Hybridantrieb: Doppelt besser?

Ford schlägt mit seriellem Plug-in- Hybrid die Brücke ins E-Zeitalter. Doch der erste Test ernüchtert, es mangelt an Reichweite. Nur dann würde das Konzept Sinn ergeben. Und wenn es günstiger wäre. Vielleicht doch Mild-Hybrid-Diesel. Der E-Transit dauert.

Foto: Ford
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Redaktion (allg.)

Der Countdown läuft: Kaum liegt die Stadtgrenze hinter uns mit dem ersten Plug-in-Hybrid-Transporter der Testhistorie, zählt bei Kilometer 24 die Reichweitenanzeige gnadenlos runter. Es kommt einem vor wie der berüchtigte „Fatal Error“ am Computer, wie Systemabsturz, nur im Auto. Keinen Kilometer später ist die elektrische Reichweite, die anfangs an der Verlagsladesäule mit 64 Kilometer noch hoffnungsfroh stimmte, aufgebraucht. Beim Start dachte man noch: Ja, mit 60 Kilometern, da kann ein Lieferdienst etwas anfangen, kommt fast über eine Tagesschicht. Offiziell gibt Ford 56 Kilometer EV-Spanne an.
Und wenn sich dann doch der Verbrenner einklinkt, würde bei auf maximal 100 Kilometer taxierten Schichten immer noch ein guter Verbrauch von rund 3,3 l/ 100 km Otto-Kraftstoff herauskommen, wie das Werk es verspricht. So weit die Theorie von Ford, die man in Feldtests in London, Valencia und Köln untermauert haben will. Die Fahrer seien zu drei Vierteln elektrisch unterwegs gewesen. Und stünde doch mal ein Überland- oder Langstreckenauftrag an, könnte man sich auf die Gesamtreichweite von 500 Kilometern verlassen, dank eines 54-Liter-Reservoirs an fossilem Brennstoff.
Gut, Fahrvergnügen im Vergleich zum durchzugs- und spurtstarken Ford- EcoBlue-Diesel mit aktueller Euro-6.2- Einstufung ist das mit dem PHEV nicht. Ist der Akku leer, klinkt sich der 1,0-Liter- Ecoboost-Turbobenziner mit dem Sound eines Notstromaggregats ein und erhöht je nach Leistungsanforderung die Frequenz. Bei dem seriellen Hybridkonzept versieht er keinen direkten Antrieb, sondern lädt nur als „Range Extender“ den kompakt unterflur verbauten 13,6-kWh- Lithium-Ionen-Akku wieder auf. Ein wenig nervig, aber man würde sich daran gewöhnen – und würde es im Stadtverkehr bei 60 Kilometer EV-Reichweite ja ohnehin selten hören, das Gesäge.
Zu viele Konjunktive. Wenn es sich bei unserem Testwagen, der als Kombi Tourneo Custom ausgeführt war und über die erhöhte Nutzlast von 3,2 Tonnen verfügte, nicht um ein „Montagsauto“ handelte, dann geht die Rechnung der Entwickler nicht auf: das Beste aus zwei Welten ,„Verbrenner“ mit viel Reichweite und „Stromer“ mit lokaler Emissionsfreiheit, zu vereinen. Erfahrungen mit anderen Plugin- Hybrid-Autos deuten in eine ähnliche Richtung: Die E-Reichweite kommt real selten über 40 Kilometer. Löbliche Ausnahme: Ausgerechnet ein Ford Kuga mit „normalem“ Parallel- Plug-in-Hybrid, der knapp 60 Kilometer in „EV“ schaffte, mit kaum größerem 14,4 kWh-Akku kombiniert mit 2,5-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner (225 PS), Gesamtverbrauch über die Testrunde damit 4,3 l/100 km. Da fragt man sich schon, ob das nicht der bessere Ansatz gewesen wäre, statt einen exotischen Sonderweg bei den Vans einzuschlagen.
Wie auch immer: Selbst ein „Neustart“ des Systems, sprich Zündung an und aus, brachte keine Besserung, der Akku blieb leer. Entsprechend zügig legte der Verbrauch auf der Überland- und abschließenden Autobahnetappe zu: Er legte von fast rein elektrischen 0,2 l/100 km in der City auf 4,9 l/100 km auf der Landstraße und schließlich 6,8 l/100 km auf der Autobahn zu, was sich auf 5,4 l/100 km über die 140-Kilometer-Testrunde summiert, gemessen per Nachtanken. Wobei das mit dem „Easy Fuel“-System leider mühselig war und manche Unsicherheit birgt. Der Bordcomputer taxierte jedenfalls auf 8,1 l/100 km, die in Anbetracht der kurzen EV-Spanne nicht unrealistisch erscheinen. Möglicherweise hat sich aber auch die E-Maschine im Hintergrund aus dem nicht völlig leeren Akku versorgt und man tut dem Fahrzeug unrecht.

