Hilfe in der Not

Schadenregulierung ist ein äußerst sensibles und komplexes Thema. Wie es beim HDNA (Haftpflichtgemeinschaft Deutscher Nahverkehrs- und Versorgungsunternehmen Allgemein VVaG) gemanagt wird, erfuhren wir bei einem Gespräch in der Bochumer Hauptverwaltung.

 Bild: AdobeStock/crazymedia
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Claus Bünnagel

Rede und Antwort standen uns HDNA-Vorstand Uwe Schäfer sowie Lars Hohendahl, Bereichsleiter Schaden und Prokurist beim HDNA, zwei absolute Experten auf diesem Gebiet. Hohendahl ist bereits seit 1999 für den Versicherer von privaten Verkehrsunternehmen mit Schwerpunkt Linie tätig.

Insgesamt umfasst das Team der Schadenabteilung in Bochum 20 Mitarbeiter. In der Geschäftsstelle Berlin sind weitere 13 Mitarbeiter in Sachen Schadenregulierung tätig. Sie wurde nach der deutschen Wiedervereinigung neu aufgebaut, um in den damals neuen Bundesländern Flagge zu zeigen. Heute ist die örtliche Nähe zu den Mitgliedern als wesentlicher Faktor zurückgetreten. Bedeutsamer ist die gelebte Nähe zu den Kunden und die Aufteilung der Fälle nach Bestandsgröße. Wichtige Kunden der Berliner Geschäftsstelle sind aber in der deutschen Hauptstadt selbst zu finden, nämlich das größte deutsche kommunale Verkehrsunternehmen, die BVG. Daneben aber auch das größte private Busunternehmen Busverkehr Berlin, das der bdo-Schatzmeister Lothar Kastner mit seinen Söhnen führt, oder die Berlin Mobil GmbH.

Der Bereich Schaden bei HDNA gliedert sich in drei Unterabteilungen auf, die für Sach-, größere Haftpflicht- und Personengroßschäden zuständig sind. Unproblematischer sind in der Regel die Sachschäden, oft „Blechschäden“, die bei den einfach gelagerten Fällen in der Regel „aktiv und dynamisch“ abgearbeitet werden können, wie Lars Hohendahl es ausdrückt. Besonders erfahrene Mitarbeiter werden mit den schweren Haftpflichtschäden betraut. Hierbei müssen oft Prozesse bestritten werden, es geht um fragliche Deckungsthemen oder unklare Haftungen. Sozusagen die Königsdisziplin bilden die Personengroßschäden, für die der HDNA nicht selten hohe Rückstellungen vorhalten muss. Rund 70 % aller Schäden werden aber von den Sachbearbeitern im Bereich Sachschaden bearbeitet – dies zeigt, wie wichtig auch diese Abteilung ist.

Um sich die Größenordnung in der Schadenregulierung vor Augen halten zu können, seien einige Zahlen zum HDNA und zur Schwester HDN (Haftpflichtgemeinschaft Deutscher Nahverkehrs- und Versorgungsunternehmen) genannt: Im Jahr 2017 nahmen sie 26.000 Neuschäden auf, eine leichte Steigerung zu den Vorjahren. Davon waren 6.500 Kasko-, der Rest Haftpflichtfälle. Im Durchschnitt haben die Versicherer rund 34.000 laufende Schäden in der Bearbeitung. Denn manche Fälle ziehen sich über Monate, oft Jahre dahin.

Langwierige Regulierungszeiten

Das gilt vor allem für die Personengroßschäden, von denen insgesamt rund 1.000 in der laufenden Bearbeitung sind. Alleine vier Mitarbeiter in Bochum und eine Spezialistin für größere Personenschäden – vom Berliner Büro aus tätig – sind hierfür zuständig. Mitunter werden die Geschädigten von ihnen über Jahrzehnte betreut, geht es um Themen wie Abfindungen und Renten.

