Revolution der Leichtigkeit

Fliegl paart das dreiachsige Kipper-Chassis aus Feinkornstahl und die konische Alu-Kastenmulde zu einem Schüttgut-Kipper der leichtesten Art. Viel weggelassen, sauber geschweißt, Verstärkungen, da wo sie sinnvoll sind. Der Leicht-Kipper heißt zu Recht „Revolution“.

Mit nur vier Tonnen Eigengewicht gehört die Fliegl Revolution-Alumulde zu den leichtesten Kippern am Markt. Mit dem Actros HAD als Zugmaschine sind 28,2 Tonnen Nutzlast möglich. Bild: rod
Mit nur vier Tonnen Eigengewicht gehört die Fliegl Revolution-Alumulde zu den leichtesten Kippern am Markt. Mit dem Actros HAD als Zugmaschine sind 28,2 Tonnen Nutzlast möglich. Bild: rod
Redaktion (allg.)

„Den Zufall gibt die Vorsehung – zum Zwecke muss ihn der Mensch gestalten“, so ließ Schiller den Marquis von Posa im Don Carlos über den Zufall sinnieren. Na, und wenn das mal kein Zufall ist: 4.000 Kilo Leergewicht verspricht die fette Werbe-Aufschrift auf der Fliegl Kastenmulde – exakt 4.000 Kilo zeigt das Display der Waage. Der Mensch, der das gestaltet hat, heißt Helmut Fliegl, seines Zeichens Fahrzeugbauer niederbayerischer Herkunft, heute und schon seit mehr als zwanzig Jahren in Triptis, Thüringen, produzierend. Zum Zwecke der Nutzlastoptimierung, beziehungsweise Leergewichts-Minimierung haut Helmut Fliegl gefühlt jährlich mindestens eine typische Fliegl-Innovation raus.

Jetzt also der „Revolution“-Trailer. Das „Milliarden-Euro-Ding“, wie die Heckaufschrift lautstark verkündet. Wie jetzt? Da kann ich eine Milliarde Euro sparen? Das Fußnoten-Sternchen relativiert: Über alle Fahrten der Bauindustrie gerechnet (Zahlen von 2016) wurden 22 Milliarden Liter Diesel verbraucht. Rechnet man im Schnitt nur eine Tonne Nutzlastgewinn durch den Revolution-Trailer, so bedeute das laut Fliegl-Arithmetik 3,5 Prozent weniger Transporte, gleich 770 Millionen Liter weniger Diesel per Annum, macht bei 1,3 Euro für den Liter Diesel ziemlich genau 1,001 Mrd. Euro Ersparnis. Für die ganze Branche wohl gemerkt.

Baustoff-Lieferanten, freuet euch. Denn mit dem Revolution könnt ihr noch mehr sparen, als im obigen Beispiel vorsichtig gerechnet. Die Zahlen sind in der Tat beeindruckend. Wir lassen weiter die Waage sprechen: Der ganze Zug samt Actros HAD-Sattelzugmaschine (darüber weiter unten mehr) wiegt mit einem Norm-Fahrer 1.820 Kilo, macht also 7.820 Kilo für die Zugmaschine. Auch das ist relativ leicht für eine Straßen-Zugmaschine mit hydraulisch angetriebenen Vorderrädern (HAD = Hydraulic Auxiliary Drive). Das passt gut zusammen: Leicht plus Leicht ergibt super Nutzlast. In diesem Falle sind es gut 28 Tonnen, die hier verfrachtet werden können. Nimmt man 24 bis 25 Tonnen als Normal-Nutzlast für einen Rundmulden-Sattel, dann reden wir hier also von deutlich mehr als nur einer Tonne Nutzlastgewinn.

