Köpfe der Branche: Fraikin-Chefin Silke Stubenrauch im Interview

Sie leitet die Deutsche Landesgesellschaft des Nutzfahrzeugvermieters. Im Interview spricht sie darüber, wie verwirrend der Markt bei alternativen Antrieben ist und die Auswirkungen auf den Mietmarkt – und darüber wie Fraikin die IAA in diesm Jahr für sich nutzen will.

Silke Stubenrauch, CEO Fraikin Deutschland GmbH: „Der Markt wird wegen der nach wie vor ungeklärten Frage nach der ‚besten alternativen Antriebsart‘ immer verwirrender.“ (Foto: Fraikin)
Silke Stubenrauch, CEO Fraikin Deutschland GmbH: „Der Markt wird wegen der nach wie vor ungeklärten Frage nach der ‚besten alternativen Antriebsart‘ immer verwirrender.“ (Foto: Fraikin)
Christine Harttmann

Transport: Vier Jahre sind seit der letzten IAA in Hannover vergangen. Vieles ist in dieser Zeit in der Branche passiert. Die Hersteller sind inzwischen mitten in der Transformation angekommen, die gefühlt täglich an Geschwindigkeit zulegt. Färbt das auch auf die Vermieter ab?

Silke Stubenrauch: Ja, ohne Frage. Denn die Umstellung auf alternative Antriebe ist der gegenwärtige Haupttrend im stark technologiegetriebenen Flottenmanagement. Wobei der Markt wegen der nach wie vor ungeklärten Frage nach der „besten alternativen Antriebsart“ immer verwirrender wird. Bekannte Hersteller (OEM) und/oder Branchen-Newcomer verunsichern Flottenbetreiber mit immer neuen Lösungen zunehmend. Zumal sie auch schon adäquate Leasingmodelle anbieten. Und auch wir als Vermieter planen, derartige Vorzeige-Fahrzeuge in unsere Flotte aufzunehmen. Außerdem sind wir dabei, alternative Antriebe in unserem 365-Grad-Servicemodell zu berücksichtigen.

Strategisch lautet unser zukünftiges Kundenversprechen: Nachhaltige Lösungen im Rahmen anspruchsvoller Vermietkonzepte – individuell auf den jeweiligen Kundenbedarf zugeschnitten. Dieser Wandel hat bei der strategisch eigentlich als „Langzeitvermieterin“ angetretene Fraikin Deutschland GmbH dazu geführt, dass wir uns nachfragegerecht vermehrt mit der Kurzzeitvermietung traditioneller Fahrzeuge beschäftigen. Was gerade von Transporteuren und Logistikern zur „Überbrückung“ von herstellerseitigen Lieferengpässen und technologisch bedingten Investitionshemmnissen gut angenommen wird. Denn sie können dadurch ihre aktuelle Wartezeit bzw. Unsicherheit überbrücken, kapitalschonend relativ entspannt durchatmen und dann in einigen Jahren voll auf das für sie technologisch sinnvolle Antriebskonzept setzen.

 

In Ihrem Bericht vor der Messe sprechen sie einer strategischen Neuausrichtung hinsichtlich Nachhaltigkeit, alternative Antriebe und digitaler Mobilitätslösungen. Heißt das, dass Fraikin sich gerade selbst neu erfindet?

In der Tat. Im Top-Management der Fraikin Group hat bekanntlich gerade ein markanter Generationswechsel stattgefunden. Denn unter Leitung des neuen CEO Yves Alexandre Pétin ist jetzt eine strategische Neuausrichtung und Marktausschöpfung unserer 2021 mit rund 3.500 Mitarbeitenden fast eine Milliarde Euro umsetzenden Gruppe hinsichtlich Nachhaltigkeit, Alternativ-Antriebe sowie digitaler Mobilitätslösungen angelaufen. Und dabei kommt – unter Wahrung des hohen Serviceniveaus – buchstäblich alles auf den Prüfstand.

Das gilt auch für Fraikin Deutschland, seitdem ich 2021 die Geschäftsführung übernommen habe. Gegenwärtig erfolgt eine gezieltere strategische Ausrichtung, klarere Positionierung (eben nicht nur Standard-Geschäft) sowie Erweiterung der Marken- und Fahrzeugvielfalt. Verbunden sind diese Maßnahmen mit einem Ausbau der Organisation und Verstärkung der digitalen, automatisierten Prozesse. Aber wie es bei Veränderungen so ist – manche Dinge gehen schnell, andere benötigen Zeit.


 

Hat Übernahme und vollständige Integration der Nutzfahrzeugvermietung „Via Location“ Einfluss auf diese Neuausrichtung?

Die in Frankreich/Belgien präsente „Via Location“-Organisation wurde operativ erfolgreich in die Fraikin-Organisation integriert, verstärkt dadurch die Gesamtorganisation und ist folglich automatisch ein Teil unseres Transformationsprozess. Einen direkten Einfluss auf unsere neue Deutschland-Strategie hat das aber nicht.

 

Sind das auch Ihre aktuellen Fokusthemen: Nachhaltigkeit, alternative Antriebe und digitale Mobilitätslösungen?

Wie Sie wissen, sind wir gerade im Bereich Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren extrem gut aufgestellt gewesen. Und zwar entlang der gesamten Nutzfahrzeug-Wertschöpfungskette. Nicht ohne Grund wurde uns vor ein paar Jahren vom Huss-Verlag in der Kategorie „Vermietung“ der „Europäische Transportpreis für Nachhaltigkeit 2020“ verliehen. Dieser basierte inhaltlich voll auf unserem letzten Corporate Social Responsibility (CSR)-Report, den die Fraikin Group übrigens für 2022 gerade neu auflegt.

Bei den Alternativ-Antrieben hat unser Pariser „Fraikin Lab“ ständig den Finger auf dem Puls des Antriebsmarktes, insbesondere was Elektromobilität anbetrifft. Und unsere französischen Kollegen vermieten auch schon jahrelang entsprechende Verteilerfahrzeuge. In Deutschland ist die Nachfrage noch zögerlich. Noch loten viele Kunden aus, welcher Alternativ-Antrieb zu ihrer Einsatzart passt. Auch wir müssen für uns in Deutschland eruieren, in welche zinsträchtig teuren Mietfahrzeug-Kategorien wir investieren. Und uns fragen, ob es für diese in einigen Jahren, wenn sich die Spreu vom Weizen getrennt hat, überhaupt noch einen rentablen Markt gibt.

Zu den digitalen Mobilitätslösungen kann ich sagen, dass wir anstreben, ein moderner, digitaler Vermieter zu sein und explizit auch verstärkt als solcher wahrgenommen werden wollen. Denke hier an unser richtungsweisendes 360-Grad-Service-Konzept. In Deutschland passen wir auch gerade unsere Strukturen und Prozesse neu an. Was bekanntlich bei jedem sich im Umbruch befindlichen Unternehmen viel Zeit beansprucht.


 

Gibt es ein besonderes Highlight, auf das sich die Messebesucher freuen können?

Fraikin ist auf der IAA Transportation 2022 selbst kein Aussteller, sondern kooperiert dort als „Vermieter im Wandel der Zeit“ eng mit seinen verschiedenen Nutzfahrzeugpartnern, Herstellern aller Marken und anderen wichtigen Netzwerkakteuren. Wir treffen auf der Messe gezielt bestehende und potenzielle Geschäftsverbindungen, wie zum Beispiel im Freigelände die bekannte Spezialfahrzeug-Herstellerin Terberg HS.