ZF: Mobilität der Zukunft ist digital, autonom und elektrisch

Im Vorfeld zur IAA Transportation stellt der Friedrichshafener Mobilitätskonzern und Zulieferer seine neuesten Nfz-Technologien vor und bekräftigt seine Ausrichtung auf neue Mobilitätskonzepte.

Diversifizierung und Technologietransfer: ZF erreicht weitere Meilensteine seiner Strategie "Next Generation Mobility". | Bild: ZF.
Diversifizierung und Technologietransfer: ZF erreicht weitere Meilensteine seiner Strategie "Next Generation Mobility". | Bild: ZF.
Claudia Leistritz

Anfang des Jahres hat ZF die beiden Divisionen Nutzfahrzeugtechnik und die von Wabco übernommenen Nfz-Steuerungssysteme „Commercial Vehicle Control Systems“ unter dem neuen Namen Commercial Vehicle Solutions (CVS) zusammengefasst. Damit markierte man zugleich die neue Ausrichtung der Nfz-Sparte auf E-Mobilität, autonomes Fahren und Digitalisierung. In seiner Pressekonferenz zu den gegenwärtigen Entwicklungen gab der Konzern aus seinem Testzentrum in Jeversen einen Ausblick auf seine Pläne und Vorstellungen, die sowohl die Pkw- wie die Nfz-Sparte betreffen.

Vor allem in Bezug auf E-Mobilität und Software habe sich das Unternehmen neu aufgestellt. Eine Leitlinie bildet die Übertragung elektrischer und automatisierter Funktionen über verschiedene Fahrzeugsegmente hinweg. Alles aber steht unter dem Motto einer nachhaltigen Mobilität, unter der, wie es der ZF-Vorstandsvorsitzende Wolf-Henning Scheider formulierte, im Wesentlichen mehr Sicherheit und Komfort unter erschwinglichen Konditionen verstanden wird.

Insgesamt habe sich laut Scheider ZF strategisch mit der Einführung von E-Mobilität im Bereich Pkw wie Nfz gut positionieren können. Die neue Antriebstechnologie erfordere ganz neue Vorgehensweisen in der Vermarktung sowie andere Organisationsstrukturen. Neue Geschäftsmodelle böten sich mit automatisierten Fahrfunktionen wie beispielsweise beim Shuttleservice.

Autonomes Fahren als Ziel

So verbucht das Unternehmen als positives Ergebnis der neu gebildeten Nfz-Sparte CVS eigenen Angaben zufolge bereits nach einem halben Jahr „substanzielle“ Kundenbestellungen für seine neuen Nfz-Technologien. Ein weiteres Standbein in der Mobilität der Zukunft und einen Schritt in Richtung autonomes Fahren für Pkw wie auch Nfz bildet ein „ganzheitliches“ und bereits marktreifes Portfolio für die sensorengesteuerte Pkw-Lenkung „Steer-by-Wire“, bei der der Lenkeinschlag, vereinfacht gesagt, mit elektrischen Signalen über ein Kabel ausgelöst wird, nicht mehr durch mechanische Übertragung auf das Lenkgetriebe.

Für Pkw entwickeln - auf Nfz übertragen

Die Technologie „ersetzt die mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Vorderachse“, beschreibt es das Unternehmen und nennt die Erfindung eine wichtige Voraussetzung, um zunächst einmal Pkw „fortschrittlich“ automatisieren und die Lösung dann später auch auf Nfz anwenden zu können – „getreu unserer Leitphilosophie ‚einmal entwickelt, überall einsetzbar‘“. Das System wird als wesentlicher Faktor für „alle Aspekte“ der zukünftigen Fahrzeugbewegungssteuerung angesehen: „längs, quer und vertikal“. Mit der By-Wire-Technologie, so Scheider, ließen sich schwer steuerbare E-Fahrzeuge so agil steuern wie Verbrenner. Zukunftssicher werde die sensorgesteuerte Lenkung dadurch, dass die neueste Generation der entsprechenden Software jederzeit drahtlos „over-the-air“ aktualisiert werden kann. Den Angaben zufolge sind für die Lösung bereits Aufträge internationaler Fahrzeughersteller eingegangen.