Nicht für alles geeignet

Wie geht das? Und vor allem: Was kann das? Und was kann es nicht? Diese Fragen beantwortet Helmut Fliegl ganz offen gleich auf dem Produkt-Flyer, denn da steht ganz klar: „Warnhinweis: Nicht für Abbruch, Aushub oder Schotter etc.“ und unter „Einsatzgebiet“: „Schüttgüter, Füllstoffe, Zuschläge“. Allzu abrasive Stoffe wie kristalliner Schotter oder felsiges, spitzkantiges Material sollten also tunlichst vermieden werden.

Wir haben es hier schließlich mit einer Voll-Alumulde zu tun. Zwar mit einer Brinell-Härte von 110, doch eben „nur“ Alu: Leicht im Vergleich zu Stahl aber relativ weich. Und wer kennt den alten Ingenieurs-Satz nicht: „Wer Alu kennt, nimmt Stahl“. Haha. Wer Helmut Fliegl kennt, weiß, dass der Alu und Stahl kennt. Und das Beste aus beiden Welten verbinden kann. So wie hier.

In der Fliegl’schen Abholungshalle für Kunden stellen wir den Revolution über die Grube und schauen ihn uns genauer an. Von oben und von unten. Der 1a-lackierte Alu-Kasten besticht schon von außen durch sauber gezogene Alu-Schweißnähte – das kann auch nicht jeder. Hier und da fallen feine Details auf, vor allem im Inneren des Kastens: Alle Ecken sind mit einer extra eingeschweißten Fase entschärft. Hier bleibt schwerer etwas kleben als in einer 90-Grad-Ecke. Die seitlichen Obergurte sind biegesteife Hohlprofile mit trapezförmigen Querschnitten. Der schräge Teil liegt oben, damit nichts liegenbleibt. Die beiden vorderen Ecken verstärken massiv eingeschweißte Blechbänder, das gibt Verwindungsstabilität, und schließlich greift hier vorne der Hubstempel an, da liegen kurz vorm Abrutschen der Ladung enorme Lasten an, die hier gleichmäßig in den Kasten geleitet werden.

Von unten betrachtet, fallen die eng gesetzten Querstreben auf, 17 sind es an der Zahl, sie geben dem Boden die nötige Steifigkeit. Denn das Bodenblech an sich ist nur 6 mm stark. Dass sich die Bodenfläche wellenartig verformt, ist gewollt und versteift den Boden abermals.

Das gleiche Prinzip kommt auch bei der Heckklappe zur Wirkung. Fliegl verwendet nur noch seine patentierte „Membran“-Rückwand. Ihr Kennzeichen ist die nach außen gewölbte Blechfläche. Denn merke: Gewölbte Bleche sind immer stabiler als ebene und setzen Punktbelastungen viel mehr Widerstand entgegen. Wie leicht die Heckklappe ist, demonstriert draußen Max Fliegl, Juniorchef und Produkt-Manager im Blaumann am Objekt: Er lupft den Deckel und stemmt ihn in bester Gewichtheber-Manier auf, als würde die Heckklappe gar nichts wiegen. Klar: Auf eine Schütte wird hier verzichtet, kostet ja alles Gewicht. Aber: Eine sauber eingearbeitete Gummilippe hält die Wanne zumindest wasserdicht, wie der Schwall Wasser beim ersten Öffnen beweist. Hundertprozentig dicht ist die Kastenmulde aber trotz Gummidichtung am Heck noch nicht. Fliegl weist extra darauf hin, dass eine solche „Chemie-Dichtheit“ durchaus machbar ist. Dann müssten allerdings alle Einzelpaneele, die die Außenwand bilden, miteinander verschweißt werden – ein ziemlicher Aufwand, der kostet. Ohne Aufpreis gibt es bei Fliegl stets die konische Mulde: Sie ist hinten breiter als vorne, öffnet sich also nach hinten um genau je fünf Zentimeter links und rechts. Der Effekt: Das Material löst sich früher von den Wänden und rauscht leichter Richtung Ausgang. Zweiter Effekt: Laut Helmut Fliegl ergibt sich dadurch eine bessere Aerodynamik im Gesamtzug. Das erscheint plausibel für die konische Mulde. Aber auch für die gewölbte Heckklappe reklamiert Fliegl aerodynamische Vorteile. In Summe sollen es um die acht Prozent sein. Das wäre enorm viel. Aber: Möglich ist da vieles, wirklich belegt dagegen wenig.

