterschiedliche Kraftstoffe! E-Fuels werden über die Fischer-Tropsch-Synthese hergestellt. Das heißt, sie nehmen Wasser und Strom, bekommen dann über Elektrolyse das Wasserstoffatom und über Carbon Capturing das Kohlenstoffatom. Die werden dann im Prinzip neu zusammengebaut zu einer Kohlenwasserstoffkette. Das ist keine neue Technik, sie ist aber aktuell noch sehr stromintensiv. Im Grunde sind Wasser und Luft die Ausgangsstoffe, aus deren Molekülen die Produkte zusammengebaut werden.

Und wie bauen Sie HVO100 zusammen?

Hübeler: Unser HVO100 besteht aus erneuerbaren Rohstoffen. Im Prinzip nehmen wir Triglyceride, das heißt Öle und Fette, die eine sehr komplexe Kohlenwasserstoffkette enthalten. Die zerschneiden wir in kleine Stücke, indem wir unser proprietäres NEXBTL-Produktionsverfahren anwenden. Mit Hilfe von Wasserstoff als Synthesegas verwandeln wir die Öle und Fette in eine Vielzahl erneuerbarer Produkte - wie eben unter anderem HVO100.

 

Aber dazu benötigen sie doch auch hohe Temperaturen, also auch wieder viel Energie?

Hübeler: Das ist nicht so hoch. Der Vorteil an diesem Prozess ist, dass er exotherm verläuft. Es entsteht Reaktionswärme, die wir sofort wieder dem Prozess zuführen. Deswegen sind wir deutlich energieeffizienter als der normale, traditionelle Ölraffinerie-Prozess. Deswegen nochmal ganz klar gesagt: Erneuerbarer Diesel ist kein E-Fuel. Was wir brauchen, ist Wasserstoff – aber nur als Prozessgas und nicht als Baustein für das Produkt.

Woher kommt der Wasserstoff, den Sie dafür verwenden?

Hübeler: Der Wasserstoff, den wir aktuell einsetzen, ist grauer Wasserstoff. Wir arbeiten aber daran, diesen durch grünen Wasserstoff zu ersetzen. Klares Ziel ist, bis 2035 klimaneutral zu produzieren. Aus diesem Grund haben wir ein umfangreiches Wasserstoffprojekt in unserer Raffinerie in Porvoo, Finnland, und ein Demonstrationsprojekt zur Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff in unserer Raffinerie in Rotterdam gestartet.

Anderes Thema: Bei uns in Deutschland ist es nicht gestattet, HVO100 an der Zapfsäule abzugeben, weil der Stoff laut Bundesemissionsschutzverordnung spezifisch „zu leicht ist“ und nicht als mineralischer Kraftstoff gilt. Klären Sie uns über dieses Politikum auf.

Hübeler: Da muss ich aber auch noch mal auf die Chemie zu sprechen kommen. Ein Dieselmolekül ist eine Kohlenwasserstoffkette plus Aromaten. Diese Aromaten sind fossile Verunreinigungen im Molekül und haben auch ein Gewicht.

 Aber diese Verunreinigungen haben sie doch im HVO100 gar nicht mehr. Das ist doch gut, weil viel sauberer…

Hübeler: Genau. Weil HVO100 aus einer reinen Kohlenwasserstoffkette plus Additiven zur besseren Schmierfähigkeit besteht, ist es vom spezifischen Gewicht her leichter als ein fossiler Kraftstoff. Folglich aber auch viel sauberer.

Warum trotzdem dieses Verbot? Warum macht die Regierung das? Sind die Kritiker immer noch voller Angst, dass das alles auf die Kosten von Asien und Palmöl geht? Stichwort Plantagenanbau?

Hübeler: Als Neste können wir nur für unser Produkt sprechen. Daher haben wir uns auch im letzten Jahr dazu entschlossen, mit unserer Marke „Neste MY Renewable Diesel“ in den Markt zu gehen und über die Marke Vertrauen und Verlässlichkeit aufzubauen. Und das ist genau der Grund, warum wir uns mit dieser Marke jetzt in Partnerschaften wie mit der Deutschen Bahn und in Pilotprojekten wie mit BMW positionieren und sagen: Wenn ihr diesen Kraftstoff verwendet, steht Neste als Produzent mit dem Nachhaltigkeitsversprechen dahinter. 

Können Sie denn absehen, wann dieses “Zapfsäulenverbot“ für Privatkunden aufgehoben wird?

Hübeler: Dazu hat Neste gemeinsam mit Verbänden und großen Industrieunternehmen kürzlich ein Positionspapier verfasst. Wir sehen schon, dass sich da etwas bewegt, denn derzeit plant die Regierungskoalition die generelle Zulassung des Verkaufs von HVO100. Wir gehen daher davon aus, dass es zu einer Marktöffnung kommen wird. 

Noch mal auf Ihren Vortrag eingehend: Was mich überrascht hat - die Deutsche Bahn tankt jetzt HVO 100, selbst in ihre alten Loks, die 25, 30 Jahre und älter sind. Das scheint getestet zu sein und funktioniert, weil HVO100 offenbar ein sauberer Kraftstoff mit besten Eigenschaften für den Dieselmotor ist?

