Am Heulen sollst du es erkennen. Wenn die hydraulischen Radnabenmotoren loslegen, ändert sich die Akustik vernehmlich - PXP arbeitet jetzt. Mit steigender Raddrehzahl wird der Ton höher und auch etwas lauter. Das Geräuschniveau außen bleibt bei aktiver „Paul ‘scher Xtra Power“ gleichwohl sehr im Rahmen. Es gibt lautere Hydro-Antriebe. Das hört sich nicht nur sehr geschmeidig an, es arbeitet auch so. Mein Instruktor und DAF Produkt-Ingenieur Uwe Müller zeigt mir, wie’s geht: Einfach den Schalter mit dem Lenkachsen-Symbol und dem PXP-Schriftzug drücken, schon ist der Vorderachs-Antrieb aktiviert. „Am besten schon einschalten, wenn du in unsicheres Terrain einfährst“, meint er. Und hat natürlich Recht. Wenn man im Gelände erst mal steht, wird’s mit dem Wiederanfahren nicht einfacher. Obwohl auch das natürlich geht. Anders als die Differenzialsperre, die erst mal eine Zahnlücke zum Einrasten finden muss, liefert ein hydraulischer Radnabenmotor sofort Drehmoment, wenn der Öldruck anliegt.
Anspruchvolles Gelände
Das brauchen wir jetzt auch. Die Radlader-Profis vom Kieswerk Hans Wolf bei Straubing haben uns ein Gelände hergerichtet, in dessen (Un-)Tiefen sowie Ein- und Ausfahrrampen sozusagen kein Auge trocken bleibt. Das Material, das hier abgebaut wird ist relativ feinkörniger Kies, vermischt mit Sand und etwas Ton. In lockerer Schüttung und mit viel Wasser drin wie heute, kann man hier sehr leicht absaufen. Vor allem, wenn der Fahrwiderstand plötzlich ansteigt, etwa an einer Rampe, aber auch im ebenen Grubengrund in einer engen Kurve zum Ladeplatz. Dann zerren die Aufliegerachsen spürbar und wollen die Zugmaschine am Weiterkommen hindern. Kurzum: Genau dieses Terrain ist ideal für Traktions-Grenzerfahrungen.
Bevor wir unsere Ladung Deponie-Erde oben am Grubenrand der Planierraupe vors Schild schütten, checken wir das Anfahrpotenzial an den zwei unterschiedlich steilen Rampen: Beim Anfahren rückwärts die Rampe hinauf (warum auch immer man das tun sollte), findet die 4x2 Zugmaschine sehr schnell ihre Haftgrenze. Wir schalten die Vorderachse dazu. Zum Anfahren aus dem Stand kann man nun den Hillholder nutzen, oder – wenn man’s kann – gegen den Federspeicher starten. Ich bemühe den Hillholder und gebe durchaus beherzt Gas. Sofort spüre ich die zusätzliche Antriebskraft an den Vorderrädern. Zu Gute kommt in dieser Situation, dass sich bei Rückwärts-Fahrt die Vorderachslast dynamisch verstärkt. Ich schaffe es fast bis zur Kante, dann ist hier an der steilen Rampe mit geschätzt acht bis zehn Prozent Steigung auch mit PXP erst mal Schluss, die Haftgrenze zwischen Reifen und Untergrund ist einfach überschritten.
Ohne PXP geht nichts mehr
Wir gehen das ganze mal vorwärts an, wie es sich gehört. Und zwar an der etwas flacheren und schön langen Ausfahr-Rampe: der Boden ist hier relativ fest aber mit oberflächlichem Matsch bedeckt. Anfahren im unteren Drittel der Steigung ohne PXP: Keine Chance, sogar mit gesperrter Hinterachse geht hier nichts mehr. Nach Zuschalten von PXP nimmt der Zug sofort Fahrt auf. Von außen beobachtet, kann man förmlich sehen, wie die Vorderräder zusätzlich anpacken. Und das Erstaunliche: Weil ich vergessen habe, im Traxon-Getriebe „M“ wie manuell zu wählen, schaltet das automatisierte Getriebe blitzschnell in den nächsthöheren Gang. So lange das nur bis zum Vierten geschieht, ist alles gut. Dann bleibt PXP aktiviert und es geht vorwärts. Über 20 km/h und ab dem fünften Gang schaltet PXP in den Stand-by-Modus. Je nachdem, ob der MX 11 oder der 12,8 Liter große MX 13 unter der Kabine schafft, sind auch die Grenzdrehzahlen unterschiedlich. Beim MX 11 ist der Arbeitsbereich fürs PXP auf Drehzahlen unter 1.600/min begrenzt, beim MX 13 sind es 1.750 Touren.
