Kamaz dominierte die Wüstenrallye
Ursprünglich war die Rallye Paris-Dakar eine afrikanische Wüstenrallye. Gestartet wurde in Paris. Per Schiff setzte die Rallye- karawane nach Afrika über, wo dann das eigentliche Abenteuer begann. Quer durch diverse afrikanische Staaten bis zur senegalesischen Hauptstadt Dakar führte die Rallyeroute in den Jahren 1978 bis 2007. Als aufgrund von Ter- rorwarnungen die Sicherheit der Organisatoren und Teilnehmer nicht mehr gewährleistet werden konnte, wurde der südamerikanische Kontinent Austragungsort (2009 bis 2019) der nun nur noch Dakar genannten Marathonrallye. Für dieses Jahr hatten sich die Organisatoren des Veranstalters A.S.O. eine neue Spielwiese einfallen lassen. Die Wüsten und Steppen des Nahen Ostens, konkret Saudi-Arabiens, waren vom 5.bis 17. Januar 2020 Austragungsort der 42. Auflage des Wüstenklassikers. Nach Afrika und Südamerika hatte die Dakar in Saudi-Arabien nun ein neues Kapitel aufgeschlagen. Als Motorsportbühne für eine Rallye war die Gegend durchaus geeignet, als menschenrechtspolitische Bühne dann doch weniger. Der Sport wurde offensichtlich mal wieder für eine Imagepolitur eines aus menschenrechtlicher Sicht zwielichtigen Staates missbraucht. Da lassen andere Sportgroßereignisse grüßen, die ebenfalls dem Ruf des Geldes gierig folgten und auch zukünftig folgen werden. Schluss mit der Politik.
Die Dakar war schon immer eine internationale Veranstaltung und trug so auch zur Völkerverständigung bei. Dieses Jahr waren als Teilnehmer, Veranstalter und Supporter knapp 70 Nationalitäten vertreten. Klar, dass die Franzosen mit 109 aktiven Motorsportlern das Gros stellten. Es folgten 75 Spanier und 50 Niederländer. Aus Deutschland waren dagegen gerade einmal acht Teilnehmer (Fahrer, Beifahrer) angereist. Doch wenn man die Teamleistung betrachtet, war made in Germany wieder eine Bank. Schließlich ist das in der Autowertung sehr erfolgreiche private MINI X-Raid- Team im hessischen Trebur beheimatet.
Zurück zu den Zahlen: 13 Frauen stellten sich als Teilnehmerinnen der Herausforderung Dakar 2020. Und das in einem Land, wo Frauen erst seit 2018 Auto fahren dürfen. Doch zurück zum Sport. Laut Veranstalter gingen nach der technischen Abnahme 114 Motorräder, 23 Quads, 83 Autos, 45 SSVs und 46 Trucks in den Wettbewerb. Die Gesamtdistanz betrug knapp 7.500 Kilometer, wobei rund 4.700 Kilometer in Wertung zurückgelegt wurden. Das Terrain in Saudi-Arabien kam der klassischen Rallye Paris-Dakar sehr nah. Rund zwei Drittel der Wertungsprüfungen führten über sandige Pisten und durch unberührte Wüstenlandschaften. Neben der Ausdauer spielte die Navigation wieder eine größere Rolle.
Prominentester Neuzugang bei den Autos war Ex-Formel 1-Weltmeister Fernando Alonso, der für das südafrikanische Gazoo- Racing-Team auf einem Toyota Hilux an den Start ging. Der Spanier zahlte Lehrgeld, zeigte aber auch enormes Potenzial bei den Einzelwertungen. Letztlich kam er bei seinem Debüt auf einem tollen 13. Platz ins Ziel. Die Auto- wertung gewann sein 57-jähriger Landsmann und mehrfacher Dakar-Sieger Carlos Sainz auf einem X-Raid Mini-Buggy. Zweiter wurde Vorjahressieger Nasser Al-Attiyah auf einem Toyota Hilux, gefolgt von Stephane Peterhansel auf einem weiteren X-Raid Buggy.
Echte News gab es bei den Motorrädern, wo erstmals mit Ricky Brabec ein Amerikaner sich in die Siegerliste der Dakar eintragen konnte. Zudem brachte er auch Honda nach einer mehr als 30-jäh-rigen Durststrecke wieder auf die Siegerstraße zurück. Wer bei der 2020er-Auflage der Dakar auf einen neuen Sieger bei den Trucks hoffte, wurde nur beim Namen der Crew erhört. Gegen die Kamaz-Macht war und ist einfach kein Kraut gewachsen. Wenn einer der blauen Brigade einmal patzen sollte, sind gleich zwei bis drei andere Kamaz-Boliden zur Stelle.
Dieses Jahr war es Andrey Karginov mit der Startnummer 511, der ab der vierten Wertungsprüfung die Führung übernahm und diese bis ins Ziel souverän ausbaute. Der Sieger der 2014er-Dakar hatte auf seinen Teamkollegen Anton Shibalov, der vor dem Weißrussen Siarhei Viazovich (MAZ Sportauto) den zweiten Platz einfuhr, fast eine Dreiviertelstunde Vorsprung. Für Kamaz war es bereits der 17. Dakar-Gesamtsieg in der LKW-Wertung.
Der beste Nichtrusse war der Tscheche Martin Macik, der erstmals auf einem Iveco Hauber für das Big Shock-Racing- Team unterwegs war. Er landete auf dem fünften Platz vor dem Niederländer Janus von Kasteren, der für das Iveco De Rooy- Team die Kohlen aus dem Feuer holen musste. Teamchef Jan De Rooy konnte verletzungsbedingt nicht starten. Der einzige deutsche Trucker, Mathias Behringer vom South Racing Team, landete mit dem MAN auf dem 26. Platz. Zugutehalten muss man dem neunfachen Dakar-Teilnehmer, dass er als Support-Truck für das Team South Racing unterwegs war. Schnelle Hilfeleistung war da mehr gefragt, als Topzeiten in der LKW-Wertung. Dafür war sein MAN SX auch technisch nicht ausgelegt. Er diente in erster Linie als schnelles Ersatzteillager.
Auch 2021 wird Saudi-Arabien wieder Dakar-Austragungsort sein. Die Scheichs haben sich dank Petrodollars das Wüstenspektakel längerfristig gesichert. Und wenn man den Aussagen vieler Teilnehmer glaubt, ist diese Entscheidung, zumindest rein motorsportlich betrachtet, auch nicht die verkehrteste. Moralische Bedenken wurden da sicherlich hintenangestellt.
Ob sich 2021 ein echter Kamaz- Gegner finden wird, ist zumindest fraglich.
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