Köpfe der Branche: Jeroen van den Oetelaar von DAF Trucks

Die Zeitung Transport sprach mit dem Leiter der Fertigung darüber, warum DAF Trucks ein Extra Werk für Elektro-Lkw eröffnet hat und wie überhaupt die Perspektiven für den E-Truck in Europa aussehen.

Jeroen van den Oetelaar, Produktionsleiter bei von DAF Trucks: "Der Wendepunkt für den emissionsfreien Lkw – und dazu zähle ich auch den Wasserstoff-Lkw – wird 2030 sein." (Foto: DAF Trucks)
Jeroen van den Oetelaar, Produktionsleiter bei von DAF Trucks: "Der Wendepunkt für den emissionsfreien Lkw – und dazu zähle ich auch den Wasserstoff-Lkw – wird 2030 sein." (Foto: DAF Trucks)
Christine Harttmann

Transport:  Herr van den Oetelaar, DAF hat in Eindhoven ein eigenes Montagewerk nur für Elektro-Lkw gebaut. Warum eigentlich?

van den Oetelaar: Nun, die Entscheidung für eine Antriebswende ist schon lange gefallen. Einige Antriebsstränge der Zukunft haben wir bereits identifiziert. Biodiesel für konventionelle Fahrzeuge ist ein Beispiel. Außerdem haben wir unsere Elektromodelle und bereiten uns auf den Wasserstoffantrieb vor. Aber der erste emissionsfreie Antrieb, den wir umsetzen, ist der Elektroantrieb.

Wir haben uns daher angeschaut, was das für unsere Produktionsstandorte bedeutet und welche Produktionsvolumina wir in den nächsten Jahren erwarten. Dabei sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass unser Hauptprodukt in den nächsten fünf Jahren auf jeden Fall der Diesel-Lkw bleiben wird. Und dieses Hauptprodukt müssen wir in unseren Werken weiterhin sehr effizient produzieren.

Das Elektrofahrzeug hingegen unterscheidet sich in einigen Punkten vom konventionellen Lkw. Das Chassis, die Kabine, der Antrieb, die Batterien, die Hochvolttechnik - all das kommt hinzu. Auch die Hochvolttechnik muss in die Produktionslinie integriert werden. Um die Produktion unserer Diesel-Lkw nicht zu stören – immerhin produzieren wir 250 Lkw am Tag – haben wir uns entschieden, einen Teil der Montage für die Elektro-Lkw auszulagern. So haben wir jetzt zwei Produktionsprozesse - einen für Lkw mit Diesel-Verbrennungsmotor und einen für Lkw mit Elektromotor.

 

Sie gehen also davon aus, dass auch in den nächsten Jahren vor allem Diesel-Lkw verkauft werden. Haben Sie eine Einschätzung, wann sich das ändern könnte, so dass mehr Elektro- als Diesel-Lkw verkauft werden?

Dahinter steht ja die Frage nach dem Wendepunkt. Ich möchte sie etwas umfassender beantworten. Es geht ja nicht nur um den Elektro-Lkw. Der Wendepunkt für den emissionsfreien Lkw – und dazu zähle ich auch den Wasserstoff-Lkw – wird 2030 sein.

Wir gehen davon aus, dass wir in diesem und im nächsten Jahr einige hundert emissionsfreie Lkw verkaufen werden. Bis 2025 werden es Tausende sein. Dann wird es bis 2030 rasant aufwärtsgehen, so dass wir bis 2030 und darüber hinaus Verkaufszahlen für emissionsfreie Lkw in der Größenordnung von einigen Zehntausend erwarten.

 

Wie schätzen Sie die steigende Nachfrage nach Elektro-Lkw ein? Und welche Erwartungen haben Sie für das Produktionsvolumen in den kommenden Jahren?

Wir gehen davon aus, dass die Stückzahlen bis zum Ende des Jahrzehnts von einigen Tausend pro Jahr auf mehrere Zehntausend steigen werden. Entscheidend ist natürlich, dass die Infrastruktur mit der Nachfrage Schritt hält und mit der Zahl der verkauften E-Lkw mitwächst. Denn auch wenn das Produkt da ist, brauche ich die Ladeinfrastruktur. Denn die Fahrzeuge müssen ja auch geladen werden können. Und das Laden ist eigentlich die größte Herausforderung für die Spediteure. Ob sie nun in einer Region oder in einem regionalen Verteilnetz auf Elektromobilität umsteigen wollen, spielt da keine Rolle.

Mit dem Produkt, das wir haben - wir haben ja in diesem Jahr unsere neue Generation von Elektro-Lkw vorgestellt -, kann man bis zu 500 Kilometer fahren, ohne nachladen zu müssen. Das würde einem Kunden in der Schweiz durchaus eine Tagesfahrt ermöglichen. Er könnte irgendwo zwischenladen und dann weiterfahren. Größere Flotten, zum Beispiel von großen Supermarktketten, könnten tagsüber im Depot oder an der Ladestelle aufladen und dann weiterfahren. Die Lkw fahren dann sozusagen von DC-Lader zu DC-Lader und kommen so ein ganzes Stück weiter. Das funktioniert aber bisher nur mit eigenen Ladestationen.

