Köpfe der Branche: Essa al Saleh von Volta-Trucks im Interview
Herr al Saleh: Wie weit sind Sie mit der Produktionslinie für die Volta-Trucks in Steyr?
Al Saleh: Ja, seit kurzem produzieren wir dort den Volta Zero. Drei Jahre nach Gründung der Firma, der Entwicklung und nach vielen Tests haben wir im April dieses Jahres mit der Produktion begonnen. Unser Produktionspartner Steyr Automotive hat uns mit seiner Produktionserfahrung dabei sehr unterstützt. Auf den Bändern wurden ja auch die leichten MAN gebaut, insofern konnten wir sehr von dem Know-How dort profitieren.
Werden die MAN dort immer noch gebaut? Auf dem gleichen Band?
Al Saleh: Ja, aber die beiden haben nichts miteinander gemein. Chassis, Aufbau und die Komponenten sind ja komplett verschieden. Das sind zwei eigenständige Produkte mit keinen gemeinsamen Teilen.
Konnten sie von der Erfahrung und Expertise der angestammten Produktions-Mannschaft profitieren?
Al Saleh: Es war nicht einfach, den richtigen Partner für die Produktion zu finden. Aber schließlich konnten wir den Partner mit der meisten Erfahrung für uns gewinnen. Das hat auch die Risiken entscheidend minimiert.
Klingt nach einem geschmeidigen Start in die Produktion. Gab es dennoch Probleme?
Al Saleh: Da geht es uns wie jedem Start-Up. Obwohl das Fundament hier von Anfang an sehr stark war, gab es doch die üblichen Schwierigkeiten in Sachen Teileversorgung, Taktung und so weiter. Das läuft nie gleich völlig r
Hatten Sie Probleme mit den Lieferketten während der Pandemie?
Al Saleh: Nein, da waren wir noch in der Planungs- und Vorbereitungsphase und beschäftigt mit den Tests der Prototypen.
Wer beliefert Sie mit Batterien für ihre E-Antriebe?
Al Saleh: Die beziehen wir fertig konfektioniert von Proterra aus USA.
Sie haben sich ja sofort auf den 18-Tonner Zweiachser fokussiert und nicht auf einen leichteren Verteiler mit 3,5- oder 7,5-Tonnen Gesamtgewicht. Ist das jetzt ein ‚echter‘ 18-Tonner oder ein 20-Tonner inklusive Bonus für das Batterie-Mehrgewicht?
Al Saleh: Wir starten unser Programm mit zwei Produkten. Zuerst kommen wir mit dem 16-Tonner, drei, vier Monate später dann mit dem 18-Tonner, der im Grunde nur einen längeren Radstand hat.
Wen sehen Sie da als Kunden? Immerhin haben wir zumindest hierzulande ein Führerschein-Problem. Für den 18-Tonner brauchen Sie Fahrer mit einem Lkw-Führerschein der Klasse C. Gerät der Fahrermangel da nicht zum Problem auch für Sie?
Al Saleh: Wir müssen da mal nach den Ursachen für den allgemeinen Fahrermangel fragen. Die zwei wichtigsten sind meiner Meinung nach die allgemeine Wertschätzung und der Ruf des Fahrerberufes in der Bevölkerung: Trucker stören da nur den Verkehr und zerstören die Umwelt, der Servicefaktor durch die Versorgung der Bevölkerung fällt völlig hinten runter. Zweitens spielte und spielt eine hohe Verletzungs- und Unfallgefahr beim Ein- und Aussteigen eine gewisse Rolle. Das allein war für uns Ansporn, dem Fahrer einen sicheren und bequemen Arbeitsplatz zu designen.
Punkt für Sie: Der Ein- und Ausstieg in die Kabine ist absolut gelungen und ähnelt eher dem eines Busses als dem eines klassischen Lkw. Aber trotzdem: Wäre eine leichtere, Transporter-artige Version des Zero mit ähnlichen Handling-Eigenschaften aber hinsichtlich einer besseren Fahrer-Verfügbarkeit nicht überlegenswert?
Al Saleh: Gute Frage – aber die Antwort ist: Nein. Wir fokussieren uns auf den Leicht-Lkw von 7,5 bis 18 Tonnen Gesamtgewicht. Das ist ein Markt, der von den großen OEMs ziemlich vernachlässigt wurde und deshalb für uns eine attraktive Lücke darstellt. Der Volta Zero ist selbst als 18-Tonner extrem wendig wegen des Omnibus-ähnlichen Radstands. Auch in der Stadt. Für die gleiche Nutzlast bräuchten Sie vier bis fünf Dreieinhalbtonner. Das ist eine Frage der Effizienz. Wir erledigen das mit einem Fahrzeug. Von der Anzahl der benötigten Fahrer gar nicht zu reden.
Welche Gewichtsklasse fragt denn Ihre Kundschaft ganz konkret nach?
