Ein Autohof abseits von jeglichem Klischee

Davon, dass ein Autohof längst kein düsteres Ambiente mehr verströmt, kann man sich am Euro Rastpark in Schweitenkirchen überzeugen. Ein Ortsbesuch – kurz vor den Ausgangsbeschränkungen in Bayern.

Foto: Thomas Kreutzmann
Foto: Thomas Kreutzmann
Redaktion (allg.)

„An einen Autohof fahren doch nur Lkw-Fahrer“ – dieses Statement ist längst überholt. So die Meinung von Thomas Kreutzmann, Geschäftsführer von drei Euro Rastparks und einem freien Autohof bei Hilpoltstein. Und tatsächlich, wenn man den Autohof in Schweitenkirchen betritt, merkt man: das ist ein Ort zum Wohlfühlen und Entdecken. Im Eingangsbereich der Shell-Tankstelle begrüßt ein Original-VW-Käfer aus den 50ern die Besucher, an vielen Ecken begegnet man auf Hochglanz polierten Vespas in allen Farben, außen bestaunen holländische Besucher einen Trabbi. Und wer sich hinter den Selbstbedienungsbereich begibt, mag es kaum glauben. Hier kann man in einem schicken Ambiente seine Speisen genießen und sich abends ein Lachsfilet kredenzen lassen. Man sitzt neben einem stylischen Birkenwäldchen oder neben Palmen und einer roten Vespa. Auch einen modernen Konferenzraum kann man mieten. Nur der Ausblick – den kann man leider nicht ändern. Der geht auf ein unspektakuläres Gelände mit Blick auf die nahegelegene A 9 Richtung Nürnberg.

Regional geliefert, frisch zubereitet

Gesund essen auf einem Autohof – das geht! Davon sind Thomas Kreutzmann und sein Koch-Duo überzeugt. Im Gegensatz zu den Raststätten direkt an der Autobahn will sich der Euro-Rast-Pächter abheben, indem er kein Convenience-Food anbietet, sondern indem er ausgebildete Köche individuelle Gerichte aus frischen Zutaten vor den Augen der Besucher zubereiten lässt. Den Gast erwartet eine Art Showküche und er oder sie bestellt direkt beim Koch –„Front-Cooking“ heißt das heute auf „neudeutsch“. Es lohnt sich also tatsächlich, für gutes Essen von der Autobahn abzufahren.
Dass die Currywurst mit Pommes auch hier beliebt ist, verwundert nicht. Und wer bayerische Kost mag, ist in Schweitenkirchen bei Pfaffenhofen auf jeden Fall richtig. Die beliebtesten Tagesessen sind der Schweinsbraten, die Schweinshaxe und das Trucker- Steak. Doch wer möchte, findet genug Auswahl unter mehreren vegetarischen Gerichten. „Seit Frühjahr gibt’s eine Bowl,“ erzählt der stellvertretende Küchenchef Patrick Stiller stolz. Vegetarische Kost ist mittlerweile ganz normal. Ein veganes Angebot an einer Raststätte eher nicht. Küchenchef Michael Pinne und sein Kollege halten sich zugute, immer wieder neue Gerichte zu kreieren. Die Bowl hat man ins Angebot aufgenommen, um speziell eine jüngere Zielgruppe anzusprechen, die sich sonst eher am Subway-Stand tummelt.
Patrick Stiller rät, doch mal das Lachssteak auszuprobieren oder die Kartoffelpfanne. Alle Gerichte werden frisch zubereitet und es werden fast ausschließlich regionale Produkte verwendet. Geschäftsführer Kreutzmann erzählt: „Wir bekommen unser Fleisch vom Metzger, die Backwaren stammen von einer Bäckerei im nahegelegenen Pfaffenhofen, Eier und Mehl sind aus der Region.“ Das und das gewisse Extra machen seinen Autohof zu etwas Besonderem, ist Kreutzmann überzeugt. „Wir sind der Autohof in der Region und wir versuchen, immer einen Tick besser zu sein als der Standard“, betont der Pächter. Stolz ist er, dass er für seine Kunden sogar eine spezielle Kaffeesorte selbst in der nahegelegenen Rösterei zusammengestellt hat. Und darauf, dass seine Mitarbeiter schon lange bei ihm sind. Viele sind schon seit 25 Jahren mit dabei, und Kreutzmann kennt sie, seitdem er den Autohof vor 10 Jahren übernommen hat.

Autohof für alle

Etwa 60 Prozent der Gäste seien tatsächlich die Fernfahrer – so jedenfalls die Situation vor dem Ausnahmezustand. Kreutzmann: „Zu uns kommen junge Leute, Familien mit Kindern, der Monteur, der geschäftlich unterwegs ist, genauso wie Busreisende.“ Natürlich spürt der Pächter die Einbrüche seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen. Insgesamt werden sich wirtschaftliche Einbußen durch die Pandemie nicht vermeiden lassen, bestätigt er. Der Euro Rastpark liegt an der A 9 im Münchner Norden und wird sowohl von Besuchern der Fußballspiele in der Allianz-Arena angesteuert als auch von Messebesuchern. Und er liegt günstig für eine Rast auf dem Weg in den Urlaub nach Österreich und Südtirol. Nicht nur die Messen wurden abgesagt, sondern auch die Skifahrer und Urlauber kommen nicht mehr vorbei, seitdem die Grenzen geschlossen wurden und die Ausgangsbeschränkungen gelten.
Wer dieser Tage noch hierher fährt, sind natürlich die Lkw-Fahrer, die „neuen Helden des Alltags“. Sie machen hier immer noch Station und profitieren von den Sicherheits-Vorkehrungen sowie den hohen Hygienestandards. In Zeiten des Corona-Virus erweist es sich als Vorteil, dass die Handwaschbecken mit berührungslosen Wasserhähnen ausgestattet sind und nach dem Händewaschen kann der Toilettenraum verlassen werden, ohne eine Türklinke berühren zu müssen. Natürlich sind im gesamten Rastplatz Desinfektionsspender aufgestellt.

Sicher und ein bisschen luxuriös

Die Zufahrt zum Parkplatz für die Lkw ist gesichert durch eine Schranke. Die wichtigste Sicherheitsmaßnahme: die 40 Kameras, die zur Überwachung des Parkplatzes dienen. „Man kann also nachvollziehen, sollte ein Diebstahl passieren, wer den Parkplatz verlassen hat. Und er ist nachts gut beleuchtet“, versichert Kreutzmann. Zwar liege die Frauen-Quote bei den Lkw-Fahrern geschätzt bei unter 10 Prozent, aber auch sie finden eigene sanitäre Einrichtungen mit Duschen und Badewanne. Fernfahrer und Fahrerinnen, die nicht im eigenen Truck nächtigen wollen, können eines von 29 Zimmern buchen. Es gibt eine Sauna für alle Gäste.
Wer sich etwas Besonderes gönnen will, bucht das Deluxe-Zimmer – mit eigener Saunakabine und Whirlpool im Bad. Ein bisschen Luxus also, den man in der Nähe der Autobahn so nicht erwartet. Der Preis ist zudem nicht abgehoben. Das Zimmer kostet 150 Euro pro Nacht inklusive einer Flasche Sekt. Das gönnen sich sogar Flitterwochen-Pärchen aus der Umgebung. Kreutzmann hofft, wie jeder von uns auch, dass es diese Gäste sowie „normale“ Besucher auch bald wieder hierher zieht. An einen Ort, den man so nahe an der Autobahn garantiert nicht erwartet.