Wenn wir also davon ausgehen - und das ist aus unserer Sicht notwendig, um die CO2-Reduktionsziele zu erreichen -, dass Zehntausende von E-Lkw auf unseren Straßen unterwegs sind, dann ist eine funktionierende Ladeinfrastruktur ein Muss. Dann müssen wir dafür sorgen, dass auch im Fernverkehr und nicht nur im Verteilerverkehr entsprechende Lademöglichkeiten zur Verfügung stehen, um CO2 einzusparen.

Wir bei DAF gehen davon aus, dass bis 2030 rund 230.000 Ladestationen für den elektrischen Lieferverkehr benötigt werden. Davon müssen 60.000 öffentlich zugänglich sein. Das würde bedeuten, dass die Fahrer schon 2025 alle 60 Kilometer eine Ladestation finden. Aber wenn wir uns anschauen, wie sich das in der Vergangenheit entwickelt hat ...

Mein privates Auto ist ja auch elektrisch. Damit kann ich problemlos von hier nach Österreich fahren. Aber an die Ladesäulen, die ich benutze, kann ich keinen 16,50 Meter langen Lkw anschließen. Die eigentliche Herausforderung ist also, Möglichkeiten für diese Fahrzeuge zu schaffen.

Und wenn ich mir dann die Parkplätze in Deutschland anschaue, wie voll die sind. Da brauchen wir dringend die Regierung und auch die Energieversorger. Sie müssen zusammenarbeiten, um die notwendige Ladeinfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Nur so kann es funktionieren.

Ja, das wird eine große Herausforderung. Sind die Elektro-Lkw von DAF schon für Megawatt-Ladung vorbereitet?

Nein, im Moment nicht. Das ist etwas, was wir uns noch in Ruhe anschauen müssen. Es wird zwar viel über Megawatt-Laden gesprochen, aber letztendlich geht es um die Zeit, die die Lkw-Fahrer beim Laden verlieren. Deshalb haben wir versucht, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug innerhalb der vorgeschriebenen Ruhezeiten geladen werden kann. Wenn das gelingt, haben wir schon viel erreicht. Das Ganze ist natürlich einfacher zu handhaben, wenn der Ladevorgang schneller geht. Auf der anderen Seite geht es nicht nur um die Spitzenleistung, die beim Laden theoretisch zur Verfügung steht, sondern auch darum, wie lange die Leistung tatsächlich zur Verfügung steht. Wir können also kurzfristig viel gewinnen, wenn wir dafür sorgen, dass der Ladevorgang zuverlässig möglich ist. Wir optimieren also den Ist-Zustand, und das sollte uns immer besser gelingen. Deshalb beobachten wir genau, was auf dem Markt passiert und wie hoch die Verfügbarkeit ist.

Wenn das Ladegerät nicht verfügbar ist, nützt mir am Ende ja die ganze Technik nichts. Und Sie können noch nicht zu einem Megawatt-Ladegerät fahren, weil es das noch nicht gibt. Es macht also noch keinen Sinn, das in unsere Fahrzeuge einzubauen. Die Technik würde nur das Gewicht deutlich erhöhen und hohe Kosten verursachen - obwohl wir sie gar nicht nutzen können. Deshalb konzentrieren wir uns auf das, was es schon gibt. Das sind Ladegeräte mit 150 Kilowatt und 350 Kilowatt. Beides kann man bei uns bekommen. Insofern würde ich schon sagen, dass wir auf dem Stand der Technik sind.

 

Wie flexibel sind die elektrischen Antriebe von Paccar? Kann der Kunde die Leistung und die Positionierung der Batteriepacks an seine individuellen Bedürfnisse anpassen?

Unser Angebot ist bereits sehr flexibel. Das ist einer der Gründe, warum wir in diesem Segment so gut verkaufen. Die Variantenvielfalt, die wir bei den Diesel-Trucks haben, haben wir auch bei den E-Trucks. Wir haben sehr lange Batteriepakete oder kürzere und modulare. Standardmäßig haben wir eines unter der Kabine und eines unter dem Fahrzeug. Aber wir können sie in jeder beliebigen Kombination anordnen. Wir können zum Beispiel Batterien nur auf der linken oder nur auf der rechten Seite anbieten. Die Karosserie bietet also viele Möglichkeiten für individuelle Fahrzeuge. Das gilt übrigens auch für den Elektromotor. Den bieten wir in einem Leistungsbereich von 170 Kilowatt bis 350 Kilowatt an. Damit ist unser Angebot bei den E-Trucks genauso differenziert wie heute unser Dieselprogramm.