Al Saleh: Der Einsatz konzentriert sich auf den schweren Verteilerverkehr. Lebensmittel, Getränke, schwerere Pakete wie weiße Ware und so weiter. Mit mehreren Umläufen pro Schicht. Das ist ein riesiger Markt.
Konnten Sie in Deutschland schon Kundengewinnen?
Al Saleh: Klar, der größte ist DB Schenker. Über die nächsten vier Jahren werden wir 1.500 Volta Zero für DB Schenker bereitstellen. DB Schenker ist da sehr ambitioniert was Nachhaltigkeit angeht. Aber auch die Fahrer-Sicherheit, der Komfort das Design war für die verantwortlichen dort sehr attraktiv. Aber wichtig ist für uns natürlich auch die Förderungs-Landschaft in Deutschland
Beim Vertrieb setzen Sie ja nicht auf den Verkauf, sondern auf das Modell „Truck as a Service“. Wie funktioniert das?
Al Saleh: Der Kunde kauft den Lkw nicht, sondern mietet das Fahrzeug und alles, was dazugehört, eben den „Truck as a Service“, bereitgestellt durch uns und unsere Finanzierungs-Partner. Wir wollen unseren Kunden damit den Übergang zur E-Mobilität erleichtern und Risiken minimieren. Welche Risiken meine ich? Das könnte die Zuverlässigkeit betreffen, die Wartung, Einsatz-Sicherheit. Dazu haben wir sieben Servicepakte geschnürt. Dazu gehören der Wartungs- und Servicevertrag, die Finanzierung, Versicherung, die Lade-Infrastruktur mit unserem Partner Siemens, die Kostenerfassung und umfangreiche Telematik-Services. Letztere lassen sich in vorhandene Telematik-Dienste einfach integrieren, so dass hier nicht zweigleisig gefahren werden muss.
Wenn es um Lade-Infrastruktur geht, hören wir verstärkt von Problemen durch zu schwache Netze. Ist das auch für Sie ein Thema?
Al Saleh: Ja, klar. Das ist tatsächlich ein im Moment ziemlich umfassendes Thema, das uns alle in diesen Zeiten des Umbruchs betrifft. Das Stromnetz, die Bereitstellung von grünem Strom, die Lade-Infrastruktur – all das muss sich schleunigst weiterentwickeln. Wenn Sie nach Norwegen schauen: Norwegen ist uns da zehn Jahre voraus. 80 Prozent aller Neufahrzeuge sind dort Elektrofahrzeuge, mehr als dreißig Prozent des Bestandes fährt elektrisch. Und das Netz dort hat kein Problem damit, das funktioniert. Die Realitäten sind je nach Region natürlich verschieden. Hier hast du mehr Wind, dort mehr Strom aus Sonne, Norwegen hat vor allem viel Wasserkraft. Wir verfolgen den Ansatz „return to base“. Wir sehen die Energiegewinnung am liebsten auf den Dächern der Basis, der Hubs, der vielen Hallen, deren Dachflächen immer noch ungenutzt sind.
Aber reicht das in der Praxis? Und ist das für die Firmen nicht teurer?
Al Saleh: Wir sollten uns nicht auf das öffentliche Netz verlassen. Der Eigenanteil an Energiegewinnung hilft enorm und ist alles andere als teuer, selbst wenn relativ kostspielige Batteriespeicher den Tagesertrag nutzbar machen. Das rechnet sich langfristig immer.
Zurück zur Fertigung: Wie viele Volta Zeros können Sie in Steyr produzieren?
Al Saleh: Das Werk in Steyr haben wir für eine Jahresproduktion von 14.000 Trucks ausgelegt. Seit April dieses Jahres produzieren wir und fahren die Produktion langsam von zehn Einheiten im Monat auf 20 bis 50 Einheiten pro Woche hoch – langsam steigernd.
Eine Frage, die ich ihnen seit der Fahrvorstellung in Paris schon immer stellen wollte: Ist der Mittelsitz wirklich eine clevere Idee? Ich meine, der Volta Zero war damit erstaunlich leicht und mit viel Übersicht zu fahren. Aber was, wenn ich ein Ticket an einer Schranke ziehen muss? Dann muss ich als Fahrer jedes Mal aufstehen, die Schwenktür öffnen und ein Ticket ziehen oder stecken. Ist das praxisgerecht?
Al Saleh: Die Mittenposition dient in erster Linie der Sicherheit des Fahrers und des umgebenden Verkehrs. Die Rundum-Sicht auf Blickebene der Fußgänger und Radfahrer ist hier sehr gut. Das Aufstehen, das Ein- und Aussteigen gelingt - wie sie ja selber festgestellt haben - doch sehr gut und bequem. Und mal ehrlich: Wie oft muss ein Verteiler-Trucker am Tag ein Ticket ziehen? Ein- und Aussteigen muss er viel häufiger. Und das kann er beim Volta Zero aufrecht und bequem auf beiden Seiten, vorzugsweise natürlich auf der verkehrs-abgewandten, rechten Seite.
Das Interview führte Robert Domina
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