Hübeler: Deswegen habe ich das Beispiel mit der Deutschen Bahn angeführt, weil es zeigt, dass wir nicht nur eine direkt erkennbare, lokale Emissionsreduktion haben, sondern auch eine signifikante Geräuschminderung. Die Verträglichkeit des Kraftstoffs ist hier sehr positiv bewertet worden und die meisten Fahrzeughersteller haben ihre Fahrzeuge ja inzwischen auch für erneuerbaren Diesel freigegeben.

Inwieweit ließe sich denn ein Modell denken, das die Laufzeit unserer derzeitigen, sehr sauberen und modernen Dieselmotoren in Lkw verlängern könnte? Die drohende CO2-Bepreisung würde einen biogenen Kraftstoff wie HVO100 da für den Einsatz im Lkw doch sehr beflügeln. Da müssten den Lkw-Betreibern doch die Ohren klingeln?

Hübeler: Wir sehen ganz klar einen gravierenden Vorteil im Bereich langfristiger Betriebskosten durch den Einsatz von Neste MY und der damit verbundenen Möglichkeit zur Dekarbonisierung. Basierend auf aktuellen Daten und unseren eigenen Annahmen, haben wir  einmal die Total Cost of Ownership für die deutsche Lkw-Flotte berechnet und festgestellt, dass wir im Vergleich zur Elektrifizierung bei einem Sechstel der Kosten doppelt so viel Emissionen einsparen könnten. Das heißt nicht, dass das für immer so bleibt, denn natürlich ist der Gesetzgeber aufgefordert, entsprechende Regularien zu schaffen. Ich will da ganz klar sein: Wir haben überhaupt nichts gegen Elektrifizierung, sondern wir halten es für sinnvoll, jede Lösung zu nutzen, die sich bietet. Und erneuerbarer Diesel kann eben auch in bestehenden Fahrzeugen genutzt werden und einen großen Effekt haben. 

Welche Art von Unterstützung seitens des Gesetzgebers würden Sie sich wünschen?

Hübeler: In erster Linie eine unterstützende Regulierung, die den CO2-Preis so gestaltet, dass er sich nach der Verursachung richtet. Wenn wir einen Lkw auf die Straße stellen, der zwar kein CO2 emittiert, ihn aber mit Strom aus Braunkohle betreiben, sind wir nicht bei einem Zero-Emission-Fahrzeug, rechnen es aber als solches an. Deshalb ist der Well-to-Wheels-Ansatz, also die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus, für uns so wichtig. 

Europa, die USA und Asien tun alles, um die Ressource Altfett zu erschließen. Mal zugespitzt: Wird es einen globalen Altfettkrieg geben?

Hübeler: Das glaube ich tatsächlich nicht, und wir haben zum Beispiel seit über zehn Jahren daran gearbeitet, unseren Rohstoffpool zu diversifizieren. Wir tun das zum einen wegen der benötigten Rohstoffmenge, zum anderen aber auch zum Abpuffern von Kostenschwankungen bei einzelnen Rohstoffen. Wir haben also mehr Rohstoffe als nur gebrauchtes Speiseöl und durch Diversifizierung haben wir die Möglichkeit, flexibel zu reagieren.

Zum Beispiel?

Hübeler: Da gibt es zum Beispiel technisches Maisöl. Das ist ein Reststoff aus der Ethanolproduktion, der nicht in Konkurrenz steht zu Nahrungsmitteln und keine damit verbundene indirekte Landnutzungsänderung zur Folge hat. Dann gibt es noch Abwässer aus der Pflanzenöl-Produktion: Wenn sie etwa Sojaöl produzieren, verbleiben wässrige Emulsionen, in denen immer noch Fettmoleküle stecken. Diese Art von Abwässern nutzen wir, indem wir die noch verbleibenden Ölmoleküle herausfiltern.

Sind das relevante Mengen?

Hübeler: Ja, das sind auf jeden Fall relevante Mengen. 

Aus welchen Grundstoffen besteht HVO100 derzeit?

Hübeler: Wir verfügen über ein umfangreiches Portfolio an verschiedenen erneuerbaren Rohstoffen. Daher variiert die Zusammensetzung zum Beispiel, je nachdem, in welches Land wir liefern. In Deutschland ist etwa Palmöl nicht zugelassen als Rohstoff und Neste wird auch weltweit aus der Nutzung von Palmöl aussteigen. Wir richten uns stets auch nach den jeweiligen Vorschriften des Landes.

 Zum Beispiel?

Hübeler: Abfälle aus der Fleischverarbeitung, gebrauchtes Speiseöl, Fischfett-Abfälle sowie einige andere, über die wir bereits gesprochen haben. 

Klingt ziemlich unappetitlich.

Hübeler: Jedenfalls eher schwer zu verarbeitende Rohstoffe.

Konkurrieren sie da nicht mit der Tierfutter-Industrie?

