von Claus Bünnagel
Die Buswelt verändert sich mit dem flächendeckenden Einzug der Elektromobilität in den ÖPNV. Und auch für den Bustester wird manches neu. Vorbei die Zeit, als man mit dem Dieselbus einfach an der Tankstelle vorfuhr und in wenigen Minuten den Tank füllte. Nun braucht es einen Partner aus der Branche, um einen E-Bus wie den Mercedes-Benz eCitaro mit Energie zu versorgen. Zum Glück für mich als busplaner-Tester gibt es mit den Stadtwerken Bonn (SWB) ein nahes kommunales Unternehmen, dass dem Thema der Buselektrifizierung sehr aufgeschlossen gegenübersteht. Gerade erst verkündeten die SWB, vier Solobusse von Ebusco und drei Gelenkbusse von Solaris anschaffen zu wollen.
Doch die Tücken im Detail zeigen sich oft erst vor Ort. So hatten die Daimler-Mitarbeiter zwar gleich zwei mobile Ladegeräte dabei. Aber es erwies sich schnell, dass das 133-A-Gerät des polnischen Herstellers Ekoenergetyka mit maximaler Leistung von 80 kW nicht einzusetzen war. Denn das in der SWB-Werkstatt vorhandene Adapterkabel war im Durchschnitt zu schmal und erhitzte sich beim Ladeprozess bedrohlich. So griffen wir auf das dreiphasige 40-kW-Ladegerät von Heliox mit max. Ladestromstärke von 63 A zurück. Mit ihm dauerte die Energieversorgung des Busses länger, war aber sicher. So fuhren wir mit nicht ganz vollen Batterien los.
Während der eigentlichen Testfahrt war außerdem eine detaillierte Software nötig, die alle Verbrauchsparameter differenziert aufsplittete und sie wie in diesem Fall auf einen Rechner sowie sogar auf den 29“-TFT-Infotainmentmonitor des Fahrzeugs aufspielte. So hatten wir alle Daten im Detail jederzeit in Echtzeit vor Augen – vom Momentanverbrauch über die Aufschlüsselung in die Teilwerte Traktion und Nebenverbraucher bis hin zu den Umrechnungen auf den 100-km-Durchschnitt.
Wirtschaftlichkeit im Fokus
Die Wirtschaftlichkeitsberechnung soll deshalb auch im Mittelpunkt dieses Testberichts stehen – haben wir das Fahrzeug in den vergangenen anderthalb Jahren ja schließlich schon in drei Berichten ausgiebig vorgestellt. Um auch die Vergleichbarkeit zum Dieselbus zu ermöglichen, schickten wir den eCitaro natürlich über die exakt gleiche Teststrecke durch die Bonner City wie üblicherweise, mit insgesamt 101 Haltestellenstopps à zehn Sekunden und Türöffnung.
Wir starteten mit vorkonditioniertem Fahrzeug. Während die Temperatursensoren im Innern 23,5°C maßen, lag die Außentemperatur morgens um 9 Uhr bei 17,5°C. Das Aufheizen im SWB-Betriebshof in Bonn-Friesdorf wäre an diesem Tag eigentlich nicht notwendig gewesen, denn die Außentemperaturen stiegen im Tagesverlauf weiter an. Das System ist allerdings automatisiert und regelt die Temperatur im Depot höher ein als die vom VDV vorgeschlagenen 18°C, um auf der Strecke so wenig wie möglich zuheizen zu müssen.
Jedoch sorgte die allmählich zunehmende Sonneneinstrahlung bis zum Nachmittag dafür, dass sich die Umgebung bzw. das Fahrzeuginnere noch auf 28°C bzw. 27°C aufluden – etwas zu viel im Bus für einen komplett schweißfreien längeren Aufenthalt wie in unserem Fall, jedoch kein Grund offensichtlich für das Temperaturmanagement des eCitaro, stärker regelnd einzugreifen. Offensichtlich lagen diese Werte noch innerhalb des vom System anvisierten Klimabands. So blieb der Anteil der Nebenverbraucher am Gesamtenergiekonsum des E-Busses den ganzen Tag auf niedrigem Niveau und bewegte sich im Bereich zwischen 8 und 14 %, mit einem Durchschnitt nach 56 km von 12,78 %.
