Lkw-Markt: Corona-Krise bremst Verkaufszahlen aus

Um voraussichtlich 14 Prozent werden die weltweiten Lkw-Verkäufe im Corona-Jahr 2020 einbrechen. In einzelnen Regionen, wie Europa und den USA, könnte der Absatz sogar um 30 Prozent nach unten rauschen.

Bis das Geschäft wieder richtig ins Rollen kommt, sollten Lkw-Hersteller ihre Technologie-Entwicklung vorantreiben. (Foto: Pixabay)
Bis das Geschäft wieder richtig ins Rollen kommt, sollten Lkw-Hersteller ihre Technologie-Entwicklung vorantreiben. (Foto: Pixabay)
Christine Harttmann

Zu dieser Einschätzung kommt die Unternehmensberatung Bain & Company nach einer Befragung unter mehr als 500 großen Lkw-Flottendienstleister und zahlreichen Industrieexperten in Deutschland, Italien, China und den USA. Hersteller sollten jetzt Effizienzprogramme starten und die Digitalisierung vorantreiben, um sich auf die veränderte Marktsituation einzustellen, lautet der Rat des Bain-Partners Karl Strempel an die Branche:

„Nach dem Krisenmanagement benötigen die Lkw-Hersteller angesichts der niedrigeren Verkaufszahlen, die für die nächsten Jahre erwartet werden, einen umfassenden Aktionsplan. Gleichzeitig gilt es, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken – durch Investitionen in die Digitalisierung der Unternehmensprozesse und digitale Services rund um ihre Fahrzeuge.“

Für die Branche schwierig ist wohl auch die Tatsache, dass der globale Lkw-Markt schon vor der Corona-Krise schwächelte. Nach dem Rekordhoch von insgesamt 3,2 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr 2018 bremsten dann im vergangenen Jahr gesättigte Märkte und zyklische Schwankungen in Nordamerika und Europa die Nachfrage. Umso drastischer wirkte sich im Frühjahr der vielerorts verhängte Lockdown aus. Der Lkw-Absatz kollabierte förmlich. Gemessen an den ursprünglichen Prognosen für 2020 ging er in China im Februar um 57 Prozent zurück, in Europa erreichte er seinen Tiefpunkt im April mit einem Minus von 68 Prozent.

Die Talsohle in China scheint allerding der Untersuchung zufolge inzwischen durchschritten. Staatliche Wirtschaftsförderungsprogramme vor allem das Baugeschäft würden den Absatz dort inzwischen wieder deutlich beleben, heißt es. Nach Verlusten im Frühjahrerwarten die Analysten für den dortigen Lkw-Markt inzwischen ein Wachstum von drei Prozent gegenüber dem Jahr 2019. Verglichen mit der ursprünglichen Prognose des Jahres 2020 wären das sogar ein Sprung um 19 Prozent nach oben. Allerdings werde sich das Wachstum in China in den kommenden Jahren deutlich verlangsamen.

Für andere wichtige Weltregionen hingegen erwartet die Unternehmensberatung eine langsamere Erholung. Europa leide unter den Folgen der Pandemie mit einem Minus von 30 Prozent ähnlich stark wie der US-Markt, dessen Lkw-Absatz um 32 Prozent rückläufig ist. Und während in den USA die Zahl der verkauften Trucks erst um 2024 das Vorkrisenniveau übersteigen dürfte, erwarten die Analysten, dass der Bedarf in Europa ist bis 2022 wieder spürbar wachsen wird.

„Marktsättigung und die Folgen der Corona-Krise dürften im weltweiten Lkw-Markt über Jahre für geringere Absatzzahlen sorgen“, stellt Bain-Partner Marco Gerrits fest. Der Kampf um die Kunden werde die Profitabilität der Hersteller belasten. „Auch das Geschäft mit gebrauchten Lkw bleibt vorerst schwierig, gleiches gilt für Sale-and-Lease-Back-Verträge. Das alles wird auf absehbare Zeit die Unternehmensgewinne schmälern“, so Gerrits.

Preisnachlässe der Hersteller werden den Absatz kurzfristig kaum ankurbeln. Weniger als 15 Prozent der weltweit befragten Flottenmanager geben an, dass sie den Kauf neuer Fahrzeuge aufgrund von zu erwartenden Preissenkungen verschoben haben oder einen solchen Anreiz für ihre Kaufentscheidung benötigen. Für die meisten Befragten ist vielmehr die anziehende Nachfrage in ihrer jeweiligen Branche ausschlaggebend. Insbesondere größere Flottenbetreiber werden schneller als Käufer zurückkehren als kleine und selbstständige.

Nach den Krisenmaßnahmen der vergangenen Monate empfiehlt die Bain-Analyse den Lkw-Herstellern die folgenden Handlungsfelder:

Kosten reduzieren: Um sich auf die geringeren Marktvolumina vorzubereiten, gilt es vor allem die strukturbedingten Kosten zu senken. Lkw-Hersteller müssen unter anderem die Produktkomplexität reduzieren, ihr Produktionsnetzwerk straffen und flexibilisieren, die Fertigungstiefe verringern sowie Zentral- und Unterstützungsfunktionen verschlanken.

Vertrieb optimieren: Lkw-Hersteller müssen ihre profitabelsten Geschäftsfelder und Märkte kennen. Für das Neu- und Gebrauchtfahrzeuggeschäft sowie den Service sind eigenständige Strategien nötig. Die Vertriebssteuerung kann über eine optimierte Lkw-Ausstattung sowie angepasste Rabatt- und Bonusstrukturen einen großen Beitrag für höhere Umsätze leisten. Zudem gilt es, die Leistungsfähigkeit und Effizienz des Vertriebs auf Wholesale- und Händlerebene auf den Prüfstand zu stellen. Auch das Servicegeschäft muss forciert werden.

Technologie vorantreiben: Die Digitalisierung gewinnt auch im Lkw-Geschäft weiter an Bedeutung. Sie ist die Voraussetzung für einen intelligenten Omnikanal-Vertrieb. Gleichzeitig müssen viele Hersteller in neue Technologien investieren, um im Wettbewerb zu bestehen. Dazu zählen unter anderem alternative Antriebe, autonom fahrende Flotten oder digitale Fahrzeugservices. 

Aus Sicht von Branchenkenner Strempel müssen gerade Investitionen in die Zukunftsfähigkeit geschützt werden – trotz der derzeit sinkenden Verkaufszahlen:

„Kostendisziplin und ein fokussierter Einsatz der vorhandenen Mittel sind das Gebot der Stunde. Wer hier die richtige Balance sowie die nötige Entscheidungs- und Umsetzungsstärke hat, wird zu den Gewinnern gehören.“