Effizienz-Probleme

Mit dem eVito will Mercedes-Benz Vans elektrisch durchstarten. Und geht mit 41-kWh-Akku auf Nummer sicher. Doch beim Test erwies sich der Kompakte als reichweitenschwach und ladelahm.

 Bild: J. Reichel
Bild: J. Reichel
Johannes Reichel

Einen schlechten Futterverwerter nennt man jemanden, der aus vielen Kalorien wenig Kraft zieht. Insofern zählt der neue Mercedes-Benz eVito wohl zu dieser Kategorie: Die für einen E-Van dieser Tonnage große Akkukapazität von 41 kWh brutto, von denen allerdings laut Werk nur 35 kWh nutzbar sind, verwertet der Stromer auch im E+-Sparmodus derart ineffizient, dass wir zu einer Zwischenladung auf der 145-km-Testrunde gezwungen waren.

Ab 14 Prozent Akku (18 km Reichweite) geht’s in den Sparbetrieb, ab acht Kilometer ist die Reichweitenanzeige komplett weg, das ist aber nur ein Detail. Zum Vergleich: Auch ein e-Crafter kam nicht ohne Stopp über die Runde, ebenso wenig der Renault Master Z.E. Aber zum einen sind das ausgewachsene 3,5-Tonner mit Hochdach. Und zum anderen verfügen sie lediglich über 32 (brutto 35,8) respektive 33 kWh große Energiespeicher.

Apropos Akkugröße: Die 41 kWh werden laut Werk in den unteren zehn Prozent der Kapazität zum Tiefenentladungsschutz einerseits und in den oberen zehn Prozent zur Lebensverlängerung genutzt. Allerdings kabelte unsere 22-kW-Säule am Verlag laut Zähler zwischen 36 und knapp 39 kWh an Strom in die Speicher.

Wie auch immer: Gut 35 kWh zog der eVito für 121 Kilometer bis zum unfreiwilligen Pitstop am „Future“-Rasthof in Fürholzen, wo wir mangels DC-Lader an Bord des eVito mit der „milden“ AC-Ladung mit 7,4 kW vorliebnehmen mussten. Bis „100 Prozent“ würde es gut fünf Stunden dauern. „Raststätte der Zukunft“ in allen Ehren, aber so gemütlich ist es dann auch wieder nicht. Außerdem – selbsternanntes „Digital-Land Bayern“ – sitzt man in einem ganz tiefen Funkloch vor den Toren des Millionendorfs und ein offenes WLAN hat es auch nicht …

Im Resultat entspricht der Verbrauch beim eVito 32 kWh/100 km, definitiv zu viel für einen mit 600 Kilo Ballast auf 2,9 Tonnen beladenen Kompaktvan, selbst mit Winterreifen. Zumal wir die Klimaanlage sowie Heizung ausgeschaltet haben und im E+-Modus unterwegs waren. Auch die Außentemperatur taugt nicht als Ausrede: acht Grad, trockenes Novemberwetter. Der e-Crafter kam im Hochwinter mit 26,4 kWh/100 km, das Pendant von MAN im Sommer mit 21,9 kWh/100 km, der Master Z.E. mit 23,9 kWh/100 km und der Kangoo Maxi Z.E. mit asketischen 17,9 kwh/100 km über die gleiche Testrunde.

Vor allem in der Stadt, eigentlich ureigenstes Stromer-Terrain, gönnt sich der 3,2-Tonner aus Stuttgart einen üppigen Energiezuschlag von 37 kW/h. Er rekuperiert sich dann mit 26 kWh/100 km tapfer über die Landstraßenpassage durch die Hügel der Hallertau. Um dann auf der Autobahn die Reichweite der ohnehin sprunghaften Anzeige rapide auf Talfahrt zu schicken, sobald die Tachonadel die 100-km/h-Marke überschreitet – selten genug der Fall auf dem baustellengespickten Abschnitt der A 9 von Langenbruck aus Richtung München. Fast fühlt man sich an die Testfahrt in der ersten Generation Nissan eNV200 erinnert – das ist jetzt mehr als vier Jahre her. Und der etwas kleinere Nissan schaffte im Sommer knapp 150 Kilometer, sprich selbe Runde in einem Rutsch, mit einem um ein Drittel kleineren Akku (24 kWh).

Optimistischer Werkswert

Dabei waren wir hoffnungsvoll mit dem eVito von der Ladesäule im Verlag gestartet, lasen noch mal die Werksangaben zum Verbrauch nach (150 – 184 km), nahmen die Reichweitenanzeige im monochromen Zentraldisplay zur Kenntnis (154 km). Waren drei Kilometer später erstmals irritiert ob des jähen Kilometersturzes auf 132 km, dann aber doch beruhigt durch die schiere Masse der großräumig in den Wagenboden versenkten Lithium-Ionen-Speicher. Aus denen bedient sich ein eigentlich ausreichend kräftiger ZF-Elektromotor mit 84 kW (115 PS), zu denen sich wie beim Diesel stämmige 295 Nm Drehmoment gesellen, die hier aber aus dem Stand anliegen.