Das ist ein Wert ganz am unteren Ende der Skala. Bei Außentemperaturen im Winter von -10°C und tiefer ist durchaus damit zu rechnen, dass der Verbrauch der Nebenverbraucher und im dem Fall vorwiegend der CO2-Wärmepumpe einen Anteil von 50 % und sogar noch darüber hinaus am gesamten Energieverbrauch des Fahrzeugs erreichen kann.
Rekuperation als wichtige Verbrauchsgröße
Fleißig maßen wir natürlich auch die Verbrauchswerte für die Traktion. Es zeigte sich, dass sie je nach Profil der Strecke deutlich schwankten. Im Vorortverkehr, SORT 3 vergleichbar, lagen sie bei niedrigen 70,9 kWh/100 km, also 0,71 kWh pro Kilometer – auch angesichts der Zuladung von 3,1 t auf rund 88 % des max. zul. GG ein sehr gutes Ergebnis. Im leichten und schweren Stadtverkehr, SORT 2 und 1 vergleichbar, bewegten sie sich zwischen 87,4 und 81,6 kWh/100 km. Interessant an diesen Zahlen: Im schweren Stadtverkehr rangierte das Verbrauchsergebnis erstmals bei unserem standardisierten Bustest unter dem im leichten Stadtverkehr. Auf diesen Abschnitten mit niedriger Durchschnittsgeschwindigkeit und kurzen Haltestellenabständen konnten wir über die Rekuperation mit einer Leistungsspanne bis zu 250 kW, wobei der Generator immer der Betriebsbremse vorgeschaltet ist, offensichtlich einiges an Energie zurückgewinnen.
Insgesamt bemühten wir uns aber, möglichst viel im idealen Modus zu „segeln“, also so wenig wie möglich die Pedale zu bedienen, auf diese Weise energiefressende Wechsel im Fahrmodus zu vermeiden und möglichst oft das Fahrzeug rollen zu lassen, um die eingesetzte Power optimal nutzen zu können. Und dennoch waren wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von insgesamt 19,18 km/h recht flott unterwegs – gut 2 km/h über den üblichen Werten mit Diesel- oder Hybridbussen. Ob es am verhältnismäßig niedrigen Verkehrsaufkommen am Testtag, einem Sonntag, lag? Oder an der flotten Beschleunigung mittels der beiden radnabennahen Drehstrom-Asynchronmotoren mit eingeregelten max. 1,2 m/sek2 bis 30 km/h und 0,8 m/sek2 bei höherem Tempo? Beides dürfte wohl im Endeffekt eine Rolle gespielt haben.
Doch zurück zum Thema Verbrauch. Erwartungsgemäß am höchsten fiel der Stromkonsum auf dem Testabschnitt hinauf auf die Rheinhöhe in den Bonner Ortsteil Heiderhof und wieder hinunter aus. Hier erzielten wir einen Schnitt nur für die Traktion von 96,3 kWh/100 km. Insgesamt, also mit dem Stromkonsum der Nebenverbraucher, schlug nach 55,9 km ein Ergebnis von 95,10 kWh/100 km zu Buche, pro Kilometer also von 0,95 kWh.
Bevor allerdings der erste Fuhrparkleiter in Begeisterung ausbricht und eine mögliche Reichweite von 245 km errechnet, sei einschränkend gesagt: Unser Test lief unter für einen E-Bus praktisch idealen Vorzeichen ab – kaum Thermomanagementbedarf und guten Verkehrs- und äußeren Bedingungen. An harten Wintertagen – und die Minimalreichweite eines E-Busses ist schließlich die entscheidende Messgröße für seine Einsatzmöglichkeiten – fällt ein Heizbedarf von bis zu 0,55 kWh/km an, und das nur, wenn eine CO2-Wärmepumpe auf dem Dach montiert ist. Elektroheizer benötigen noch erheblich mehr Energie.