Den Aufbau des Chassis eröffnet uns beinahe hautnah die Inspektion aus der Grube. Von hier aus erschließt sich die Leichtbau-Konstruktion in Feinkornstahl am besten. Auffälligstes Merkmal aller Fliegl-Kipper-Chassis ist das „Curved“-Front-End. Curved heißt es, weil es rund ist und praktisch nicht mehr als die Fläche der Sattelplatte überdeckt. Das ist definitiv gewichtssparend. Die Halshöhe beträgt an dieser Stelle ganze 19 Zentimeter, auch das ist nicht viel, harmoniert aber gut mit 1,20er Aufsattelhöhen. Schaut man sich dieses Front-End einmal im Modell an, so wird die ganze Steifigkeit und Stabilität dieser so wichtigen Komponente deutlich. Im Inneren verstreben eingeschweißte Stege die Konstruktion, so dass sich hier nichts verformen kann. Das ist wichtig, nicht nur, weil hier die gesamte Last beim Anheben der Kippbrücke über den Kippstempel eingeleitet wird, sondern auch, weil sich knapp dahinter die Nase des Alukastens horizontal formschlüssig mit dem Chassis verkeilt. Alle horizontalen Bewegungen des Aufbaus werden hier eingeleitet, nur so ist die Verbindung Aufbau/Chassis wirklich steif. Bei unseren Handlingfahrten weiter unten werden wir sehen, wie wichtig dieser Aspekt ist.

Auch bemerkenswert: Zwischen Frontend und der ersten Quertraverse auf Höhe der ersten Achse laufen die beiden Längsträger ohne jede weitere Querverbindung nach hinten. Das ist Leichtbau, wie er nur mit der Festigkeit von Feinkornstählen möglich ist. Und weil der erste Querträger einen geschlossenen Kasten bildet. Der kann auch die Fallstütze locker aufnehmen.

Niedrige Längsträger

Ab hier – mit Blick nach hinten – kommen nun die drei Achsen. Und die zuvor recht niedrigen Längsträger wachsen in der Höhe. Kein Wunder: Hier in der hinteren Hälfte des Chassis ist die Action: Hier liegt die Hauptlast, hier kommen am meisten Kräfte ins Chassis, nicht zuletzt auch horizontale Verspannungen bei Kurvenfahrt. Hier im Mittelbau verbergen sich hoch eingebaut die Bremsverteiler und der einzige Luftkessel. Jener ist quer und bestens geschützt eingebaut, aufgehängt an gummigefederten Lagern. Auf Höhe der Achsböcke verbinden relativ leicht anmutende Querträger als offene U-Profile die beiden Längsträger, jeweils verstärkt durch 45-Grad-Streben links und rechts. Ganz hinten schließt ein letztes, verschweißtes U-Profil den Rahmen ab, das Führungsrohr für die Kippachse ist nochmal mit Dreiecken an die Längsträger geschweißt – steifer geht’s an dieser Stelle nimmer.

Alle Luft- und E-Leitungen sind absolut sauber und geschützt im Doppel-T der Längsträger verlegt, die Luftleitungen zumal farblich unterschieden, so dass die Werkstatt sofort sieht, welche Leitung wohin führt. Das Ganze ist in der hauseigenen Strahl- und Lackieranlage oberflächenbehandelt und sorgfältig lackiert. Auf eine Vollverzinkung des Chassis muss man bei dieser Bauweise allerdings verzichten. Max Fliegl: „Feinkornstähle vertragen die Temperaturen einer Feuerverzinkung nicht. Da verändert sich das Gefüge und damit auch die Festigkeit.“ Also lieber mit Stahlkugeln sauber strahlen, grundieren und lackieren – alles in der hauseigenen Oberflächen-Behandlung.