Dass der eVito trotzdem kein Reißer ist, geschenkt: Ein E-Transporter ist ein Tool, kein Imponierwagen für rasante Ampelstarts. Trotzdem wünscht man sich einen etwas spontaneren Antritt, um es dann ruhig rollen lassen zu können oder auch mal eine Lücke zuzufahren. Erst recht im E+-Modus kommt der Transporter träge aus den Puschen. Im Normalmodus geht es aber recht flott zur Sache. Bei Beladung scharren dann schon mal die angetriebenen, lamellenbereiften Vorderräder selbst bei halbwegs trockener Piste. Mit der Traktion ist es also nicht allzu weit her, was wir vom frontgetriebenen Diesel-Pendant so nicht kennen. Offenbar sorgt der schwere Akku gepaart mit der Ballastierung für entsprechende Entlastung der Vorderachse.

Auch auffallend im Vergleich zum stromernden Wettbewerb ist der relativ raue Lauf der ZF-Synchronmaschine, die teils entfernt an eine rotierende Kurbelwelle erinnert. Beim Rekuperieren, das auch per Lenkradpaddel abgestuft werden kann und bei „D-“ das fabelhaftes Ein-Pedal-Fahren ermöglicht, schwingt sich der Antrieb dann durch die ganze Bandbreite sirrender Tonalitäten. Klar, im Vergleich zum Selbstzünder – beim Fronttriebler ein Renault-Aggregat von feineren Manieren als die 2,2-Liter-CDI von Daimler – ist der eVito ein sehr leises Fahrzeug. Aber umso mehr fällt auf, dass es (mit Conti-Winterreifen) relativ rau abrollt und bei Schlaglöchern zum Trampeln neigt. Die Windgeräusche dagegen sind bestens unterdrückt, nicht zuletzt dank der Isolierverglasung.

Ausstattung: Alles Nötige

Dass beim eVito ob der teuren Elektrotechnik anderweitig der Rotstift regierte, merkt man an der eher rudimentären Ausstattung: Abweichend von der Firmenpolicy verzichtet der in der Basis 44.990 Euro netto teure eVito auf jegliche Fahrerassistenz wie Totwinkel- und Auffahrwarner, Seitenwindassistent, Tempomat, geschweige denn Abstandstempomat (kommt im Facelift, siehe S. 40). Es gibt das Basislenkrad ohne Multifunktion, das Basiscockpit mit Basisdisplay, durch das man sich bei all dem „Getouche“ auf Screens anachronistisch per mechanischem Knöpfchen im Tacho durchtastet. Es muss eine Ebene für den Bordcomputer genügen, auch ansonsten ist das Display nicht übermäßig informativ.

Einziges Goodie ist das im Vergleich zu einem MBUX eher schlicht ausgeführte Infotainmentsystem mit groberer grafischer Darstellung (Aufpreis) und die integrierte Rückfahrkamera. Im Display deutet der Hinweis „Ortung nicht möglich“ darauf hin, dass man per serienmäßigem GPS-Modem den eVito an die Telematik anbinden kann.

Seis drum, eine solche reduzierte Strategie fährt ja auch Renault und damit käme man schon klar, wenn denn das Elektro-Package passen würde. Und hier zählt unterm Strich eben vor allem eines: Reichweite, das heißt Effizienz. Letztere würde in Bezug auf die Transportkapazität sprich Nutzlast sogar passen: Dank Auflastung auf 3,2 Tonnen darf der leer mit 2,3 Tonnen für einen Vollelektro-Van nicht zu schwere noch 900 Kilo schultern, womit man etwas anfangen kann. Zudem bleibt dank der großflächig verlegten, flachbauenden Unterflurakkus der 6,0 bis 6,6 Kubik große Laderaum des in zwei Längen erhältlichen Transporters voll erhalten. Die Ladekante ist niedrig, die Zugänglichkeit zum mit LED-Licht, Holzboden und Zurrschienen praxisnah und akkurat ausstaffierten Laderaum (Option) in Ordnung.

Akku so klein wie möglich

Einzig Gespannpläne sollte man nicht hegen: Eine Kupplung für den Trailer ist gar nicht erst erhältlich oder vorgesehen. Großer Pluspunkt natürlich auch beim eVito: die flache und recht schlanke Silhouette und der niedrige Einstieg, tolle Übersicht, guter Wendekreis – nicht umsonst ist der eVito bei Amazon & Co. sehr beliebt, weil man überall damit durchkommt und noch ordentlich parken kann.