Ladeverluste von nur 5,67 %
Hinzu kommen die Ladeverluste: Wir maßen alleine 5,67 % von der Steckdose zum kleinen Ladegerät – ein stärkeres hätte durch die größere Wärmeentwicklung vermutlich noch höhere Prozentzahlen aufgewiesen. Hinzugerechnet werden müssen noch die Stand-by-Verluste des Busses während des Ladevorgangs und der Bedarf für die Vorkonditionierung. Zusammen macht dies sicherlich im Schnitt mindestens 10 bis 15 % aus. 0,10 bis 0,14 kWh/km müssen also dafür noch addiert werden, ebenso 0,2/km kWh für die womöglich schlechteren Wetter- und Straßenbedingungen sowie den Winterreifeneinsatz. Macht alles zusammen unter widrigsten Bedingungen 1,8 bis 1,85 kWh/km, was abzüglich der Ladeverluste und der Vorkonditionierung, die zwar finanzielle, aber nicht reichweitenrelevante Einflussgrößen bilden, eine Minimalreichweite von 130 bis 135 km bedeutet. Diese kann man allerdings noch deutlich erhöhen durch einen optionalen fossilen Zuheizer.
Andersherum muss man aber auch konstatieren, und das ist ein wichtiges Ergebnis unseres Tests, dass man den eCitaro die meiste Zeit des Jahres mit Verbräuchen zwischen 0,9 und 1,3 kWh/km bewegen kann, was einer Reichweite von 180 bis 260 km entspricht. Zum Vergleich: Ein Diesel-Citaro mit einem Treibstoffkonsum von bei guten Bedingungen 42 l/100 km benötigt für 100 km bei einem Dieselbrennwert von 10,4 kWh/l einen Energieeinsatz von 437 kWh, also 4,37 kWh/km. Nur etwa ein Viertel davon wird also in Vortrieb umgesetzt, der Rest geht bei kälteren Temperaturen in die Heizung bzw. verpufft ungenutzt.
„Treibstoff“-Kosten: Strom schlägt Diesel
Was die reinen „Treibstoffkosten“ angeht, erweist sich ein E-Bus wie der eCitaro ebenfalls als deutlich günstiger gegenüber dem Dieselpendant. Rechnet man Stromkosten von 12 bis 18 ct/kWh für Stromerzeuger oder -bezieher, dann kosten 100 km bei einem Verbrauch von im Jahresschnitt rund 1,3 kWh/km ca. 15,60 bis 23,40 Euro. Bei Jahresleistungen pro Bus von 60.000 km liegen die Ausgaben für den benötigten Strom zwischen 9.350 und gut 14.000 Euro. Zum Vergleich der Dieselbus: Bei einem Großhandelspreis von im September 1,02 Euro/l und einem Verbrauch von günstig gerechnet 42 l/100 km betragen die Aufwendungen für den Sprit rund 25.700 Euro im Jahr.
Der eCitaro spart also im Jahr zwischen 11.700 und 16.350 Euro bei den Energiekosten. Auf zehn Jahre gerechnet sind das zwischen 117.000 und 163.500 Euro – immerhin genug für die Finanzierung einer Wechselbatterie nach einem Zeitraum zwischen acht bis zwölf Jahren. Die Kapitalmehrkosten bei der Anschaffung von Fahrzeug und Ladeinfrastruktur können allerdings nicht aufgewogen werden.
Bis zu 563.000 Euro netto kostet ein eCitaro mit dem 292-kWh-Batteriepaket – ein vergleichbarer Diesel-Citaro etwa 240.000 Euro. Werden 80 % der Mehrkosten gefördert, also rund 258.500 Euro, bleibt das Verkehrsunternehmen immer noch auf 64.500 Euro plus den ebenfalls teilweise förderfähigen Investitionen in die Infrastruktur sitzen. E-Bus-Mobilität ist also eine gesamtgesellschaftliche Frage: Bund, Länder und Kommunen, aber auch die Steuerzahler müssen bereit sein, in die Mobilitätswende zu investieren – auch über die bisherigen Förderquoten hinaus. Erhöht man allerdings die Einsatzzeit der Fahrzeuge im Fuhrpark auf 15 Jahre, lassen sich womöglich auch diese Zusatzkosten hereinfahren – eine ernsthafte Überlegung ist das sicherlich wert. ■
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