Elektromobilität: Auf der Smartroad unterwegs

Schweden hat sich zu einem Zentrum für die Erprobung von eRoads für Lkw und Busse entwickelt. Die heimische Verkehrsverwaltung hat jetzt ihre vierte Pilotstrecke in Betrieb genommen, diesmal mit induktiver Technologie.

Die eRoad zwischen der Stadt Visby und dem Flughafen Visby.
Die eRoad zwischen der Stadt Visby und dem Flughafen Visby.
Redaktion (allg.)

Bisher hat die schwedische Verkehrsverwaltung nur leitfähige ERS (elektrische Straßensysteme) ausprobiert. Sie basieren auf einem direkten Kontakt zwischen der Stromquelle und dem Fahrzeug, beispielsweise über eine Freileitung zu einem Stromabnehmer im Lkw oder Bus. Der Strom kann auch von einer Schiene in oder auf der Straße zu einem unter dem Fahrzeug montierten mobilen Empfänger übertragen werden.

Das neue ERS wird auf der schwedischen Insel Gotland gebaut. Zum ersten Mal wird nun ein umfassender Test der induktiven Technologie auf einer öffentlichen Straße durchgeführt. „Smartroad Gotland“ heißt dieses Projekt, das auf der Straße zwischen der Stadt Visby und dem Flughafen Visby verläuft. Die eRoad wird von einem großen Lkw und einem Flughafentransfer-Shuttle genutzt und bis zum Frühjahr 2022 drei Jahre lang getestet. Die Technologie wurde von der israelischen Firma Electreon Wireless mit Sitz in Tel Aviv entwickelt, das Gotland-Projekt wird jedoch von der schwedischen Tochtergesellschaft Electreon AB betrieben.

Neben der Smartroad Gotland demonstriert Electreon sein ERS auch an anderen Orten. In Deutschland hat Electreon mit dem Energieunternehmen EnBW eine Vereinbarung über den Bau von drei Projekten getroffen. Das erste soll Anfang 2021 in Baden-Württemberg auf einer Privatstraße innerhalb des EnBWGeländes errichtet werden. Die beiden anderen Teststrecken werden auf den Transportrouten öffentlicher Verkehrsmittel verlegt. In Tel Aviv läuft bereits ein Projekt an, das ab Sommer 2020 einen Bus über eine eRoad im Universitätsgelände der Innenstadt betreiben soll.

„Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit unseres Systems zu demonstrieren und zu zeigen, dass die Installation im Vergleich zu leitfähigen Systemen noch kostengünstiger sein kann“, sagt Stefan Tongur, Business Development Manager von Electreon AB. Er betont die Vorteile der induktiven Technologie. Insbesondere gehe es darum, dass sie einen Luftspalt zwischen der Stromquelle und dem Fahrzeug ermöglicht. Somit ist die Technologie nicht empfindlich gegenüber Schnee, Eis, Kies oder Kieselsteinen auf der Straße. Ein weiterer Vorteil seien die unbeweglichen Teile. Unter dem Fahrzeug sind ein oder mehrere Empfänger (je nach Größe und Energiebedarf des Fahrzeugs) montiert. Die Stromquelle basiert auf Kupferspulen, die in Gummisegmente eingebettet sind. Diese sind unter dem Asphalt positioniert. Das bedeutet, dass die Fahrbahnoberfläche intakt bleibt und unansehnliche Strommasten vermieden werden können.

Tongur erklärt: „Der Wirkungsgrad von Smartroad variiert zwischen 87 Prozent und 92 Prozent von den Ladespulen bis zur Batterie im Fahrzeug. Vielleicht ist das etwas niedriger als bei leitenden Systemen, es gibt aber keine große Differenz. Wir können sogar einen Luftspalt von bis zu 24 Zentimetern ohne Effizienzverlust bewältigen“.

