Mikromobilität: Gar nicht übergeschnappt

Mit dem „microSNAP“ will der Schweizer Mobilitätsvisionär Personen- und Lieferverkehr in der Stadt revolutionieren. Diesmal soll aus der detailliert ausgearbeiteten Studie Wirklichkeit werden – per eigenem Start-up.

Foto: Rinspeed
Foto: Rinspeed
Redaktion (allg.)

Nein, er ist nicht übergeschnappt. Aber er hat eine Vision – und braucht deswegen schon gar nicht zum Arzt zu gehen. Denn der Schweizer Mobilitätsvisionär Rinspeed wartete zur CES in Las Vegas mit einer weiterentwickelten Variante seines Plattformkonzepts auf. Das Fahrzeug, bei dem Fahrwerk („Skateboards“) und Aufbauten („Pods“) jederzeit austauschbar sind, stellt unter dem Motto „Think mighty micro!“ ein 2,62 Meter langes, 1,33 Meter schmales und 1,70 Meter hohes Plattformgefährt dar. Es wird von einem 48-Volt-Mahle-Drehstrom- Asynchronmotor mit 13 kW an der Hinterachse angetrieben und agiert zudem autonom.
Firmenchef Frank M. Rinderknecht hat dabei den „Snap“ zum „microSNAP“ geschrumpft, auf die Größe eines Renault Twizy. Und wie beim Twizy sorgt ein nur 6,1 kWh großer Lithium-Ionen-Akku für Energie und soll Reichweiten bis 95 Kilometer ermöglichen. Das Höchsttempo beträgt 75 km/h, das Gewicht des Gesamtfahrzeugs etwa 730 Kilogramm, zwei Personen sitzen dabei nebeneinander vor einem großflächigen Display-Cockpit.

Automatisierter Aufbauwechsel

Zum ersten Mal demonstriert man zudem eine voll automatisierte Roboterstation, die das Fahrgestell aus Stahl und Aufbauten aus Kompositmaterial selbstständig zusammenfügt und trennt. Fachleute bezeichnen diesen Schritt in der Automobilproduktion, bei dem das Chassis und die Karosserie zusammengefügt werden, als Hochzeit. Nur ist diese beim Rinspeed-Konzept nicht auf Dauerhaftigkeit angelegt.
Für den eidgenössischen Autovisionär ist die Zeit der großen Lieferwagen vorbei, die Kunden wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht über den Tag verteilt bedienen. Weil der Onlinehandel boomt und auch den Fresh-Food-Bereich inzwischen einbezieht, glaubt der Schweizer an kleine autonome Fahrzeuge, die ausschwärmen und ohne Umwege ihr Gut ‚just in time‘ zum Kunden bringen. Schneller und einfacher geht es nicht – sogar gekühlt oder gewärmt. Zu seiner Vision gehören aber auch zweisitzige „Robo-Units“, die ihre Passagiere komfortabel und effizient auf dem kürzesten Weg ans Ziel bringen. Rinderknecht ist sich sicher: „Kunden wollen mehr und mehr zeitnah beliefert werden und viele Passagiere wollen keine Sammeltaxis, die systembedingt zeitintensive Umwege fahren müssen.“
Inzwischen ist ein Start-up geplant und Gespräche mit Investoren sind am Laufen, um den „Snap“ auf die Straße zu bringen. Die Grundidee bleibt: Während die Aufbauten so lange halten wie ein Auto heute, enthält das Fahrwerk alle verschleiß- und alterungsanfälligen Komponenten wie die IT-Technik für das automatisierte Fahren. „Skateboards“ und „Pods“ sind also nur Kurzzeitpartner. So nutzen vielfältige Aufbauten die gerade verfügbaren „Skateboards“. Nach wenigen Jahren werden diese recycelt, weil die Grenze ihrer Betriebsdauer erreicht ist. Sie entgehen damit elegant einem teuren und komplizierten Hardware- Update, so der Gedanke. Und das ist dann wirklich nicht übergeschnappt, sondern überlegt.