„Data is the new oil”
Seit 2017 gibt es nun die digitale Plattform Omniplus On, die die digitalen Services von Mercedes-Benz und Setra im Busbereich bündelt –zunächst eigentlich aus einer Notsituation entstanden. Denn der Provider des Vorgängers Online-Parts-Shop (OPS) hatte seinen Dienst nicht mehr fortgeführt, was den Anstoß gab, ein eigenes Omniplus-On-Portal zu starten, wie Michael Klein, Leiter Kundenservice und Teile bei Daimler Buses, berichtet. Ziel von Omniplus On sei es, Dienste zu bündeln und hohe Kundenfreundlichkeit zu bieten, sprich sich einfach bedienen lassen, so Nicolaus Gollrad, Manager operatives Geschäft und Datenprodukte. Es bietet vier verschiedene Bereiche, von denen für Werkstätten vor allem On advance mit dem Schlüsselbereich Uptime und On commerce mit dem Teilehandel zentrale Bedeutung besitzen.
„Die Praxis bislang: Ein Fahrzeug fällt aus, der Kunde ist unzufrieden, die Werkstatt unvorbereitet“, fasst Walter Matthies, Manager Kundenservice Diagnose und Datenprodukte, die aktuelle Situation kurz und knackig zusammen. Mit On advance ist künftig eine proaktive Wartung möglich. Denn das Fahrzeug ist dann cloudüberwacht – ein selbstlernendes System ohne aufwendigen Personaleinsatz. Es meldet mögliche Fehler in der Zukunft, um Schäden und Fahrzeugausfälle von vornherein möglichst auszuschließen. So kann sich die Werkstatt vorbereiten – einen Termin mit dem Kunden suchen, Personal disponieren, Teile besorgen, einen Werkstattplatz vorsehen. Uptime ist so organisiert, dass der Instandsetzungsbetrieb nur die für ihn wichtigen Masken von Omniplus On sieht. Auch Hilfevideos in Deutsch und Englisch sind verfügbar.
Die Standardschnittstellen sind dabei das Daimler-Buses-Backend und die Telematikbox „Bus Data Center“, mit dem seit 2019 die Modelle Mercedes Benz Citaro, eCitaro, CapaCity und Tourismo sowie alle Setra-Reisebusse der Baureihen ComfortClass 500 und TopClass 500 serienmäßig ausgestattet sind, die anderen Stadtbusmodelle optional. Die Übertragungszeit von Daten beträgt 0,6 Sekunden.
Proaktive Interpretation
Auf einem Daimler-Server in Europa werden diese kontinuierlich analysiert und proaktiv interpretiert. Deutet sich akuter Reparatur- oder Wartungsbedarf an, wird der Hinweis in einer von vier entsprechenden optischen Eskalationsstufen automatisch an das Busunternehmen und je nach Dringlichkeit ebenfalls an die autorisierte Werkstatt übertragen. Droht trotzdem einmal ein Ausfall durch akute technische Störungen, wird der Kunde vom Omniplus-24h-Service zeitnah kontaktiert und über das Omniplus-On-Portal entsprechend informiert. Damit verbunden sind bereits konkrete und qualifizierte Handlungsempfehlungen. Handelt es sich um einen Reisebus im europaweiten Einsatz, sucht Omniplus eine Werkstatt und organisiert die Reparatur.
Auch der Fahrer kann bereits während einer Fahrt aktiv werden und mit der Cloud in Verbindung treten. Entdeckt er etwa bei der Abfahrtskontrolle einen Schaden, z.B. einen Steinschlag an der Windschutzscheibe, übermittelt er von unterwegs die Schadensdokumentation an die Werkstatt, die daraufhin handeln kann und unter Umständen direkt eine neue Scheibe bestellt.
Mit dem neuen rFMS-Standard 2.1.1, auf den sich die großen europäischen Hersteller geeinigt haben und der im dritten Quartal 2020 eingeführt wird, können künftig auch Drittsysteme – etwa von Werkstätten – auf die Cloud zugreifen. Das „r“ steht dabei für „remote“, also „Fernbedienung“. Das ist gerade auch für freie Werkstätten und Mehrmarkenbetriebe interessant, um das Omniplus-On-Portal nutzen zu können. Daimler hat den neuen Standard bereits ab Mai 2019 vorbereitet und ihn schon ab dem ersten Quartal 2020 gestartet. Für die Datensicherheit sorgt dabei der seit einigen Jahren etablierte Standard OAuth2, bei dem mit einem digitalen Schlüssel der Zugang zur Fahrzeugschnittstelle möglich wird.
Die erweiterte, virtuelle Datenschnittstelle schafft die Voraussetzung dafür, dass die Fahrzeugdaten in der Daimler-Cloud über eine definierte API (Application Programming Interface) auch für Anwendungen von Dritten nutzbar sind. Das beinhaltet auch Fehlercodes und Diagnoseprotokolle – ein großer Vorteil für die Mitarbeiter von Werkstätten.
Datenpakete zubuchbar
Im Omniplus-On-SignalStore werden seit dem ersten Quartal 2020 im Bereich „On commerce“ gegen eine monatliche Nutzungsgebühr drei verschiedene Datenpakete zubuchbar sein, wenn das Bus Data Center verbaut ist. Anzahl und Verfügbarkeit der Datenpunkte ist von der Fahrzeugausstattung abhängig.
