Messe-Eröffnung: Elektrisch in der City, mit Diesel in die Ferne

Der VDA-Präsident verweist auf die hohe Innovationskraft der Branche, mahnt anwendungsbezogene Antriebe an. Er appelliert aber auch an die Politik, bei den weiteren Regulierungen den Bogen nicht zu überspannen. Stv. Ministerpräsident Althusmann: "Mehr Tempo bei der Digitalisierung".

Mit Augenmaß: Bernhard Mattes forderte von der Politik realistische Grenzwerte. | Foto: J. Reichel
Mit Augenmaß: Bernhard Mattes forderte von der Politik realistische Grenzwerte. | Foto: J. Reichel
Johannes Reichel

Zur Eröffnung der 67. IAA Nutzfahrzeuge, die vor 600 geladenen Gästen in Hannover stattfand, appellierte VDA-Präsident Bernhard Mattes an die Politik, den Bogen bei den geplanten Regulierungen auch im Hinblick auf den CO2-Ausstoß nicht zu überspannen. "Lassen Sie uns technologieoffen nach den besten Lösungen suchen – und diese entschlossen umsetzen. Realistische Grenzwerte und passgenaue Anreize sind hierfür der beste Weg", erklärte Mattes und erhielt dabei Unterstützung vom stellvertretenden Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen Bernd Althusmann (CDU). Es brauche Realismus bei der Festlegung der Grenzwerte, mahnte der Politiker. Insbesondere bei den schweren Lkw betrete man hier völliges Neuland, ergänzte Mattes. Man dürfe keine Analogien aus der Pkw-Branche auf leichte Nutzfahrzeuge oder Trucks übertragen.

Die Industrie sei bereit, ihren Beitrag zu leisten und habe dies auch schon getan. Seit dem Jahr 2000 sind die CO2-Emissionen pro Tonnenkilometer um 35 Prozent zurückgegangen. Mit der Euro VI-Norm seien die Stickoxid-Emissionen nochmals um 80 Prozent gesunken. Unabhängige Studien hätten bestätigt, dass schwere Lkw und Busse mit Euro VI den gesetzlichen Grenzwert auch im Straßentest deutlich unterschreiten. "Moderne Diesel-Fahrzeuge sind sauber", befand der VDA-Chef. Auch der Lang-Lkw sieht der VDA-Präsident als Erfolgsgeschichte, bei der Trailer- und Truckhersteller an einem Strang gezogen hätten.

Mattes: Meister bei den Patentanmeldungen

Mattes verwies darüber hinaus auf die Innovationskraft der Branche. "Die Automobilindustrie steht für 40 Prozent aller Patentanmeldungen aus Deutschland. Sie ist hierzulande die innovativste aller Branchen – mit Abstand", so die Analyse des Verbandschefs. Zugleich bewältige der Lkw über 70 Prozent der Güterverkehrsleistung in Europa. Dies dürfe allerdings nicht auf Kosten der Umwelt gehen und hierin bestehe die große Herausforderung für die Branche, skizzierte Mattes.

Insbesondere in urbanen Zentren sieht er dabei größte Potenziale für die Elektromobilität, Last-Mile-Logistik und leichter Verteilerverkehr seien das ideale Spielfeld dafür. Auch bei Stadtbussen mache die Elektrifizierung Sinn, ebenso bei kommunalen Diensten. Aber Elektromobilität biete nicht für jeden Einsatzzweck die beste Wahl. "Dafür sind die Anforderungen zu unterschiedlich. Denken Sie nur an den schweren Langstreckenverkehr". Mattes appellierte, auch die Effizienz von modernen Diesel-Motoren weiter voranzutreiben. 

Althusmann: Mehr Tempo beim 5G-Mobilfunk

Stellvertretender Ministerpräsident Althusmann forderte, dass man bei aller Diskussion um autonomes Fahren die dafür nötige Mobilfunktinfrastruktur nicht vernachlässigen dürfe. "Was nützt die tollste Technik, wenn die Funkverbindung nicht da ist", erklärte der CDU-Politiker "Wir haben bei der Konnektivität einiges nachzuholen. Wir brauchen Tempo, Tempo, Tempo. Deutschland steht hier unter Erfolgsdruck", mahnte Althusmann. Die Genehmigungsverfahren dauerten zu lange. Man habe kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit. Althusmann verwies auch auf die Bedeutung Niedersachsens und Deutschlands als wichtiges Transitland.

In diesem Kontext brach Mattes auch eine Lanze für offene Grenzen und freien Handel. "Wir alle wissen: Protektionismus kann nicht die Lösung sein, um den Wohlstand zu mehren. Neue Handelsbarrieren sind eine große Gefahr – für die internationalen Lieferketten und für die damit verbundene Wertschöpfung", erklärte der VDA-Präsident. "Für für deren Erhalt und Sicherung müssen wir uns mehr einsetzen, Wirtschaft und Politik", so der Appell.