In die Ferne stromern

Renault setzt die 2017 vorgestellte Technologie um und bringt den Kangoo Z.E., später Master Z.E. mit Brennstoffzelle als RangeExtender. Damit steigt die Reichweite auf 370 und 350 Kilometer. Und der Preisum 15.000 Euro. Man sieht dennoch eine Klientel.

 Bild: Renault/Bernier Anthony
Bild: Renault/Bernier Anthony
Johannes Reichel

Dass die Elektromobilität teuer ist, zumindest bei der Anschaffung, das ist bekannt. Auch dass Wasserstoffmobilität noch teurer ist, weiß man. Wenn man jetzt beides kombiniert, kommt im Zweifel also eine sehr, sehr teure Technologie dabei heraus: 15.000 Euro Mehrpreis zum reinen Stromer, 48.300 Euro für einen CityVan mit knapp vier Kubikmeter Volumen, da muss man erst mal tief durchatmen als kühl kalkulierender Transporteur.

Genau diese Kombination will die Transportersparte von Renault jetzt aber in die Serie bringen: Man koppelt den vorhandenen Elektroantrieb der Z.E.-Modelle mit einer allerdings kleinen, 2x5 kW starken Brennstoffzelle, die als RangeExtender und nicht als direkter Antrieb fungiert. Trotzdem: Warum so viel Aufwand? Weil man bei Renault an das Konzept und Prinzip glaubt und damit zwei wesentliche Verkaufshemmer für die rein batterieelektrischen Fahrzeuge beseitigt: die lange Ladezeit und die geringe Reichweite, die im Winter oder Hochsommer mit Heiz- oder Klimabetrieb nochmal schrumpft.

Reichweite trotz Heizung

Dank der komplett in einer kastenförmigen Einheit samt Wasserstofftank verbauten 10-kW-Brennstoffzelle wird der Radius des Kangoo Z.E. von ordentlichen 230 auf 370 Kilometer geboostet, entsprechend zusätzlichen 29,7 kWh an Energie, genug für Mittelstrecke. Oder für Anwendungen, wie man sie erstmals vor zwei Jahren auf der Solutrans in Lyon mit Lamberet vorführte: ein emissionsfreies Kühlfahrzeug mit Elektro-Fuel-Cell-Kombi. Hier ist genug Leistung vorhanden, um die Kühlanlage zu betreiben respektive die Heizung: Auch die thermische Leistung beträgt fünf Kilowatt, die Wärme wird aus der Brennstoffzelle abgenommen. Sie entsteht ohnehin bei der Umwandlung von Wasserstoff zu elektrischer Energie, wie ein Ingenieur uns bei der ersten Probefahrt erklärte, die wir im Rahmen des „International Van of the Year“ unternahmen.

Die Fuel Cell arbeitet völlig geräuschfrei im Hintergrund und ab 80 Prozent Batterieladestand parallel mit und kann im Notfall, etwa um eine Ladesäule zu erreichen, mit niedrigem Tempo selbst komplett den Vortrieb übernehmen. Ist die Batterie leer, lässt sich diese komplett von der Fuel Cell aufladen – als mobile Ladestation sozusagen. Eine spannende Rechnung: Derzeit kostet das Kilo Wasserstoff 9,50 Euro, die Kilowattstunde Strom an der Ladesäule mindestens 30 Cent. Womit der Nutzer in etwa „pari“ landet bei der Frage: Lasse ich die Fuel Cell aufladen oder die Säule?

Schnell aufladen mit H2

Der Antrieb selbst arbeitet diskret, sendet ab und zu mal ein Signal aus dem kleinen seitlich abgeleiteten Auspuffröhrchen: Ein paar Wolken Wasserdampf, das ist alles, was im Elektrolyseprozess übrig bleibt. Ansonsten beträgt sich der Kangoo Z.E. Hydrogen genauso wie sein batterieelektrischer Plattformspender: zügiger Antritt, ausreichend nachdrückliche Beschleunigung, flüsterleiser Lauf, unkomplizierte Handhabung. Lediglich ein Zusatzdisplay auf den Armaturen vom Renault-H2-Partner und Fuel-Cell-Lieferant Symbio (eine Michelin-Tochter) weist auf das Hightech-Paket hin.

Ach so, und die formal 100 Liter große Kiste an der Trennwand. Der 74 Liter große Komposittank fasst 1,8 Kilo Wasserstoff, die mit 350 Kilometern schnell gebunkert sind. Das Mehrgewicht des Systems beträgt etwa 120 Kilo, dem leer 1,7 Tonnen schweren 2,2-Tonner bleiben 540 Kilo Nutzlast. Anschließend an den Tankvorgang würde eine komplette Batterieladung nur zehn Minuten dauern, in fünf Minuten sind die Betriebsbatterien mit Energie für 150 Kilometer versorgt.