Am Ende der Rampe steigt naturgemäß auch die Geschwindigkeit und die Automatik schaltet in den Fünften. Mit der Folge, dass sich PXP erst mal in den Stand-by-Modus verabschiedet. Und das nicht gerade leise. Das plötzliche Ausrücken der zehn Radialkolben im Radnabenmotor verursacht einen nicht zu überhörenden Knall, der mir erst Mal die Stirn in Runzeln legt, gefolgt von einem besorgten Blick zu meinem Beifahrer. Aber Uwe Müller ist (wie immer) die Ruhe selbst: „Ist völlig normal. Da fahren nur die Kolben aus dem Wellenring…“. Und das ziemlich schnell, deshalb klinge das zwar sehr mechanisch, sei aber ein reiner Hydraulik-Vorgang. Das lassen wir mal so stehen.
Ab geht‘s zum Kippen. Wir wollen erst mal unsere Deponie-Erde loswerden und ich überlasse Uwe Müller das Steuer. Ganz gerade fährt er rückwärts in die doch ziemlich weiche Schüttung. Dank der Planierraupe muss gar nicht so nah an der Kante abgeladen werden. Uwe aktiviert den getriebeseitigen Nebenabtrieb für die Kipphydraulik und fährt die Meiller-Mulde hoch. Jetzt sieht man auch (vergleiche hierzu Video-Sequenz auf Transport-Online), warum beim Abkippen die Hinterachse der Zugmaschine schnell Traktionsprobleme bekommen kann: Sie wird bei „Mulde ganz oben“ stark entlastet, gut zu sehen am weiten Abstand zwischen Kotflügel und Reifen; die Vorderachse dagegen wird belastet. Ganz klar ein Fall für PXP, denn Uwe bleibt beim Vorziehen mit noch stehender Mulde nach aussichtsloser Schlammschlacht mit durchdrehenden Rädern stecken. Nach kurzem Funkspruch aktiviert er PXP und zieht kontrolliert vor. Läuft wieder bei ihm.
27 Tonnen Zuladung
Und so geht es weiter: Leer durch den schlammigen Grubengrund – kein Problem, auch nicht scharf ums Eck. Dann packen wir uns wieder um die 27 Tonnen Kies-/Sandgemisch drauf. Die gleiche Kurve nochmal. Beladen heißt es schlicht: Drauf bleiben. Und gut auf die Maschine hören, die Drehzahl sollte hier nicht zu stark in den Keller gehen, dann schon lieber bis zur erwähnten Begrenzung drehen lassen. Aber auch beladen gräbt sich der CF dank PXP souverän durch den tiefen Boden, obwohl der Fahrwiderstand des Trailers kräftig zerrt und bremst.
Fazit nach diesem Tag: PXP funktioniert. Und zwar offensichtlich ausgesprochen schonend für Mensch und Material. Das offene System reagiert sehr schnell und trotzdem weich und wohldosiert auf die Lastanforderung mit dem Gasfuß. Selbst eventuelles Hochschalten nimmt dieser Antrieb dank extrem kurzer Schaltzeiten nicht übel.
Szenenwechsel: Das neue Werk von Paul, nahe Vilshofen. Hier treffen wir die Entwickler und wir dürfen uns den Antrieb im Detail anschauen. Dass sich die Niederländer ausgerechnet den niederbayerischen Fahrzeugbau-Spezialisten Paul aussuchten, darf als weise Entscheidung goutiert werden. Die Passauer Antriebs-Spezialisten können - was Achsen und Antriebstechnik angeht - praktisch alles. Zusatzachsen in jeder Form sind nur eine Spezialität. Umbauten in die Länge und jede andere Richtung gehören zum Tagesgeschäft, die Umrüstung von Diesel-Chassis auf E-Antrieb ist eine relativ neue Disziplin von „Paul, Passau“, wie das mittelständische Familienunternehmen von Kennern genannt wurde. Vor dem Umzug des neuen Werks ins nahegelegene Vilshofen und auch danach noch.
