Nicht automatisch gut

Mit Neun-Stufen-Wandlerautomatik und technischem Update fährt der Fiat Ducato ins neue Modelljahr. Allerdings bleibt der Motor auch in Euro6d-Temp ein Raubein, harmoniert mäßig mit dem neuen Getriebe und fühlt sich auf Langstrecken wohler.

 Bild: J. Reichel
Bild: J. Reichel
Redaktion (allg.)

Viel hilft viel – das scheint auch das Motto bei den Vanherstellern im Hinblick auf Getriebekonfiguration zu sein. Angefangen bei Daimlers 7G-Tronic, der für die Frontantriebs-Sprinter eine ebenfalls hauseigene Neun-Gang-Wandlerautomatik folgte, über Ivecos Acht-Gang-HiMatic von ZF bis hin zu Volkswagens Acht-Gang-Wandlerboxen von Aisin und ZF im Crafter. Das wird neuerdings getoppt von Ford, die im Transit bald zehn Gänge in einer Wandlerbox auflegen, adaptiert aus dem Mustang. Und jetzt legt eben auch Fiat noch eins drauf – oder drei, im Vergleich zum Sechs-Gang-Wandler vorher.

Die Theorie der Anbieter: Je feiner die Abstufung des Getriebes, desto häufiger lässt sich der Motor im „grünen“ Bereich bewegen – und man hat oben raus Luft für eine lange Autobahnübersetzung. Außerdem wird immer wieder angeführt, die Automaten seien robuster als jedes „handgerissene“ Sechsganggetriebe, damit wartungsärmer und speziell für unkundige sowie wechselnde Fahrer ideal.

Mal abgesehen von der Frage, ob im preissensitiven Segment der klassischen KEP-Kastenwagen sehr viele Unternehmer geneigt sind, wie im Falle des Ducato 2.800 Euro extra für ein Automatikgetriebe auszugeben, stellen sich aber weitere praktische Sinnfragen: Denn dort, wo die Automatik von Profifahrern am meisten gebraucht würde, weil das Gekuppel und Geschalte in der Tat nervt, im Stadtverkehr, da schleppen die Usus gewordenen Wandler den Nachteil des Schlupfs beim Anfahren mit sich.

Da heißt es jetzt, die Getriebetechnik habe sich so rasant weiterentwickelt, dass es quasi keinen Unterschied im Verbrauch mehr geben würde zwischen Handschalter und Automatik. Aus der Testpraxis lässt sich das so nicht bestätigen: Ob nun Mercedes Sprinter, Iveco Daily oder Ford Transit – sämtliche Automatik-Vans legten speziell im Stadtverkehr üppige Verbräuche von um die 10 l/100 km vor, wie auch der Test-Ducato, der mit 10,3 l/100 km nach den 17 City-Kilometern mit 40 Stoppvorgängen anschlug. Werte, die sich über Land und auf der Autobahn in der Tat nivellierten, wo sich der im Übrigen winterbereifte 13-Kubik-Kastenwagen auf insgesamt noch gute 8,6 l/100 km herunterarbeitet.

Aber genau auf der Fernstrecke braucht es eigentlich keine Automatik, besonders in Zeiten drehmomentgewaltiger Dieselmaschinen. Die erübrigen den Griff zum Schaltknauf häufig, sobald das Ortsschild hinter einem liegt. 350 Nm bietet die 2,3-Liter-Industriemaschine im Ducato auf, die schon bei 1.400/min anliegen. Wenn der Fiat erst mal in Fahrt ist, dann zieht er mächtig durch.

Wandler: Träger Antritt

Allerdings dauert das, siehe oben: Die offenbar nicht sonderlich gründlich adaptierte Neungangbox weist ordentlich Schlupf auf, der 3,5-Tonner setzt sich träge in Bewegung und weist einen ausgeprägten Gummiband-Effekt auf. Irgendwie wirkt das Beschleunigen wie in Watte gepackt, ganz anders als beim antrittsstarken Handschalter. Trotz neun Gängen wirkt die Box gelegentlich seltsam unentschlossen und verharrt in der aktuellen Fahrstufe, was schlecht für das Geräuschniveau und die Fahrharmonie ist. Subjektiv tilgt die Automatik das eigentlich üppige Temperament des Dieselmotors, ein Effekt, der noch verstärkt wird durch das elend lang aufgehängte, gefühlsfreie Gaspedal.

Diesel: Keiner für die City

Womit man aber auch schon wieder bei einem anderen, eng verwandten Punkt wäre, der einem erst so richtig auffällt, da man die ersten vollelektrischen Transporter getestet hat: So eine schwerfällige Dieselmaschine taugt für den Stadtbetrieb nur mäßig. Speziell bei diesem robusten, aber rauen Stück Maschinenbau aus dem Hause Fiat Powertrain respektive Iveco setzt sich der Ducato nach dem Kaltstart laut nagelnd, schnaufend und pfeifend, kurz eher unwillig in Bewegung. Was er drauf hat, merkt man dann auf Überland- oder Autobahnetappen, wo auch die Laufgeräusche des Common-Rail-Aggregats weitgehend in den Hintergrund treten und auch die Automatik viel sortierter wirkt, wenn denn überhaupt mal ein Schaltvorgang angezeigt ist. Souverän hält der breit gebaute, selbst bei strammem Seitenwind spurstabile Van auch an Steigungen Tempo 120 km/h, absolviert Überholvorgänge mit der nötigen Entschlossenheit und spult brav seine Kilometer runter, mit einem akzeptablen Schnitt von 9,0 l/100 km. Das passt dann.