Das Gesamtpaket würde also passen, wenn er denn weiter reichen würde. Hier sollte MB Vans nachbessern. Und zwar nicht in Form eines größeren Akkus, wie es ihn jetzt für die Tourer-Variante des eVito gibt: Der erhält gleich das Antriebspaket mit 100-kWh-Akku aus dem Limousinen-Stromer EQV und soll 400 Kilometer weit kommen. Aber das macht hier keinen Sinn, weil es Kosten und Gewicht treibt. Es bleibt dabei: So klein wie möglich und so groß wie nötig muss der Akku eines guten Elektro-Vans sein. Denn natürlich schlägt die maue Effizienz auch auf die Kostenbilanz im Betrieb durch. Und genau da sollen sich Stromer ja bezahlt machen. jr

Fazit

Johannes Reichel, Profi-Tester: 
Die E-Technik mag simpler sein als beim Verbrenner, aber ein effizientes Zusammenspiel aus E-Motor, Akku, Software und Elektronik ist offenbar gar nichtso trivial. Der eVito böte eigentlich das perfekte Package und Format für einen emissionsfreien Stadtlieferwagen, glänzt mit guter Nutzlast, Platz, Solidität und simpler Bedienung. Aber die Effizienz muss steigen, sonst geht die (Kosten-)Rechnung nicht auf.

Technische Daten Mercedes Benz eVito

Motor + Getriebe

Elektrischer Asynchron-Induktionsmotor; Leistung: 116 PS (85 kW) Peak; 95 PS (70 kw) Dauer

Max. Drehmoment: 295 Nm bei 0/min

Batterie: HV-Lithium-Ionen mit 35 kWh Kapazität (41 kWh brutto), 365 V Spannung; Bordlader:AC 7,4 kW (ca. 6 Std. Ladezeit von 0 – 100 %)

Antrieb: Vorderradantrieb, Einganggetriebe mit starrer Übersetzung 1:13; Wartungsintervall: 40.000 km oder 1 Jahr

Fahrwerk + Bremsen

Einzelradaufhängung, McPherson, Schraubenfe-dern, Querblattfeder vorn und mit Schräglenker+ Schraubenfed. hinten Scheibenbremsen vorne innenbel. + hinten; Reifen: Continental VancoWinter 225/55R17; adapt. ESP inkl. Hill Holder

Maße + Gewichte

L x B x H: 5.140x 1.928x1.941 mm; Radstand: 3.200 mm; L x B x H Laderaum: 2.420 (2.720 u. Trennwand) x 1.650 x 1.380 mm; Ladevol.: 6 m³; Breite zw. Radkästen: 1.270 mm; B x H Schiebetür: 980 x 1.270 mm; B x H Hecktür: 1.350 x 1.270 mm; Diagonale Seite: 1.600 mm; Diagonale Heck: 1.720 mm; Ladekante: 530/480 mm (Heck/Seite); Wendekreis: 12,9m; Leergew. (Testwagen): 2.315 kg; Test: 2.915kg; Gesamtgew.: 3.200 kg; Nutzlast: 885 kg; Achslast v/h: 1.550/1.750 kg; Anhängelast (gebr.): - kg

Messwerte/Verbräuche

Test gesamt: 32 kWh/100 km; 
City: 37 kWh/100 km; Landstraße: 26 kWh/100 km; 
Autobahn: 30 kWh/100 km; Gesamtstrecke 
(LS/City/BAB): 32,2 kWh/100 km (522 km); 
Elastizität: 80 – 120 km/h (oberster Gang): k. Messung;Geräusch (0/80/120 km/h): -/58/58 dBA

Service + Preise (in Euro o. MwSt.)

Grundpreis: MB Citan 111 CDI L2 Kasten: 19.580,- Mixto: 20.250,- (2 Schiebetüren, verglast, 5 Sitze)

Serie: ESP inkl. Hill Holder, elektr. FH+ZV, Lenkrad höhenverstellbar, Schiebetür rechts, Heckklappe, Kommunikationsmodul LTE;

Extras:Heckflügeltüren 180° 356,- Schiebetür links: 765,- Komfort-Fahrersitz: 162,- Paket Top-Load 287,- Paket Easy Load: 1.840,- (inkl. Holzboden, Aluschienen, LED, Seitenverkl.) 
Presafe: 352,- Klima: 1.731,- Navi-Radio 7“: 1.310,- Parctronic: 605,- Rückfahrkamera: 563,- Ladekabel Typ 2: 293,- Speedlimit 100/120 km/h: 147,-

Pro + Contra

+ leiser Antrieb, ordentliche Nutzlast+Volumen

- höherer Verbrauch+Preis, keine AHK

So testet LOGISTRA

Jeder Transporter im LOGISTRAProfi-Test hat die gleiche Strecke mit der nach Fahrzeugklasse gleichen Transportaufgabe (Ballast 400/600/800 kg) zu absolvieren. Auf der Autobahn ist ein Schnitt von 120 km/h Pflicht, auf der Landstraße gilt 100 km/h. Die Route enthält mehrere Teststeigungen. Die neue City-Runde geht über 15 km im Stadtverkehr und sieht 40 Stopp- und Anfahrvorgänge vor.