Digitalisierung: Von Heavy Metal zu Hightech
Gegen die Giganten der globalen Automobilzulieferer scheint die mittelständische BPW Gruppe mit 7.200 Mitarbeitern weltweit und einem Jahresumsatz von 1,48 Milliarden Euro vergleichsweise klein. Dennoch kam das Familienunternehmen auf der IAA in Frankfurt ganz groß heraus: Die Leser der Fachzeitschrift VISION mobility wählten BPW zum „besten Zulieferer“. Und das mit einem Mobilitätsthema, das eher selten im Scheinwerferlicht der Medien glänzen darf: Transport und Logistik. Otto Normalverbraucher, der damit verstopfte Autobahnen und Innenstädte sowie laute und qualmende Dieselmotoren verbindet, findet das Thema eher unsexy. Zumal die Anhänger, die die Ware von A nach B transportieren, mehr oder weniger gleich erscheinen. Doch der Augenschein trügt: Trailer sind individueller als jeder Rolls-Royce. Tatsächlich ist fast jeder Anhänger ein Einzelstück. Warum? Weil jedes Transportgut anders ist. Medikamente müssen nun mal anders transportiert werden als Erd aushub, Mode, Heizöl oder Salat. Deshalb hat fast jeder Trailer ein Fahrwerk, das exakt auf das Transportgut ausgelegt ist. Diese Individualisierung entscheidet über die Effizienz des Transports – also darüber, ob und wieviel der Transportunternehmer unterm Strich verdient. Und nicht zuletzt auch, wieviel Dieselruß, CO2, Reifenabrieb, Lärm und andere Emissionen auf dem Weg von A nach B verursacht werden. Somit liegt im Trailer ein Schlüssel für nachhaltige Mobilität.
Die BPW Gruppe hat sich deshalb voll und ganz der Maximierung der Transporteffizienz verschrieben – und deshalb ihren Aktionsradius auf alles ausgedehnt, was den Transport bewegt, beleuchtet, sichert, und intelligent vernetzt. Dabei hat auch BPW einen Weg zurückgelegt: Von Heavy Metal zu Hightech, von Diesel zu Big Data. Eine Entwicklung mit Weitblick, wie sich heute zeigt, denn die Transportindustrie gerät zunehmend nicht nur unter Kostendruck: Die „Generation Greta“ verlangt von der Politik Umdenken, Verbote und verschärfte Vorschriften – und fordert eine massive Senkung der CO2-Emissionen, um den Planeten zu retten. Dabei haben auch junge Leute dafür gesorgt, dass das Transportaufkommen in den letzten Jahren explosionsartig gewachsen ist – und damit auch der Lkw-Verkehr. Klar, alle lieben Online- Shopping. Am liebsten mit Lieferung am nächsten Tag. Auch „Fast Fashion“ mit billigen Klamotten aus der Fußgängerzone bleibt angesagt. Um Emissionen einzusparen und Klimaziele zu erreichen, lässt sich das Konsumverhalten kaum ändern – aber der Transport intelligenter gestalten: Wie können also Daten dazu beitragen, den Transport nachhaltiger und sauberer zu machen? Die Antworten von BPW reichen von der Digitalisierung des Fahrwerks über die Vernetzung von Fahrzeugen, Fracht und Fahrer bis hin zur elektrischen Antriebstechnik. Überall spielen Daten die Hauptrolle.
Zum Beispiel bei den Fahrwerkstechnologien: BPW hat nicht nur jedes Einzelteil als Datenmodell – also als „digitalen Zwilling“ – neu entwickelt, sondern gleich auch den kompletten Lebenszyklus des Fahrwerks digitalisiert; von der Konfiguration über die Produktion und Montage bis zum alltäglichen Fahrzeugbetrieb und schließlich Montage und Reparatur. Um aus Billionen unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten die perfekt passende Fahrwerksauslegung zu finden, braucht man heute nur ein paar Mausklicks – das Konfigurationssystem von BPW stellt in Sekundenschnelle das komplette Fahrwerk zusammen. Das System erinnert oberflächlich an die Online-Konfigurationsangebote der Autohersteller – doch es steckt weitaus mehr dahinter! Während der Auto-Konfigurator vor allem den Preis errechnet und eine ungefähre optische Anmutung simuliert, hat der BPW-Konfigurator ein vollständiges Digitalmodell errechnet, bei dem jedes Einzelteil seine physikalischen Eigenschaften und Kombinationsmöglichkeiten bis ins Detail kennt. Mehr noch: Mit der Bestellung erzeugt das System eine „digitale DNA“, die den Produktionsprozess steuert und das Fahrzeug lebenslang begleitet.
