Eine Idee nimmt Fahrt auf

In einem Pressegespräch attestieren Wissenschaftler dem Hybrid-Oberleitungs-Lkw eine gute Wirtschaftlichkeit, aber auch noch Hürden bei der Einführung. Eine gute Nachricht ist, dass inzwischen auch grenzüberschreitende Test mit Schweden beginnen und Italien eine Teststrecke in der Lombardei plant.

In Schleswig-Holstein hat die Spedition Bode ihre Fahrtests auf der A1 bereits begonnen und will nun auch auf der Fähre gen Schweden übersetzen. Bild: Siemens
In Schleswig-Holstein hat die Spedition Bode ihre Fahrtests auf der A1 bereits begonnen und will nun auch auf der Fähre gen Schweden übersetzen. Bild: Siemens
Christine Harttmann

Bei der Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs könnten Oberleitungs-Lkw Teil einer Lösung sein. Das zumindest ist die Einschätzung von Florian Hacker. Er forscht beim Öko-Institut in München zu nachhaltiger Mobilität und hat erst im Februar eine Studie zu ebendiesem Oberleitungs-Lkw veröffentlicht. Unter den CO2-freien Antriebssystemen sei der elektro-Lkw die im Vergleich sowohl zu synthetischen Kraftstoffen als auch zur Brennstoffzelle effektivste Alternative, berichtete der Wissenschaftler in einem Pressegespräch, zu dem das Baden-Württembergische Verkehrsministerium geladen hatte. Die Politik wollte damit einen Debattenbeitrag leisten zum eWayBW-Projekt im badischen Murgtal. Der Ausbau der vier Kilometer langen Teststrecke für Oberleitungs-Lkw soll noch im Juni starten.

Dem Pilotprojekt an B 462 bei Gaggenau kommt eine besondere Bedeutung zu, weil es als bisher einziges die Technik des sogenannten eHighways im Bereich einer Bundesstraße testet. Die beiden anderen Teststrecken in Deutschland verlaufen entlang breiter und relativ gerader Autobahnstrecken. Sie unterliegen somit völlig anderen Bedingungen, als die Strecke im Murgtal mit ihren engen Kurven, unterschiedlichen Straßenradien und mehreren Kreuzungsbereichen. Die Bundesstraße B 462 bietet somit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine hervorragende Spielwiese, um die Oberleitungstechnik auch in schwierigem Gelände zu erproben. Die Forscher wollen dort wertvolle Erkenntnisse darüber gewinnen, ob und wie sich die Oberleitungstechnik auch schwierigem weil bergigem Gelände und auf weniger breiten Straßen eignet.

„Der Ausbau entlang der Autobahn ist einfacher, als an der Landstraße mit ihren beengten Platzverhältnissen“, analysiert Martin Wietschel, Experte beim Fraunhofer Institut in Karlsruhe, das im Pilotversuch die wissenschaftliche Begleitforschung leitet. Der Wissenschaftler arbeitet an einer ganzen Reihe von Projekten zur Dekarbonisierung des Lkw-Verkehrs. Er hob im Pressegespräch hervor, dass die Technik im Vergleich zu anderen besonders wirtschaftlich sei – ein Fakt, der gerade in der Logistik mit ihren eher niedrigen Margen eine besondere Rolle spielt.

Effizient elektrisch

Das liegt auch daran, dass der elektrisch getriebene Lkw, bei der Betrachtung des Energieverbrauchs, die bisher effizienteste Art der Dekarbonisierung im Verkehr ist – laut Hacker vom Öko-Institut liegt der Wirkungsgrad des batterieelektrischen oder oberleitungsgebundenen e-Lkw bei 73 Prozent gegenüber 31 Prozent bei der Brennstoffzelle oder 21 Prozent im Falle einer Substitution des Dieselkraftstoffs durch eFuels. Der e-Lkw mit Batterie oder Oberleitung verspreche daher höchste Effizienz bei gleichzeitig geringstem Strombedarf, erklärt Hacker. Dass dann aber zumindest auf der Langstrecke die Oberleitung die bessere Alternative ist – in diesem Punkt sind sich beide Wissenschaftler einig. Die langen Standzeiten, die nötig wären um große Batterien aufzuladen, würden entfallen, erklärt Hacker.