Ein Beispiel dafür – in dem Fall der Schwester HDN – ist der Wuppertaler Schwebebahnunfall von 1999 mit zwei Toten und 61 zum Teil schwerverletzten Fahrgästen. „Hier läuft die Abwicklung immer noch“, berichtet Hohendahl. Der langwierigste und teuerste Fall für den Bochumer Versicherer war das schwere Unglück der Königswinterer Drachenfelsbahn am 14. September 1958, als eine Dampflokomotive durch überhöhte Geschwindigkeit sowie anschließendes Bremsenversagen entgleiste und 18 Menschen starben sowie 112 verletzt wurden. Hohendahl weiß, den HDNA betreffend, auch von einem tragischen Fall zu berichten, bei dem ein Kleinbus in eine Fußgängergruppe fuhr und einen Jungen mitschleifte. Neben dem menschlichen Leid, mit denen die Mitarbeiter des HDNA regelmäßig in solchen Fällen konfrontiert werden, wird der finanzielle Aufwand für den Versicherer ca. 4,5 Mio. Euro nur für diesen einen Geschädigten betragen.

Ein besonders markanter Unfall ereignete sich im November 2018, als in Mittelfranken zwei Linienbusse frontal zusammenstießen, beide von einem großen Busunternehmen aus Fürth und beim HDNA versichert, was die Angelegenheit für den Versicherer wenigstens etwas erleichterte, weil man ohne weitere Absprache mit anderen Beteiligten proaktiv agieren und schnell auf die Verletzten zugehen konnte. Zwölf Passagiere wurden schwer, 16 weitere leicht verletzt, darunter viele Kinder und Jugendliche. Auch die beiden Fahrer befanden sich unter den Schwerverletzten. Trotzdem ist es gelungen, diesen bedauerlichen Unglücksfall im Sinne aller Beteiligten sinnvoll und so unbürokratisch wie möglich zu bearbeiten. Auch der für den Fuhrunternehmer ebenso bedeutsame Kaskoschaden wurde schnell im Sinne des Mitgliedes abgewickelt, um ihm Liquidität für den Ersatz der Fahrzeuge zu verschaffen.

Gelebter Service

Dass der Service des HDNA weit über Versicherung und Schadenregulierung hinausgeht, zeigt dieses Beispiel eindrucksvoll. Als er von dem Unfall hörte, befand sich Vorstand Uwe Schäfer gerade in einer Besprechung. Diese verließ er umgehend, um mit dem Geschäftsführer des Fürther Unternehmens zu sprechen. Dabei versuchte er den Zustand der betroffenen Busse – Wartungszustand, erfolgte Sicherheitsprüfung etc. – ebenso zu ermitteln wie Infos zu den Fahrern wie etwa Betriebszugehörigkeit und Erfahrung am Steuer.

Schäfer, Hohendahl und der HDNA unterstützten das Busunternehmen auch beim Umgang mit den Medien. Zudem hatte der Versicherer aufgrund der guten Zusammenarbeit mit dem Unternehmen bereits zwei Tage nach dem Unfall eine Verletztenliste vorliegen. „Wir haben allen einen Brief geschickt, dass wir als HDNA für die Unfallfolgen haften. Das sorgte direkt für Klarheit bei den Betroffenen und für ein gutes Regulierungsklima“, erklärt Schäfer. In einem kürzlich stattgefundenen Gespräch sagte der Unternehmer dann, dass man sehr von der Zusammenarbeit mit dem HDNA profitiert habe und letztlich gestärkt aus diesem Krisenfall gegangen sei, was auch Auftraggeber ihm bestätigt hätten.

„Konfrontation ist in solchen Fällen sowieso kontraproduktiv“, gibt er einen Rat für zukünftige Schadenereignisse. Ohnehin sei der HDNA „der enge Draht zu den Versicherten sehr wichtig“, so Schäfer. „Bei uns gibt es kein Call-Center, kein Gruppentelefon. Wir präferieren auch keine Teamlösungen, sondern setzen auf die Zuständigkeit einzelner Sachbearbeiter.“

Wenn es darauf ankomme, fechte der HDNA auch „beispielhafte Prozesse für ihre Versicherten“ aus. Mit der Verschärfung des Schadenhaftungsrechts im August 2002 sei aber manches für die Versicherer schwieriger geworden. So komme es heute immer wieder zu Fällen von Haftungsteilung, selbst wenn „nach Menschenverstand keine Schuld beim Busfahrer“ liegt, so Hohendahl, oder beim angeblichen Versagen der Reversiereinrichtung einer Bustür. „In letzterem Fall kann es rechtlich eigentlich nur 0 oder 100 % Haftung geben, dennoch muss oft mit anderen Quoten gehaftet werden.“