E-Master für Mittelstrecke

Beim Master Z.E. Hydrogen, der dem für Ende 2019 angekündigten Kangoo Z.E. Hydrogen dann tatsächlich Mitte 2020 folgen soll, wächst der Radius dank zweier mittig unterm Laderaumboden angebrachten Hydrogentanks (106 Liter) mit 2,1 Kilogramm bei 700 bar auf 350 Kilometer. Das entspricht zusätzlichen 56 kWh zu den 33 kWh-Speichern, die eher knapp bemessene 120 Kilometer (WLTP) ermöglichen, allerdings auch real in unserem ersten Test. Beim Master gleicht der Hersteller den Nutzlastverlust mittels Erhöhung des Gesamtgewichts von 3,1 auf 3,5 Tonnen aus, womit 1,2 Tonnen bleiben. Außerdem soll es den Master neben dem Kastenwagen auch als Fahrgestell jeweils in zwei Längen geben, was Ladevolumina von 10,8 bis 20 Kubikmeter (Kofferaufbau) ermöglicht.

Trotz der rasanten Entwicklung bei der Batterietechnologie: Mit dem H2-Herz qualifiziert sich der 200 Kilo schwerere Master Z.E. Hydrogen natürlich auch für weitere Aufgaben – oder muss eben eine City-Arbeitswoche lang nicht getankt oder geladen werden, ein klarer Handlingvorteil, weil man als Gewerbetreibender nicht auf Ladeinfrastruktur angewiesen ist. Auf eine H2-Zapfstelle allerdings schon: Hier wächst derzeit in Deutschland das Netz – gerade in den Ballungsräumen – auf akzeptables Niveau, bis Ende 2019 soll es knapp 100 Anlagen geben.

Letzteres ist dem Hersteller wichtig zu betonen. Denn um wirklich eine „nachhaltige“ Antriebslösung zu sein, darf der Wasserstoff natürlich nicht wie heute meist aus Erdgas produziert werden. „Die Kapazität für entkarbonisierten Wasserstoff wächst, die Industrialisierung der Elektrolyse schreitet voran“, wirbt Denis le Vot, Leiter der Renault-Nissan-LCV-Sparte, für das Konzept und verweist auf Skaleneffekte, die die Kosten senken könnten. Der Z.E. H2 sei eine strategische Entscheidung und man wolle den Kunden alle Optionen bieten, so Le Vot.

Großversuch in Frankreich

Ob es sich trotz des hohen Preises rechnet, kommt drauf an, etwa auf die Förderung. Der Zufall will es, dass etwa der französische Staat Hydrogen-Projekte mit bis zu 16.000 Euro pro Fahrzeug fördert, in den Departements Normandie, Île-de-France und Rhônes-Alpes gibt es lokale Förderung im Rahmen von Pilotprojekten. In letzterer Region läuft ein Großversuch „Zero Emission Valley“ (ZEV) mit 15 Elektrolyseuren, 20 H2-Tankstellen und 1.000 Fahrzeugen an.

Und natürlich sollen die Fahrzeuge die Servicekostenvorteile eines E-Antriebs mitnehmen. Allerdings muss die Fuel Cell extra alle zwei Jahre von zertifizierten Symbio-Werkstätten geprüft werden, etwa der H2-Kreislauf im Fahrzeug, die Funktion der Brennstoffzelle oder der Ersatz des Entionisierungsfilters und der Flüssigkeit. An 200 Fahrzeugen, noch mit dem alten 22-kWh-Akku, haben die Ingenieure das System im realen Gewerbeeinsatz getestet. Dennoch: Da ist ein reiner E-Antrieb doch noch anspruchsloser. Und er wird mit jeder Batteriegeneration besser. Johannes Reichel

Kommentar – Meist genügt ein reiner Stromer

Ein CityVan für 48.000 Euro, meinen die das ernst? Durchaus, denn die Renault-Ingenieure haben sich als E-Pioniere intensiv mit den Nachteilen der Batterie-Vans befasst. Doch mit der Beseitigung der „Bremsfaktoren“ Reichweite und Ladedauer handelt man sich Nachteile ein: beim Kangoo Nutzlast und Volumen, Preis siehe oben. Immer wieder verweisen die Verantwortlichen bei E-Fahrzeug-Präsentationen darauf, dass die meisten auch gewerblichen Anwender kaum über 80 Kilometer täglich zurücklegen, etwa in der City-Belieferung. Dafür tut es ein reiner BEV mit 120 (Master) oder 230 km (Kangoo) Reichweite. Ob es sich in Anbetracht der rasanten Entwicklung bei den Batterien um eine „Brückentechnologie“ handelt oder die Kombi BEV+FC langfristig eine Basis hat, wird der Markt zeigen. Eine Bereicherungder Technologiedebatte ist das Konzept allemal. jr