Die Installation von induktiven Systemen gilt im Vergleich zu leitenden Systemen allgemeinhin als erheblich teurer. Tongur sieht die neue Lösung jedoch als durchaus konkurrenzfähig. Das liege nicht am Fortschritt der eingesetzten Induktionstechnologie, sondern an der Art und Weise, wie diese bei der eRoad genutzt wird: „Die Lösung von Electreon wurde von Anfang an nach industriellen und großangelegten Maßstäben entwickelt. Im Gegensatz zu früheren induktiven Systemen, die auf statischer Aufladung basieren, verwenden Smartroad-Fahrzeuge eine dynamische Aufladung. Das bedeutet, dass sie sich während der Fahrt aufladen.“

Auf diese Weise benötige ein Fahrzeug weniger teuren Batteriespeicher und die Transportreichweite werde erhöht. Darüber hinaus seien die Kupferspulengummiteile einfach herzustellen. Sie erfordern laut Tongur keine größere Störung der Straßenoberfläche während der Installation.

Jan Pettersson, Programmmanager für ERS bei der schwedischen Verkehrsverwaltung, stimmt Tongur zu, dass induktive Lösungen jetzt im Preis mit leitfähigen zu konkurrieren scheinen: „Natürlich werden wir das Smartroad-Projekt akribisch überwachen. Unter anderem überprüfen wir die Leistungsfähigkeit des Systems in realen Verkehrssituationen und untersuchen, ob die vom drahtlosen System erzeugten elektromagnetischen Felder negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben.“

Nach Aussage von Tongur kann eine Straßenbaumaschine für die Installation der Kupferspulen speziell ausgestattet werden, um alle erforderlichen Schritte mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Kilometer pro Nacht auszuführen. Die Maschine fräst ungefähr eine 100 Zentimeter breite und zehn Zentimeter tiefe Rille in den Asphalt. Die zwei Zentimeter dicken Spulen werden eingesetzt, danach bringt die Maschine acht Zentimeter Asphalt auf. Der Asphalt ist dick genug, um eine Erneuerung der Fahrbahnoberfläche zu ermöglichen, ohne die Segmente zu zerstören, sodass eine lange Lebensdauer gewährleistet ist.

Smartroad Gotland ist Teil der vorkommerziellen Anschaffung der schwedischen Verkehrsverwaltung, die 2013 startete. Dazu gehört auch der eHighway E16 von Siemens außerhalb von Sandviken, die e-Road Arlanda zum Flughafen von Arlanda und die Evolution Road, die im südschwedischen Lund getestet wird. Bisher galt die Ausschreibung für kurze Teststrecken von maximal zwei Kilometern.

„In der nächsten Phase werden zwei der Projekte ausgewählt, um jeweils eine Pilotstraße mit einer Länge von 25 bis 30 Kilometern zu bauen“ sagt Pettersson. Die Wahl der geeigneten Technologie werde Ende 2020 getroffen. Pettersson: Wir erwarten, dass die fertigen Vorführobjekte 2023 eröffnet werden“.

Die Pilotprojekte sollen Fragen beantworten. Zum Beispiel, wie den Benutzern die Fahrt in Rechnung gestellt werden soll, welches Geschäftsmodell geeignet ist, wie Strom bereitgestellt werden soll, wem die eRoads gehören oder auch wie die Nutzer die eRoads erleben und welche Auswirkungen diese auf Natur und Kultur haben können.

„Das Ziel der eRoads besteht hauptsächlich darin, die Emissionen fossiler Brennstoffe beim Schwerverkehr zu senken. Wenn acht Prozent – also rund 3.000 Kilometer – der schwedischen Straßen elektrifiziert würden, würden die fossilen Emissionen des Lastverkehrs um etwa 50 Prozent sinken“, meint Pettersson.

Schweden, Deutschland und Frankreich sind die drei an der Spitze der e- Road-Entwicklung stehenden Länder der EU. Sie arbeiten in Forschung und Entwicklung zusammen. Die Lösungen, über die sich die drei Länder einig sind, könnten zu einem europäischen e-Road-Standard führen.

Lars Edling, freier Journalist in Schweden. Aus dem Englischen übersetzt von Radosveta Angelova.

Der Artikel erschien in der 2020er Ausgabe des Magazins VISION Transport.