Allerdings – bisher ist der Oberleitungs-Lkw ein Exot unter den Exoten. Bis er in größeren Stückzahlen fahren kann ist also noch viel Forschungs- und Überzeugungsarbeit nötig. Einen Beitrag dazu soll der Pilottest im Murgtal leisten. Während nämlich auf den beiden Autobahnstrecken der Anteil der Oberleitungs-Lkw am gesamten Verkehrsaufkommen eher marginal ist, soll auf der B 462 zwischen Kuppenheim und Obertsrot 128-mal am Tag ein solches Fahrzeug passieren. Damit würden mehr als zehn Prozent aller Lkw-Fahrten im Murgtal durch Oberleitungs-Lkw ersetzt. Eine parallel verlaufende Bahnstrecke soll zudem einen direkten Vergleich mit dem Schienengüterverkehr ermöglichen. Im Fokus stehen die Verbesserungen bei den Lärm- und Schadstoffemissionen. Im Vergleich zu Untersuchungen des Fernverkehrs auf Autobahnen verschiebt eWayBW den Fokus also stärker auf Shuttleverkehre im Nahverkehr.

Grundlage ist die von Siemens entwickelte eHighway-Technologie. Sensoren im Dach der sogenannten Hybrid-Oberleitungs-Lkw (HO-Lkw) erkennen, wenn das Fahrzeug unter einer Oberleitung ist. Die eingebauten Stromabnehmer werden dann im fließenden Verkehr ausgefahren, stellen einen Kontakt zur Oberleitung her und versorgen den Elektromotor des Lkw mit Strom. Außerhalb von Oberleitungen übernimmt dann ein alternativer Antrieb, wie Diesel, Brennstoffzelle oder Batterieelektrisch.

Hacker setzt auch deswegen so auf die Technik, weil für ihn der hohe Handlungsdruck im Straßengüterverkehr außer Frage steht. „Treibhausgasminderungen im Verkehr sind wichtig“, mahnte er. Denn wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, muss es bis 2030 den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor um 40 Prozent mindern. Der Straßengüterverkehr, vor allem aber die Last- und Sattelzüge im Fernverkehr, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Immerhin ein Drittel der Emissionen im Verkehrsbereich stammen vom Straßengüterverkehr, davon wiederum entfallen 60 Prozent auf die Last- und Sattelzüge.

Kaum Verbrauchskosten

Hacker ist überzeugt, dass mit Oberleitungs-Lkw ein wichtiges Etappenziel zur Einhaltung der Klimaziele erreicht werden kann. Bereits mit dem jetzt aktuellen deutschen Strommix sei der Klimavorteil gegenüber dem Diesel-Lkw signifikant. Bis 2025 erwartet er beim Oberleitungs-Lkw einen deutlichen Vorteil von etwa 46 Prozent. Und auch was die Kosten angeht, stünde er nicht schlecht da. Bei einer angenommenen Fahrleistung von 120.000 Kilometern pro Jahr würden sich, so rechnet Hacker vor, die Mehrkosten bei der Anschaffung mehr als Amortisieren.

Voraussetzung wäre allerdings, dass die Infrastruktur steht. Aber auch das halten die Wissenschaftler für machbar. Unter der Prämisse, dass 65 Prozent des Lkw-Fernverkehrs auf einem Drittel unseres Autobahnnetzes stattfindet haben sie ein Kernnetz von rund 4.000 Kilometern definiert, das ausgebaut werden müsste. Durchgängig müssen die Strecken dabei nicht elektrifiziert werden, weil die Lkw kürzere Strecken zwischendurch batterieelektrisch, mit Brennstoffzelle oder Verbrennungsmotor fahren können. Allerdings ist, das betonte Martin Wietschel vom Fraunhofer Institut, mittelfristig eine europäische Lösung notwendig. Und auch da scheint sich etwas zu tun. Laut den Aussagen beim Pressegespräch nehmen die Pilottests mit dem Oberleitungs-Lkw europaweit Fahrt auf. Indessen im Juni Baden-Württemberg mit seiner Teststrecke auf der Landstraße eine neue Stufe in der Versuchsreihe zündet, nehmen die Trucks auf dem eHighway in Schleswig-Holstein erstmals das grenzüberschreitende Fahren ins Visier.

Die Spedition Bode will dort mit ihren Lkw per Fähre nach Schweden übersetzen, um ihre Fahrzeuge dann auch in dem europäischen Nachbarland einzusetzen. Österreich und Italien liebäugeln ebenfalls mit der Technik. Während allerdings die uns benachbarte Alpenrepublik erst noch nachdenkt, plant die Lombardei bereits eine erste Teststrecke. Es bleibt also spannend.ha