Wichtige Kennziffern

Der HDNA deckt alle klassischen Schäden von Rangier- über Abbiege- bis hin zu Passagierschäden bei Ein- oder Aussteigen bzw. bei der Beförderung ab. Da viele Fahrgäste im ÖPNV älter sind, können die Verletzungen bei ihnen oft schwerwiegender als bei Jüngeren sein. Ein Oberschenkelhalsbruch hat mitunter eine Pflegestufe zur Folge, was oft immense Kosten bedeutet. Im Bereich der Fahrzeugversicherung muss der HDNA auch 30 bis 35 Brandschäden von einfacheren Motorbränden bis hin zum Totalverlust im Jahr bearbeiten.

Der Versicherer verwendet ein Analysetool, um Auffälligkeiten zu überprüfen, wenn sich beispielsweise Schäden auf einer bestimmten Linie oder bei einem Verkehrsunternehmen mehren. Eine wichtige Kennziffer, um die Häufigkeit von Haftpflichtschäden im Vergleich zu anderen Mitgliedern bewerten zu können, ist die Zahl der Haftpflichtschäden in Relation zur Kilometerleistung. So muss man in Großstädten schon nach 80.000 bis 90.000 km mit einem Haftpflichtschaden rechnen, in ländlichen Gebieten oft erst nach 150.000 Kilometern oder mehr. Benchmarkvergleiche mit mehreren von der Struktur her ähnlichen Unternehmen als Vergleichsgruppe werden in einem anonymisierten Verfahren hinzugezogen, um den Mitgliedern zu zeigen, wo sie stehen. „Im Rahmen unserer Risikoselektion werden auch mal Interessenten abgelehnt“, berichtet Schäfer. „Gerade das Reisegeschäft mit hohen Fahrleistungen oder das Fernbusgeschäft können schwierige Felder sein.“

Alle die, die beim HDNA versichert sind, können jedoch auf einen umfassenden Schutz durch den Versicherer vertrauen, selbst wenn ein Verstoß eines Mitarbeiters des Verkehrsunternehmens vorliegt. „Im Gegensatz zur üblichen Praxis in der Versicherungsbranche ist bei uns auch grobe Fahrlässigkeit versichert, z.B. das Überfahren einer roten Ampel mit anschließendem Unfall“, betont der HDNA-Bereichsleiter. „Sind Alkohol oder Drogen bei einem Vorfall im Spiel, wird erst der Schaden gegenüber dem nicht verantwortlichen Fuhrunternehmen in der Regel gedeckt. Dann erst kommt es zu Regress gegenüber dem Fahrer.“ ■

Claus Bünnagel

INFO: Das Leistungsportfolio des HDNA im Überblick

Leistungen Haftpflichtdeckungsschutz

■Fahrzeughaftplicht-Deckungssumme von 100 Mio. Euro, einmalig bis 200 Mio. Euro

■Deckungssumme von 50 Mio. Euro in der Betriebshaftpflichtversicherung

■Automatische Berücksichtigung von Standzeiten durch Abrechnung nach Betriebsleistungen in der Haftpflichtversicherung bei Bussen und Bahnen

■Kostenloser Strafrechtsschutz für Betriebsangehörige bei gedeckten Fahrzeughaftpflichtschäden

■Einsparmöglichkeiten von Versicherungssteuer durch die Vereinbarung von Selbstbehalten

Leistungen Kaskodeckungsschutz

■Uneingeschränkter Versicherungsschutz auch bei grober Fahrlässigkeit des Fahrzeuglenkers

■Neupreisentschädigung bei Feuergroßschäden für bis zu vier Jahre alte Fahrzeuge, sofern mindestens zwei versicherte Fahrzeuge gleichzeitig betroffen sind

■Einsparungsmöglichkeiten von Versicherungssteuer durch die Vereinbarung von Selbstbehalten