Der Auftrag seitens DAF an die Niederbayern lautete kurz gesagt: Baut uns einen Hydro-Antrieb. Aber bitte einfach, betriebssicher und mit so wenig Spezialteilen wie nur möglich. Wiegen darf das Ganze wie immer auch nichts, und kosten schon gleich drei Mal nichts. Die letzten beiden Vorgaben sind dabei relativ zu sehen, schon klar. Denn ohne eine kräftige Hydraulik-Pumpe am motorseitigen Nebenabtrieb, ein paar Liter (55 genau) Hydrauliköl, Ventilblöcke, ein wenig Elektronik und schließlich den beiden Radnabenmotoren, dreht sich da vorne nun mal nichts. Die paar Komponenten gibt‘s nun mal nicht gratis.
Viele Neuentwicklungen
Aber: Paul packte die Gelegenheit am Schopfe und erfand den Hydro-Antrieb an vielen Stellen quasi neu. Und das tatsächlich mit vielen Standard-Teilen (Pumpe, Poclain-Radnabenmotoren), die von ein paar Spezialitäten ergänzt werden. So forderte gerade die Gestaltung des Steuerblocks den Entwicklern um Leiter Andreas Süß einiges ab. Bevor hier am Schluss ein kompakter Steuerblock übrig bleibt wird das ganze Hydraulik-System erst mal wie ein grober Schaltplan zusammengesteckt. Das ähnelt im Versuchsaufbau stark einem Hydraulik-Leitungs- und Ventilsalat, den zu überschauen wahre Expertise erfordert. Dann wird überprüft, ob das alles so zusammen wirkt, wie es soll und erst dann bauen die Hydraulik-Experten von Poclain den Ventilblock so, wie Paul das haben will. Lohn‘ der Müh‘: Ein sehr kompakter Steuerblock, der platzsparend, effizient und mit übersichtlichen Anschlüssen nur wenig Platz im aufgeräumten PXP-Modul am Rahmen einnimmt.
Entscheidend bei PXP ist die Arbeitsweise als „offenes System“. Das bedeutet: Im Standby-Modus fließt schon relativ viel Öl , so mit 100 Bar, durch die Leitungen. Die Projektleiterin Katja Obernhuber bezeichnet dies bildhaft als „Tümpeldruck“, weil das Öl hier „gefühlt“ nur so vor sich hindümpelt - jedenfalls im Vergleich zu den 360 bar maximalen Arbeitsdrucks. Bis zu 260 Liter pro Minute werden hier durch die armdicke Ansaugleitung zwischen Tank und Pumpe gespült. Alles zum Zwecke einer praktisch verzögerungsfreien und proportional zum Gaspedal arbeitenden Ansprech-Charakteristik. Denn darauf kommt es an: Genau dann Zugkraft in den Vorderrädern zu erzeugen, wenn der Gasfuß das einfordert.
Direkt am Objekt zeigt uns Nikolaus Mayer, bei Paul Leiter Elektrik und Elektronik, das entscheidende Steuerventil, das die Gaspedal-Befehle umsetzt – je nach Schlupf an den Rädern. Der kleine „Schwinger“ sitzt unscheinbar auf dem Steuerblock, ist aber enorm wichtig für die Steuerungsqualität. Damit Mechanik, Hydraulik und Elektronik perfekt zusammen spielen, hat Mayers Abteilung auch gleich ein integriertes Diagnose-System dazu entwickelt. Wie die gesamte Steuer-Elektronik liegen die Schnittstellen für das Diagnose-Tool, für den Fahrzeug-Can-Bus und für die Diagnose-Stecker direkt in und um die Zentralelektrik des CF- und XF-Cockpits. Das Ganze macht einen sehr soliden und hoch integrierten Eindruck.
Mit rund 540 Kilo Mehrgewicht, im Vergleich zur reinen 4x2 Sattelzugmaschine, ist PXP zwar etwas schwerer als vergleichbare Konkurrenz-Systeme – Mercedes gibt hier 400 Kilo für seinen HAD an – aber das Ganze wirkt ausgesprochen solide verarbeitet, langlebig und thermisch belastbar. Immerhin um die 20.000 Euro Mehrpreis ruft DAF für PXP auf, dafür bekommt der Kunde aber offensichtlich einen gründlich entwickelten und sorgfältig applizierten Hydro-Antrieb für die Vorderachse. Momentan zwar nur für die 4x2-Zugmaschinen der CF- und XF-Reihe, bis Ende des Jahres sollen auch 8x4- und 6x4-Fahrgestelle dazu kommen. Dass Letztere übrigens durchaus von PXP profitieren können, offenbarte uns der zufällige Hängenbleiber eines Kipper-Kollegen mit 6x4-SZM und Zweiachs-Kippauflieger. Selbst in Richtung Geradeaus kam der Actros nach dem Kippen nicht mehr von alleine aus dem Quark – die Raupe musste ran. rod
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