Hübeler: Der Fokus von Neste liegt auf Abfall- und Reststoffen, was den Wettbewerb mit Lebens- und Futtermitteln bei der Beschaffung von Rohstoffen reduziert. In einer Kreislaufwirtschaft sollten jedoch alle Abfälle und Rückstände mehrere Verwendungsmöglichkeiten haben, und das ist auch bei tierischen Fettabfällen der Fall. Die Hersteller von Tierfutter haben eine Vielzahl von Fett- und Ölkomponenten zur Verfügung, aus denen sie je nach Kosten und Zusammensetzung wählen können. Tierische Fette sind nur eine dieser Optionen. Neste bietet eine hochwertige Verwendungsmöglichkeit für tierische Fettabfälle, die aus hygienischen Gründen nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, und zwar in der Produktion von erneuerbaren Produkten, die einen deutlich geringeren Kohlenstoff-Fußabdruck haben als ihre fossilen Gegenstücke und somit zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen.

Stichwort Jet-Fuels: Stehen die Airlines nicht schon jetzt Gewehr bei Fuß, um sich ihren Anteil an HVO 100 zu sichern? Die Luftfahrt ist hier doch ein riesiger Konkurrent zum Straßengüterverkehr.

Hübeler: Die Luftfahrtindustrie steht vor einer ähnlichen Herausforderung wie der Straßenverkehrssektor, befindet sich aber in einer anderen Phase der Entwicklung. Der Ersatz von fossilem Flugzeugtreibstoff durch nachhaltigere Alternativen wie erneuerbare Flugkraftstoffe, die in der Branche als "nachhaltiger Flugzeugtreibstoff" oder "SAF" bezeichnet werden, ist sicherlich eine der besten Optionen, die der Luftfahrt zur Verfügung stehen. Sie erfordert aber eine Ausweitung der Produktion und regulatorische Unterstützung. Sowohl der Straßenverkehr als auch der Luftfahrtsektor brauchen erneuerbare Lösungen, und auch wenn Neste seine SAF-Produktion weiter ausbaut, werden noch weitere Mengen SAF benötigt, damit der Luftfahrtsektor seine Emissionsreduktionsziele erreichen kann.

Aber HVO 100, ist chemisch ja relativ nah an Kerosin. Die müssten da doch unheimlich scharf darauf sein.

Hübeler: Neste kooperiert mit Airlines weltweit und Renewable Aviation ist ein eigener Geschäftsbereich, in dem wir auch weiter wachsen. Sei es in der Luftfahrt oder auch auf der Straße, wir müssen alle Alternativen nutzen, die weniger Emissionen verursachen und die fossile Kraftstoffe bereits heute und auch in Zukunft ersetzen können. 

Eine letzte Frage: Werden wir Diesel-Kraftstoffe an der Säule mit höheren Beimischungsquoten als bislang bekommen? Also um 50 Prozent oder sogar höher?

Hübeler: In Kraftstoffgemischen ist der Einsatz von HVO in Deutschland aktuell lediglich bis zur Beimischungsgrenze von 26 Prozent möglich – um die Dichte nach der geltenden Diesel-Spezifikation DIN EN 590 nicht zu unterschreiten. Wir bei Neste setzen uns allerdings für den Einsatz von Reinkraftstoffen ein. Warum? Weil wir den Industrien, die jetzt einem hohen Druck zur Dekarbonisierung unterliegen, eine kostengünstige und schnelle Möglichkeit anbieten wollen, mit der sie die Nutzung fossiler Brennstoffe und die damit verbundenen Emissionen erheblich reduzieren können. Und das können wir am besten mit einem erneuerbaren Reinkraftstoff erreichen, der zum Beispiel in vielen europäischen Ländern und in den USA bereits erhältlich ist. Dass im Bereich des Pkw-Verkehrs viel elektrifiziert wird, unterstützen und begrüßen wir sehr, denn wir brauchen alle verfügbaren Möglichkeiten. Aber für die Anwendungsfälle im Schwerlasttransport, auf der Straße und auf der Schiene, können wir die effizienteste Emissionsminderung erzielen, wenn wir den erneuerbaren Kraftstoff in Reinform verwenden und gezielt einsetzen.

Wieviel wird HVO100 im Jahre 2030 an der Zapfsäule kosten? Reden wir da über 2€ für den Liter oder 5 €...?

Hübeler: Darüber, wie es in 2030 aussehen wird, lässt sich nur spekulieren. Niemand hätte vor zwei Jahren gedacht, dass wir einmal einen Dieselpreis an der Zapfsäule von über zwei Euro haben. Wir sehen aber, dass der CO2-Preis auf fossile Kraftstoffe zweifelsohne steigen wird. Und vielleicht werden auch Incentivierungsmaßnahmen wie die CO2-Maut eine Anwendung im Schwerlastverkehr finden. Der Vergleich zum fossilen Kraftstoff hinkt aber ohnehin. Wir müssen eigentlich vergleichen: Was kostet uns die Dekarbonisierung im Schwerverkehr über HVO im Vergleich zu einer Elektrifizierung oder zu einer H2-betriebenen Brennstoffzelle - und was kostet es zukünftig, wenn wir gar nichts oder zu wenig tun.