Digitaler Zwilling steht vor dem realen Testbetrieb
Revolutionär ist auch das Entwicklungsprinzip: Der digitale Zwilling wird bereits am Rechner in allen möglichen und unmöglichen Fahrsituationen getestet, bevor ein optimierter Prototyp auf die reale Teststrecke losgelassen wird. Aber auch danach fließend Daten in eine ununterbrochene Weiterentwicklung aller Komponenten ein. BPW nutzt dafür nicht nur die Daten aus Wartung und Ersatzteilhandel, sondern auch aus dem alltäglich Fahrbetrieb von 300 speziell vernetzten Fahrzeugen, die weltweit im Einsatz sind. Auf diese Weise hat BPW die Entwicklungszyklen abgeschafft und gegen das „permanent beta“-Prinzip ersetzt – jedes Fahrwerk ist so immer auf dem neuesten Stand der Technik. In der Softwarebranche Gang und Gäbe, ist es ein Novum für die Nutzfahrzeugindustrie.
Alles mit allem vernetzen – erstmals auch drahtlos
Eines der größten Potenziale für Transporteffizienz liegt in der Vernetzung von Fahrer, Fracht und Fahrzeug: Mit dem Tochterunternehmen idem telematics sorgt BPW dafür, dass Routen und Fahrweisen zeit- und spritsparend optimiert werden. Auch die Transportvernetzung ist hochgradig individuell: Sie überwacht und dokumentiert die Kühltemperatur für Medikamente oder Lebensmittel, schützt und überwacht teure Güter durch Sensoren statt Plomben und vieles mehr. Allerdings sind bislang erst rund 15 Prozent aller Trailer vernetzt – der Grund liegt unter anderem in der meist aufwändigen Verkabelung. Eine neuartige Hardware vereinfacht deshalb jetzt die Installation, den Betrieb und die Erweiterung von Telematik-Funktionen: Als zentrale „Schnittstelle“ des Trailers verbindet sie sämtliche Sensor-Daten aus Truck und Trailer per Funk – dies ersetzt bisherige zusätzliche Hardware, die aufwendig gesondert verkabelt und installiert werden musste: Zum ersten Mal können Signale von Tür, Kühlaggregat und Reifen drahtlos und ohne zwischengeschaltete Geräte („Hubs“) verarbeitet und gesteuert werden. Neu ist auch ein Bluetooth-Tag für den Truck, durch den der Trailer erkennt, mit welchem Zugfahrzeug er gekoppelt ist.
Diesel raus, elektrische Achse rein
Bleibt die Frage nach der Zukunft des städtischen Verkehrs. Zalando-Päckchen lassen sich ja noch per Lastenrad ausliefern – aber was ist mit der neuen Waschmaschine? Oder den gekühlten Lebensmitteln für den Supermarkt? Die Antwort liegt in der Achse: Mit einer elektrischen Antriebsachse ermöglicht BPW nicht nur den emissionsfreien Antrieb von Lkw bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht (auf Wunsch auch darüber hinaus) – die Lösung kann sogar nachgerüstet werden. Das Prinzip „Diesel raus, Elektroachse rein“ ist bei kommunalen Spezialfahrzeugen in Berlin und Köln bereits im Einsatz, wird aber auch von UPS und den Speditionen Hellmann und Logwin getestet. Wenn der Lkw bremst, erzeugt die Achse Strom. Dieses Prinzip bringt in Zukunft auch die lauten, dieselgetriebenen Kühlaggregate bei Kühlfahrzeugen zum Schweigen – auf diese Weise können Lkw die Supermärkte flüsterleise frühmorgens oder spätabends anfahren, statt sich zu den Stoßzeiten durch den Stadtverkehr zu quälen.
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