 

In welchen Märkten sehen Sie das größte Potenzial für Elektro-Lkw? Gibt es bestimmte Märkte? Gibt es bestimmte Kunden?

Das hängt immer stark von der Anwendung ab. Zunächst schauen wir uns an, wie viele Kilometer oder Meilen der Lkw zurücklegt. Im Fernverkehr zum Beispiel fahren wir bis zu 800 Kilometer am Tag. Dafür bräuchte ich eine entsprechende Ladeinfrastruktur direkt an der Autobahn. Die gibt es noch nicht. Unsere e-Modelle kommen derzeit bis zu 500 Kilometer ohne Aufladen aus. Man könnte also theoretisch bis zu tausend Kilometer am Tag fahren, wenn man an der Autobahn laden könnte. Praktisch ist das aber nicht möglich.

Deshalb bleiben wir vorerst im Regionalverkehr. Und wenn man sich das Geschäft unserer Kunden in diesem Bereich anschaut, dann ist das natürlich sehr regional. In diesem Segment machen die Spediteure die ersten Schritte. Und wenn wir jetzt in die Zukunft schauen, wäre es durchaus möglich, auch im Fernverkehr elektrisch zu fahren. Dafür müssen wir aber die Infrastruktur massiv ausbauen. Und das bei der großen Herausforderung, vor der unsere Kunden heute schon stehen. Aber klar - wenn wir die Möglichkeit hätten, an der Autobahn aufzuladen, könnten wir die Lkw mit 500 Kilometern Reichweite durchaus auf die Langstrecke bringen.

Die Frage ist dann doch nur: Wie lange muss dieser Lkw geladen werden? In der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit von 45 Minuten können wir ihn problemlos von 20 auf 80 Prozent laden. Das hängt natürlich von der Konfiguration und anderen Einflüssen wie der Temperatur ab. Im Schnitt dauert es aber nur 25 Minuten.

 

Was sind die Vorteile von Elektro-Lkw gegenüber konventionellen Diesel-Lkw?

Die beiden Modellvarianten sind sich zunächst in vielen Punkten sehr ähnlich. In einigen Punkten unterscheiden sie sich jedoch bereits deutlich voneinander. Bei der neuen Generation von Diesel-Lkw, standen Sicherheit, Effizienz und Komfort im Vordergrund der Entwicklung. Diese Aspekte werden auch für den Elektro-Lkw gelten. Wir haben also die gleichen Sichtverhältnisse, die gleichen Kamerasensoren an Bord, den gleichen Komfort für den Fahrer wie beim Diesel-Lkw. All das haben wir auch auf das Elektromodell übertragen. Das macht natürlich Sinn.

Aber in zwei Punkten gibt es einen deutlichen Unterschied. Das ist zum einen natürlich der Geräuschpegel, auch wenn unser moderner Diesel-Lkw sehr leise ist. Der Elektro-Lkw ist noch deutlich leiser und so entspannt zu fahren, dass ihn jeder liebt. Außerdem ist er extrem laufruhig. Also, ja, ich würde nicht sagen, dass man mehr Energie hat, wenn man aus dem Fahrzeug aussteigt, aber man verliert auf jeden Fall nicht viel, weil man nicht durch den Geräuschpegel ermüdet, wie es noch vor 15 Jahren der Fall war. Es ist also sehr komfortabel, auch die elektrische Lenkung. Sie hat den Vorteil, dass die Unterstützung sofort beim Anfahren da ist.

 

Gibt es die Elektro-Lkw auch mit der großen Fernverkehrskabine?

Wir bieten derzeit zwei Fahrerhäuser an. Das XD für die Stadtlogistik und das XF für den Regional- und Fernverkehr. Das ganz große, das XG, gibt es für den Elektro-Lkw noch nicht.

 

Jetzt habe ich noch eine Frage zur Infrastruktur. Plant DAF, sich am Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beteiligen? Oder sehen Sie hier vor allem die Politik in der Pflicht?

Wir sind Anbieter von Nutzfahrzeugen und damit verbundenen Dienstleistungen, darauf konzentrieren wir uns. Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe an, eine eigene Ladeinfrastruktur an Autobahnen aufzubauen. Natürlich verfolgen wir die Entwicklungen, aber wir bieten das nicht in unserem Portfolio an.

Was wir machen, ist, dass wir unsere Kunden auf dem Weg der Umstellung unterstützen. Das heißt, wir bieten Komplettpakete an - also Lkw mit Ladestation. Und wir zeigen dem Kunden, wie er das alles installieren kann. Wir können mit der lokalen Verwaltung in Kontakt treten, wir schauen uns mit ihm sein Geschäftsmodell an. Und wir sorgen dafür, dass der Lkw im bestmöglichen Nutzungsszenario unterwegs ist.