Mercedes-Benz Lkw: Digitale Services maximieren Fahrzeugverfügbarkeit

Die Digitalisierung macht aus dem Lkw-Hersteller Daimler einen Servicedienstleister. Digitale Trucks sollen Mehrwertdienste für die Logistik ermöglichen. Truck-as-a-Service schafft die Voraussetzung für optimale Transportfähigkeit

Digitale Dienste sollen knftig Fahrern, Disponenten und Transporteuren die Arbeit erleichtern. | Bild: Daimler
Digitale Dienste sollen knftig Fahrern, Disponenten und Transporteuren die Arbeit erleichtern. | Bild: Daimler
Tobias Schweikl

Der Lkw-Hersteller Mercedes-Benz Trucks präsentiert seine Vision einer digitalisierten Logistik. Sämtliche Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette verknüpfen sich demnach künftig über Unternehmensgrenzen hinweg digital. Logistikdienstleister nähmen dann eine neue Rolle ein: Sie würden Prozessmanager und Datenlieferanten.

Für diese Aufgaben bräuchten sie laut Mercedes-Benz Lkw Fahrzeuge mit neuen Grundeigenschaften: Anstelle fester Ressourcen nutzten sie lieber digitale Services, die eine Dienstleistung ermöglichen. Damit wandelt sich auch die Aufgabe eines Fahrzeugherstellers zu der eines Servicedienstleisters, so Daimler.

Der neue Auftrag lautet, Lkw-Nutzern Mehrwerte zu bieten, die dabei helfen, Logistik-dienstleistungen zu erbringen. Das Fahrzeug an sich sei dabei tiefer denn je mit dem logistischen Prozess verknüpft. Mercedes-Benz Lkw übernehme diese Funktion als Anbieter von digitalen Services, die Logistikprozesse, Fahrzeugflotten und einzelne Fahrzeuge optimieren – um schließlich auch den Lkw an sich als Dienst anbieten zu können: Truck-as-a-Service.

Technische Voraussetzungen für den digitalen Truck

Um als digitaler Truck auf die Straße gehen zu können, benötigt ein Mercedes-Benz Lkw technische Komponenten als Basis für die digitalen Services. Dazu gehört das Truck Data Center 7 beziehungsweise für Fremdfabrikate mit EU-standardisierter Flotten-Management-Schnittstelle (FMS) das Truck Data Center 7 (FB Card) als das Steuergerät für die vollumfängliche Fahrzeugkommunikation. Es empfängt Fahrzeug-, Sensor- sowie Trailerdaten und ermöglicht über eine stetige Online-Verbindung den Datentransfer zum cloudbasierten Backend.

Durch das Mercedes-Benz User Interface HMI des Multimedia Cockpit hat der Fahrer Zugriff auf diese Informationen sowie auf eine Vielzahl von Apps, die ihn bei seiner Arbeit unterstützen. Diese sind über das Mercedes-Benz Truck App Portal auf Abruf verfügbar und können over the air im Lkw installiert werden.

Digitale mit HABBL

Mit „HABBL Transport“ wird der Lkw zum Logistikwerkzeug. Das Mobile Workflow Management, das die Daimler Truck AG im ersten Quartal 2019 von der EIKONA AG übernommen hat, steuert Transportprozesse und leitet Fahrer Schritt für Schritt durch ihre Aufgaben. Es verknüpft ab Ende 2020 durch Fleetboard bereitgestellte Fahrzeuginformationen wie Lenk- und Ruhezeiten oder die GPS-Position mit dem aktuellen Status einer Tour.

HABBL Transport steuert Lkw-Touren. Die zugehörige App leitet Lkw-Fahrer Schritt für Schritt durch ihren aktuellen Workflow bis ans Ziel und damit auch zum Abschluss ihres jeweiligen Auftrags. Von der Abfahrtskontrolle mit sämtlichen gesetzlich vorgeschriebenen Prüfpunkten über die exakte Adressübernahme in die Navigation bis zum Ablieferbeleg (POD). Anwender können für jeden Kunden, jede Tour oder sogar jedes spezifische Gut individuelle Workflows erstellen, die Fahrer exakt anleiten. Damit digitalisiert HABBL die Transportprozesse.

Mit jedem abgeschlossenen Arbeitsschritt erhalten alle am Prozess Beteiligten eine aktuelle Statusinformation. So erfahren Disponenten und wahlweise auch Versender oder Empfänger automatisch den Fortschritt einer Tour. Dazu gehören die GPS-Position und voraussichtliche Ankunftszeit (ETA) des Fahrzeugs bei einem bestimmten Empfänger.

