E-Truck braucht Ladepause: Von der Vision zur Praxis – Wie und wo laden wir E-Lkw auf?
Es ist nicht die Frage, „ob“ der Lieferverkehr auf deutschen Straßen durch die Elektromobilität weitestgehend emissionsfrei wird, sondern „wann“. Denn die Politik und die Industrie ziehen vor dem Hintergrund der Klimakrise am selben Strang. Und doch steht der elektrische Lieferverkehr in Deutschland noch ganz am Anfang – auch im Vergleich zur Entwicklung im Automobilsektor – und das liegt vor allem an der fehlenden Schnellladeinfrastruktur. Diese ist zentraler Baustein für den Güterverkehr auf der Straße – im regionalen und überregionalen Lieferverkehr.
Für den Langstreckenverkehr haben wir eine klare Vision: Neigt sich die Akkuladung eines Sattelschleppers dem Ende entgegen, steuert die Fahrerin oder der Fahrer ihn auf den nächsten beliebigen Rasthof, schließt ihn an die Ladestation an und ist nach der Lenkpause wieder abfahrbereit. Das Laden unterscheidet sich irgendwann kaum noch vom herkömmlichen Tanken.
Nur eine Frage der Organisation
Das spontane Laden über Megawatt-Schnellladestationen im Lkw-Sektor ist tatsächlich weniger ein technisches (die Entwicklung der MCS-Standards und die Ladetechnik wird durch aktuelle Projekte vorangetrieben), als ein organisatorisches Problem, das in den nächsten Jahren eine zentrale Herausforderung wird. Denn aktuell lässt die Ladeinfrastruktur noch keine reibungslosen Abläufe zu, obwohl durch erste gemeinsame Projekte, bei denen verschiedenste Akteure zusammenarbeiten, die Forschung und Entwicklung ins Rollen gebracht wird.
Allein durch steigende CO2-Preise und die Mautbefreiung für E-Lkw muss die Ladeinfrastruktur bereit sein, in einigen Jahren viele Tausende E-Lkw gleichzeitig laden zu können. Dazu muss eine ganz neue Infrastruktur her und neue Standards zum Laden der Fahrzeuge eingesetzt werden. In Europa und insbesondere in Deutschland rückt dieses Segment immer mehr in den Fokus.
Wir werden in den nächsten Jahren Hunderttausende Elektro-Lkw auf den Straßen sehen. Vor allem in Europa gehören Deutschland und die Niederlande aufgrund ihrer Bedeutung im europäischen Fernverkehr, ihrer Politik und den damit verbundenen Zielen zu den wichtigsten Ländern für die künftige Ladeinfrastruktur für Kurz- und Langstrecken-Lkw. Deshalb müssen wir auch dort anfangen.
Erste E-Lkw-Korridore werden schon als Basis für diese Entwicklung getestet. Allein in Deutschland werden bis 2030 über 14.000 Ladepunkte für E-Lkw angestrebt. Nach Schätzungen des ACEA (European Automobile Manufacturers’ Association) werden bis 2025 bis zu 40.000 batteriebetriebene leichte und schwere Lkw auf den Straßen in Europa erwartet. Diese Zahl wird laut ACEA voraussichtlich bis 2030 auf mindestens 270.000 E-Lkw und genauso viele Depot-Ladestationen mit niedriger Leistung steigen. Um diese Ziele zu erreichen, müssen alle Parteien Hand in Hand arbeiten.
Von der Vision zur Praxis – Wie und wo laden wir E-Lkw auf?
Mit der heutigen, kaum vorhandenen Infrastruktur ist es nicht wirklich machbar, über 200.000 E-Lkw zu laden, ohne dabei das Netz völlig zu überlasten – sei es im Depot oder im öffentlichen Raum. Was aber klar ist: Für alle, die an diesem Prozess beteiligt sind, sind Planung und Zugang das A und O.
Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2030 im EU-Durchschnitt 65 Prozent der Ladevorgänge im Depot stattfinden und deswegen der Ausbau kurzfristig priorisiert werden sollte. Dort haben die Fahrzeuge Tag und Nacht die meiste Zeit und die besten Möglichkeiten, auch mit einer geringeren Leistung von 150 kW oder weniger zu laden. 25 Prozent der Ladevorgänge werden am Zielort, zum Beispiel im Logistikzentrum, durchgeführt.
Logistikzentren und Speditionen müssen ihre Planung daran ausrichten. Dabei sollten erst Betriebshöfe umgebaut werden, auf denen mehr Platz für Ladeinfrastruktur ist, und später Lademöglichkeiten an den Logistikrampen selbst entwickelt werden. Nach und nach wird das Laden so einfach in die essenziellen Arbeitsschritte integriert und führt so zu keinem zusätzlichen Zeitverlust.
Eine zentrale Voraussetzung ist, dass Fahrzeuge mit Strom aus erneuerbaren Energien geladen werden, denn nur dann ist Elektromobilität wirklich klimafreundlich. Erneuerbare Energiequellen und intelligente Energiesysteme müssen daher erheblich ausgebaut werden. Eigenproduzierte Solarenergie auf dem Depotdach kann in Batterien zwischengespeichert werden und so helfen, Lastspitzen zu vermeiden. Fahrzeuge werden mithilfe der Vehicle-to-grid-Methode (V2G) ebenfalls als Energiespeicher benutzt und können so (betriebsinterne) Netzschwankungen vermeiden. Der große Vorteil dabei ist, dass sowohl Fotovoltaik-Module als auch Schnellladesysteme auf Gleichstrom (DC) basieren. Befindet sich beides am selben Ort, muss der Strom nicht transformiert werden, was erhebliche Umwandlungsverluste vermeidet.
Ladeszenarien im öffentlichen Raum
Aus logistischer und betriebswirtschaftlicher Sicht sind Ladestationen an vorhandenen Lkw-Haltepunkten, insbesondere entlang der Autobahnen, bei Logistikzentren, an Raststätten oder in geringer Entfernung zu diesen, ideal. Hier können Lkw-Fahrende die Fahrzeuge während der ohnehin vorgeschriebenen Ruhezeiten laden und so die Zeit effizient nutzen. An diesen Orten werden neue Flächen benötigt, die genügend Platz und Energie sowie genügend Raum für die Skalierung bieten.
Die überwiegende Mehrheit der Ladestationen im öffentlichen Raum muss eine Leistung von mehr als 500 kW haben, um eine geringe Ladedauer zu gewährleisten. Um zukunftsfähig zu sein, sollte neue Schnellladeinfrastruktur zudem später auf MCS (Megawatt Charging System) umrüstbar sein. Davon abgesehen müssen auch öffentliche Nachtladepunkte mit geringerer Leistung (100 kW) auf Lkw-Rastplätzen entlang der Autobahnen errichtet werden. Besonders an Standorten mit hohen Ladeleistungen sollten Batteriespeicher und intelligente Energiemanagement-Lösungen zur Netzstabilisierung eingesetzt werden.
Damit’s elektrisch läuft
Ein erhöhter Anteil erneuerbarer Energien, eine konsequente Planung, ein strategischer Ausbau der Ladestationen im Depot sowie im öffentlichen Raum sind die Kernpunkte für die zukünftige Lkw-Ladeinfrastruktur. Erste Projekte wie das Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr und Kundenerfahrungen bei Heliox zeigen bereits, dass der elektrische Lkw-Verkehr keine ferne Zukunftsvision mehr ist.
Christoph Liehr
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