Trotzdem, die KEP-Transporter sind eben großteils in der Stadt zu Hause. Und hier gilt: Elektrifiziert die Transporter! Das wäre nicht nur für die Fahrer eine Wohltat, die sich voll auf den immer dichter werdenden Verkehr konzentrieren könnten. Sondern auch für die Anwohner, die das ständige An und Aus von Dieselmaschinen nicht mehr ertragen müssten. Immerhin: Das Start-Stopp-System im Ducato funktioniert sehr schnell, aber das ist nur ein kleiner Trost. Nachdem wir kürzlich den neuen Ducato Electric, der schon in diesem Jahr in einer ersten Kleinserie anrollen soll, und kurz danach den Diesel-Ducato fahren konnten, ist das Urteil für den Stadtverkehr völlig klar. Man fragt sich, warum City-Lieferwagen nicht längst rein elektrisch unterwegs sind.

Zumal man im taffen Ducato ohnehin zu tun hat: Die auf straff getrimmte Federung sorgt – auch beladen – für satte und sichere Straßenlage, aber andererseits für permanente, leichte Unruhe auf dem Fahrersitz, obwohl dieser über eine Luftfederung verfügt. Die Lenkung ist zwar leichtgängig, der Wendekreis aufgrund des langen Radstands mit gut 14 Metern aber üppig und man ist ordentlich am Rudern mit dem breit gebauten Ducato, wenn es durch wuseligen Stadtverkehr geht. Im Vergleich zu einem VW Crafter oder Ford Transit, die sich fast Pkw-artig locker lenken lassen, wirkt der Fiat relativ schwerfällig im Handling.

Zeitgemäße Fahrerassistenz

Gut, dass perfekt gestaltete Spiegel, eine weitwinklige Rückfahrkamera und eine gut überschaubare Fahrzeugfront mit riesigem Fenster, von leistungsstarken Wischdüsen sauber gehalten, den Durchblick zu wahren helfen. Falls Letzterer einem kurz mal fehlen sollte, wacht ein Arsenal von Fahrerassistenten im 2020er-Ducato: Abstandstempomat, Totwinkelwarner, aktiver Notbremsassistent, Verkehrszeichenerkennung, Querverkehrswarner – bis auf einen aktiven Spurassistenten ist alles Nötige an Bord. Allerdings nervt das laute Nagelbandgebrumme kombiniert mit Pfeifton des Spurverlassenswarners.

Überhaupt mangelt es dem geräumigen Ducato in manchem Detail an Gründlichkeit: Sei es das altbackene, monochrome Zentraldisplay, auf dem man sich mühselig zu den Einzelwerten des Bordcomputers durchdrücken muss, oder der Tempomathebel, den man ständig mit dem Blinker verwechselt. Oder die Getränkehalter in den Türen, in denen man Flaschen fast unerreichbar tief versenkt. Immerhin sind die Ablagen für Kleinutensilien verbessert und die Mittelablage gibt sich geräumig und dennoch so schlank, dass der Durchstieg zur Beifahrerseite weiterhin leichtfällt. Die Lenkradverstellung ist knapp ausgefallen, der Fußraum nach wie vor eng, trotz Wegfall des Kupplungspedals. Das Multimediasystem mag im Vergleich fast niedlich und altbacken wirken, macht aber seinen Job und koppelt unkompliziert mit dem Handy. Und das TomTom-System navigiert einen mit Echtzeitdaten zuverlässig ans Ziel.

Kein Zweifel besteht daran, dass der Ducato nicht nur ein raumeffizienter, geräumiger, dank scheunentorartigen Hecktüren gut zugänglicher Transporter ist. Oder daran, dass er trotz SCR-Technik weiter recht nutzlaststark bleibt. Für einen Klassiker ist das die Pflicht, an der Kür wäre zu arbeiten – vielleicht aber auch erst im Nachfolger, der im neuen Bund mit PSA entstehen könnte. jr

Fazit

Johannes Reichel, Tester und Jurymitglied „International Van of the Year“-Award:

Wie auch immer die Kooperation mit PSA weitergeht – allmählich könnte der taffe Ducato eine modernere Plattform gebrauchen, in Sachen Komfort, Handling, Motor. Im Zweifel wird das die federführend von Opel entwickelte Neukonstruktion sein. Bis es so weit ist, überbrückt der Ducato Electric. Der soll sich für den Nutzer rechnen und käme gerade recht. Denn, auch das zeigt der Test mit dem „guten alten Diesel“: Die ist reif für Elektro.