HABBL berücksichtigt dafür ab Ende 2020 auch die Lenk- und Ruhezeiten und ermittelt so eine präzisere Prognose. Die App kann über das Mercedes-Benz Truck App Portal direkt auf dem Multimedia Cockpit im neuen Actros installiert werden. Wenn dieselbe Tour auch auf ein mobiles Endgerät übertragen wurde, kann der Fahrer die weiteren Prozessschritte – wie Scannen, Fotografieren, digitale Unterschriften annehmen – auch außerhalb der Kabine nahtlos erledigen. Dann werden weiter sämtliche Fortschritte dokumentiert.

HABBL Transport ersetzt den Fleetboard Transportmanagement Dienst, dessen Hersteller-Support zum 31.12.2021 endet.

Mit „HABBL Task“ steuert die App auch Aufgaben, die unabhängig von einer Tour komplett außerhalb des digitalen Trucks anfallen. Das Mobile Workflow Management leitet auch dort Mitarbeiter digital durch ihre Aufgaben in der Spedition, zum Beispiel für regelmäßige Hallenchecks, die Wartung der Gabelstapler oder weitere Schritte des Facility Managements. Es kann unter anderem sämtliche Papierchecklisten ersetzen.

Flottenoptimierung per Fleetboard

Der Telematik-Dienst Fleetboard geht auf eine neue technologische Plattform und mit modernisierter Benutzeroberfläche in die nächste Generation. Nach der Migration der Plattform in die Microsoft Azure Cloud werden aktuell sämtliche Dienste dorthin umgezogen und stehen ab September 2020 dort schrittweise bereit. Sie erhalten künftig zudem in kürzeren Zyklen Aktualisierungen und neue Features.

Mit der neuen Kundenoberfläche präsentiert Fleetboard Anwendern besonders wichtige Informationen im Notification Center nun proaktiv: Sie erhalten in Zukunft Handlungsempfehlungen aus MB Uptime und Report-Events, unter anderem wenn ein vorhersagbarer Liegenbleiber erkannt wurde.

Neben der aktualisierten technologischen Basis soll vor allem das neue User Interface Anwendern den Arbeitsalltag erleichtern. Es bringt Informationen schneller und intuitiver in den Blick und integriert den intelligenten Telematikdienst MB Uptime. So können Flottenmanager künftig mit einer Anmeldung (Single Sign-on) unter anderem den Fahrzeugeinsatz sowie notwendige Reparatur- und Wartungsarbeiten in einer optisch einheitlichen Umgebung steuern. Fleetboard-Nutzer werden ab sofort schrittweise bis Mitte des kommenden Jahres in die neue Welt überführt.

Auch für die Fahrzeugsteuerung bietet die neue Fleetboard-Kundenoberfläche umfangreichere Möglichkeiten: Die Live-Ortung aktualisiert die GPS-Position der Lkw nun regelmäßig alle 30 Sekunden. Zudem lassen sich Routen planen und die dafür anfallenden Mautgebühren berechnen. Darüber hinaus stellt die Anwendung erstmals auch Informationen zum Einsatz der Sicherheitsassistenzsysteme in den Fahrzeugen zentral bereit: Es zeigt an, wenn der Active Brake Assist fünf (ABA 5) oder der Spurhalteassistent (LDWS) vom Fahrer abgeschaltet werden. Darüber hinaus ermittelt es, wie oft die beiden Sicherheitssysteme deaktiviert wurden. Mit diesen Informationen können Fuhrparkmanager ihre Fahrer für die Wichtigkeit der Systeme sensibilisieren.

Passend zum neuen Actros F, dem funktionalen Fernverkehrsfahrzeug, stehen mit der Fleetboard Manager App für Android und iOS auch Basis-Telematikfunktionen zur Verfügung. Das kostenlose Tool zeigt CO2-Emissionen, GPS-Positionen, Laufstrecken und Spritverbräuche der Fahrzeuge an. Zusätzlich informiert es über die Bewertungen der Fahrweise und weist auf Einsparpotenziale hin.

Mercedes-Benz Truck App Portal

Über das Mercedes-Benz Truck App Portal können Flottenmanager oder Disponenten neue Apps in den Lkw installieren, die Fahrern den Arbeitsalltag erleichtern. Neu im Portal sind beispielsweise Cargofleet Trailer von idem telematics für den Datenaustausch mit Trailern (beispielsweise für die Überwachung von Kühlmaschinendaten), die Kommunikationslösung YellowFleetApp, der mobile ServiceManager (mSM) für digitales Auftragsmanagement, die papierlose Auftragsabwicklung (digitale Frachtbriefe) für unterwegs CollectGo, das Status-Tool App2Track und die mobile Scannerlösung Scangaroo. Download-Spitzenreiter ist laut Daimler bislang die Fleetboard Driver App. Perspektivisch soll das Angebot um externe Apps internationaler Anbieter aus dem europäischen Ausland anwachsen.