CeTrax 2: E-Antrieb für Nfz

ZF könne seinen Kunden ein breites Angebot an integrierten Lösungen bieten und den Fahrzeugherstellern den hohen Kostenaufwand bei der Entwicklung von automatisierten, digitalisierten und elektrifizierten Lösungen für Nfz ersparen, meint ZF-Vorstandsmitglied Wilhelm Rehm, verantwortlich unter anderem für die Sparte Division Commercial Vehicle Solutions. Dabei erfolge ein wechselseitiger Technologietransfer von Pkw zu Nfz.

Als Beispiel für solche fortschrittlichen Technologien nennt Rehm den integrierten, modularen elektrischen Antriebsstrang für schwere Nutzfahrzeuge CeTrax 2. Das System enthält zwei E-Motoren und verfügt über ein „günstiges Leistungsgewicht“, kompakte Bauweise, „hohe Dauerleistung von 360 kW“ und ein Mehrganggetriebe, das durch Lastschaltung eine verbesserte Effizienz aufweisen soll. Hinzu kommen verschiedene weitere Funktionen wie ein spezielles Kühlsystem sowie einen Wechselrichter auf Siliziumcarbid-Basis, entwickelt mit dem Know-how aus der Elektrifizierung von Pkw. Die Serienproduktion soll im nächsten Jahr starten.

Einen „ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz“ verfolgt ZF durch Kombination verschiedener seiner Technologien und Steuerungssysteme für Lkw und AnhängerSo verwendet das Unternehmen hier einige Sicherheits- und Effizienztechnologien, um dem Ziel „null Unfälle“ näherzukommen. Voraussetzung für diesen Ansatz sei aber eine intelligente Vernetzung der Komponenten, für die man die neue Software Scalar entwickelt hat.

Scalar: Mit KI mehr Sicherheit für Flotten

Scalar dient als digitale Plattform für Nutzfahrzeugflotten, die einen „effizienten Transport-as-a-Service“ (TaaS) ermöglichen soll. Die Anwendung arbeitet vollautomatisch auf Grundlage von Künstlicher Intelligenz (KI) und dient zur Planung, Streckenführung (Routing) und Verwaltung der Flotten. Hierbei soll die Kombination von Technologien von Nfz sowie der Logistiksysteme von Drittanbietern mit KI zur Steigerung der „betrieblichen Effizienz, Nachhaltigkeit, Planungssicherheit sowie der Sicherheit von Fracht und Passagieren“ führen, beschreibt es ZF und betrachtet die Anwendung als wesentliche Grundlage für die zukünftige Güter- und Personenbeförderungsbranche.

Eine weitere Entwicklung, an der der Mobilitätskonzern vom Bodensee gerade arbeitet, ist eine Software-Lösung „Adopt“ zur Orchestrierung der Automatisierung von Betriebshöfen für eine Geschwindigkeit von bis zu 20 km/h oder für Hub-to-Hub-Anwendungen auf Autobahnen für bis zu 80 km/h. Und ein komplettes Shuttlesystem inklusive Bezahl- und Servicefunktionen soll zukünftig auch in der Stadt einsetzbar sein.

Insgesamt zielten die Lösungen für E-Fahrzeuge vor allem auf einen Einsatz im europäischen Raum und hingen natürlich auch stark von der vorhandenen Infrastruktur mit Lademöglichkeiten ab, so Scheider. An der Pantografen-Lösung zur Energieversorgung von Lkw per Oberleitung arbeitet ZF im Gegensatz zum Konkurrenten Continental allerdings nicht: die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur, vor allem bei Strecken über 400 Kilometern, hält man laut Rehm derzeit kaum für machbar.

Auf die Frage, wie in zunehmend softwaregesteuerten Fahrzeugen die Cybersicherheit gewährleistet sei antwortete Scheider, dass derzeit bereits bestimmte Standards in Anwendung seien und in der Entwicklung stets eine Cyber-Security-Überprüfung erfolge – in dieser Hinsicht habe man in den letzten Jahren die Software deutlich verbessert.