Gespannt waren wir natürlich auf das Fahrverhalten des Revolution-Trailers. So viel Leichtigkeit: Kann der auch stabil und ohne Zicken hinterherlaufen? Dies zu ventilieren, stellt uns Mercedes dankenswerter Weise einen neuen Actros 1846 HAD, also mit zusätzlich hydraulisch angetriebenen Vorderrädern zur Verfügung. Schon mit Mirror-Cams und digitalem Armaturenbrett ausgestattet ist dieser Actros die Straßenausführung einer leichten Bau-Sattelzugmaschine. Anders als etwa der auf schwere Bauaufgaben spezialisierte Arocs kommt der Actros mit 120 cm Aufsattelhöhe ohne Panzerung im Frontbereich aus, was sich im Leergewicht positiv niederschlägt und das Mehrgewicht der hydraulisch zuschaltbaren Radnabenmotoren etwas relativiert. In Kürze werden wir dieser Zugmaschine einen kompletten Test widmen.

Anfahren am Hügel

Den hydraulischen Hilfsantrieb checken wir trotzdem kurz: Fliegl hat extra gleich neben der Fabrikhalle in Triptis einen Anfahrhügel aufgetürmt – den nutzen wir für ein paar Anfahrsimulationen. Leer ist es besonders schwer für die Antriebsachse entsprechend Grip aufzubauen, die Räder drehen durch. Mit aktiviertem Vorderradantrieb zieht der Actros mühelos die Steigung hinauf. Als Anfahrhilfe reicht HAD also locker aus. Mit 38 Tonnen nahezu ausgeladen das gleiche Spiel: Anfahren in der Steigung – die Räder graben sich ein. HAD zugeschaltet: Die Fuhre zieht an und packt die Steigung. Die Radnaben-Motoren sind dabei gut zu hören aber weit weniger präsent als etwa bei der Alternative von SAF. Der Achsenhersteller bietet ebenfalls die Hydro-Motoren für die letzte Achse am Kipp-Auflieger an. In einer Kombination mit Schwarzmüller Kipper und Scania Zugmaschine haben wir das schon mal gefahren. Ergebnis: Funktioniert. Ist aber auch deutlich lauter als dieser HAD-Antrieb.

Uns interessiert aber noch mehr, wie sich der Fliegl-Revolution auf der Straße benimmt. Das Fahrniveau eingestellt und abgespeichert machen wir uns auf den Weg. Zuerst ein Stück Autobahn, dann zurück nach Triptis über die B2. Für mich überraschend: Der Trailer ist praktisch nicht zu spüren. Man muss schon in die weitwinkligen Spiegel-Monitore schauen, um sich zu vergewissern, ob das Leichtgewicht überhaupt noch da ist. Auf der Autobahn glänzt der Revolution mit tadellosem Geradeauslauf, auf der anspruchsvolleren Bundesstraße hält er sich vornehm mit Eigenlenk-Reaktionen aufs Zugfahrzeug zurück. Das hatten wir schon mal anders erlebt: Mit einem Volvo FH vorne dran und voll luftgefedert stellten wir damals ziemlich unangenehme Eigenlenk-Reaktionen vor allem beim einseitigem Einfedern fest

Nichts von alledem bei dieser Kombination: Der Actros schnürt völlig unbeeinflusst vom Trailer über Schlechtweg-Passagen, keinerlei Störungen dringen vom Chassis nach vorne durch. Der Revolutionär zirkelt brav durch die Kreisverkehre, ein bisschen einlaufen ist mit drei starren Achsen normal und wird mit etwas Ausholen leicht kompensiert. Das Laufverhalten ist nicht nur völlig unproblematisch. Ich würde sogar meinen, es ist vorbildlich. So viel Steifigkeit mit so wenig Material zu erzielen, das verdient Applaus.rod