Je länger, desto sinnloser der PHEV

Zwischenzeitlich fasst man kurz Hoffnung, weil nach einem Ampelstopp und Neustart wieder 17 Prozent Akku angezeigt sind, leider nur kurz. Hier scheint wirklich ein Elektronikfehler vorzuliegen. Oder die Energieausbeute ist tatsächlich so schlecht, weit entfernt von jenen 17,4 kWh/100 km laut Werk. Da nützt auch kein „smartes“ Geofencing-Modul, das bald kommen soll und das in Umweltzonen automatisch den EV-Modus aktivieren kann.
Wer Langstrecke fährt, profitiert natürlich noch weniger vom EV-Bonus: 9,2 l/ 100 km verbrauchte der PHEV bei einer Tour München-Kempten, wobei erneut bei 26 Kilometern die EV-Reichweite erschöpft war. Eine weitere Probe aufs Exempel endete bei gut 30 Kilometern elektrisch – und am Ende 8,8 l/100 km, eine weitere Fahrt bei 9,5 l/100 km und mit 36 E-Kilometern.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Ford mit lahmen 3,7 kW lädt, bei 10 A also 5,5 Stunden, bei 16 A drei Stunden. Was zudem fehlt, ist eine Anzeige von Ladezeit und -stand, man muss das approximativ an den „Ringen“ um den Anschluss ablesen. Schade, denn ansonsten käme man – siehe oben – schon klar mit dem Konzept, trotz aller Exotik. In der Stadt fährt der PHEV-Ford im EV-Modus nicht nur flüsterleise, sondern dank des in der Serie auf 92 kW erstarkten Elektromotors und 355 Nm Drehmoment auch spurtstark. Im Vergleich zum eher raubeinigen Diesel ist das ein klarer Pluspunkt.
Wie auch der Wegfall der Schaltvorgänge den Fahrer entlastet. Er hat zudem die Wahl einer stärkeren Rekuperation, wobei es nicht für das berühmte Ein- Pedal-Fahren reicht. Im EV-Modus gilt: Nie fuhr sich ein Transit so geschmeidig. Im Hybrid-Modus wird es dagegen zäh: Mit dem typischen Gummibandeffekt, schlimmer als man ihn etwa bei Toyota- Hybriden kennt, setzt sich der Doppel- Herz-Transit träge in Trab, ohne jedes Gefühl im Gaspedal. Kein Wunder, es gibt ja auch keine direkte Verbindung zur Achse. Besonders mühsam wird es dann auf der Autobahn, der Transit PHEV ist aus gutem Grund auf 120 km/h beschränkt.

FAS: Nur die nötigsten Features

Ansonsten verfügt der PHEV nicht über alle Komfort- und Assistenzfeatures, die das Leben in den konventionellen Modellen angenehm und sicherer machen. Es fehlen etwa der aktive Spurhalteassistent, Abstandstempomat, Totwinkel- und Querverkehrswarner sowie die Option Anhängerkupplung. Die sonstigen Eigenschaften passen so weit: Agiles, wenngleich teils etwas polteriges Fahrwerk, lockeres Handling, hübsches und bis auf den Entriegler der Tankklappe (Mittelkonsole!) ergonomisches Interieur mit praktischen Ablagen, ansehnlichen Materialien und guter Verarbeitung, zeitgemäßes Infotainment samt Konnektivität mit dem jüngsten Sync3-System. Eine Anbindung an die Telematikdienste ist dank standardmäßig verbautem FordPass-Modem möglich.
Zudem gibt es dank Auflastung keine Abstriche bei der Nutzlast, die beim Kasten bis zu 1.100 Kilo betragen soll, trotz systembedingtem Mehrgewicht von gut 100 kg. Auch acht Jahre Batterie-Garantie auf 160.000 Kilometer wecken Vertrauen.
Die Technologie mit seriellem Hybridantrieb wurde in Großserie bisher nur von BMW i3 mit Range Extender verwendet – und jüngst endgültig verworfen. Im Nutzfahrzeugbereich kennt man das Konzept derzeit nur von der Geely-Tochter LEVC, die für das neu aufgelegte London-Taxi und den Van-Ableger VN5 (siehe News), wo man sogar 100 Kilometer E-Reichweite verspricht. Nach unserer Erfahrung mit dem Ford betrachtet man diese Zahlen mit einer gewissen Skepsis.
Und so würden wir zum derzeitigen Stand der Dinge eher zum Transit Custom mit 48-Volt-Mild-Hybrid-System raten: Der spart mit moderaten 690 Euro statt 18.000 Euro Aufpreis – und soll beim Sprit in der Stadt drei Prozent einsparen, zum mit der Modellpflege noch mal sparsameren Diesel. Um die 6,3 l/100 km im WLTP verspricht Ford, was für einen 3,0-Tonner ein asketischer Wert wäre. Damit wäre er immer noch deutlich effizienter unterwegs als ein Plug-in-Hybrid im realen Einsatz, und zwar bei längeren Touren in der Stadt, aber vor allem auch Überland. Das wäre derzeit das Beste aus zwei Welten: Diesel und (Mild)Elektro. Und die möglichst geringen CO2-Emissionen ließen sich ja auch per Zertifikat kompensieren. Bis der Voll-Elektro-Antrieb kommt. Aber das dauert.