Die Datenpakete sind wie beschrieben über eine Datenschnittstelle „remote“, also ohne eine physische Steckverbindung nutzbar – das macht es für den Busbetrieb einfacher, seine Fahrzeuge komfortabel und ohne Aufwand zu vernetzen. Dabei handelt es sich entweder um „Web Sockets Secure“ (WSS), über die Daten im JSON-Format mit 2 Hz in Echtzeit übertragen werden, oder um historische Daten, die über eine standardisierte REST-Schnittstelle für die letzten 14 Tage zur Verfügung stehen.
Diese Zweigleisigkeit ermöglicht es, hochintegrierte Echtzeitdienste zu nutzen, wie sie in ITCS-Systemen zur Unterstützung der Betriebssteuerung, des Betriebshofmanagements beziehungsweise der Umlaufplanung nötig sind. Und das besonders dann, wenn der Betreiber eigene, angepasste Leit- oder Managementsysteme nutzt, und um Omniplus-Dienste wie „Diagnose“ auch ohne das Omniplus-On-Portal aufzurufen. Der Betreiber oder die Werkstatt kann also viele wesentlichen Vorteile der digitalen Dienste von Omniplus On nutzen, ohne seine etablierte IT-Landschaft grundlegend zu ändern. So dockt sich Omniplus On beispielsweise an das SAP Service Modul CS beziehungsweise SD an.
Mehr Datenpunkte
Künftig stehen zudem deutlich mehr Datenpunkte zusätzlich zum bisherigen FMS 4.0 Standard (Fleet Management System Standard) zur Verfügung, der seit Produktionsdatum Juli 2019 in allen Bussen der Marken Mercedes Benz und Setra Serie ist. Diese Datenpunkte können nach dem individuellen Bedarf des Verkehrs- oder Busreiseunternehmens analysiert werden, um so neue Services zu generieren, die beispielsweise aus der Verlinkung dieser Kundendaten mit ITCS- und anderen Systemen entstehen, die bereits bei ihm im Einsatz sind.
Daimler hat nun seit dem ersten Quartal 2020 drei Dienste zur Verfügung, die für jedes Fahrzeug einzeln und monatsweise zu buchen sind: Data Package „rFMS“ mit rund 250 Datenpunkten in den Kategorien Warnanzeigen, Antriebsstrang, Türen und Klappen, Fahrzeuginformation, Fahrwerk und Räder sowie Bordbatterie und Betriebsmittel. Der Kundennutzen liegt hier vor allem im effizienten Flottenmanagement von konventionell angetriebenen Fahrzeugen. Data Package „plus“ mit rund 250 zusätzlichen Datenpunkten zu FMS 4.0, u.a. zu Hochvoltsystemen, Heizung-Lüftung-Klima und erweiterte GPS-Daten. Der Kundennutzen liegt hier im effizienten Flottenmanagement und der Umsetzung von Ladestrategien von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Data Package „diagnostic“, das an der Remote-Schnittstelle verschiedene Diagnosedaten sowie Kurztests im maschinenlesbaren Format sowie als PDF-Dokument anbietet, die bisher nur über die Daimler „Xentry Diagnosis“ auslesbar waren. Der Kunde gewinnt so Transparenz über Service- und Wartungsbedarfe und kann die Ad-hoc-Fehlerbehebung beschleunigen.
Reichlich Neuigkeiten gibt es auch in Sachen Online-Teilehandel bei Daimler Buses. Er ist nun fest integriert auf der Omniplus-On-Plattform, und zwar in Form des eShops im Bereich On commerce. Er ersetzt den OPS, der Ende 2019 abgeschaltet wurde, und bietet eine große Auswahl an Teilen und Nachrüstlösungen. On commerce ist seit September 2019 im Markt, der eShop wurde am 25. November für Händler geöffnet. Speziell im Fokus steht beim Händlershop die Bestellung großer Teilemengen bei der EvoBus GmbH. Während des Bestellvorgangs kann der Nutzer direkt nachverfolgen, ob die Ersatzteile in der gewünschten Menge beim Servicestützpunkt vorrätig sind oder direkt im Ersatzteil Logistik Center (ELC) in Neu-Ulm angefordert werden müssen.
Der neue Bereich bündelt alle Verkaufsaktivitäten und bindet neben dem eShop auch andere digitale Services ein. „Die große Herausforderung bestand darin, eine vierstellige Zahl von Kunden vom OPS in den eShop mitzunehmen. Wir haben für diesen Vorgang extra Experten geschult“, erklärt Julia Kienhöfer, Managerin Digitale Verkaufsplattform bei Daimler Buses.
Der eShop ist wie die gesamte Omniplus-On-Plattform webbasiert, daher ohne App-Funktion nutzbar und von jedem mobilen Endgerät wie etwa Smartphone oder Tablet aus nutzbar. Zudem kennt das System durch die volle Einbindung in das Kundenportal Omniplus On bereits die individuelle Flotte des von der Werkstatt betreuten Busunternehmens. Die passenden Teile zum ausgewählten Fahrzeug werden somit im Quick-Collect-Bereich angezeigt und können einfach ausgewählt werden. Das erspart eine Menge Sucharbeit auf Seiten des Kunden und der Servicemitarbeiter.
Individuelle Angebote
Gleichzeitig können im eShop direkte Angebote und Preise für den individuellen Kunden hinterlegt werden – „ein echter Mehrwert“, wie Kienhöfer betont. „Hier werden Vorschläge für Ersatzteile gemacht und Konditionen aufgelistet“, ergänzt die Managerin. „Es gibt viel Bild- und erläuterndes Material, ohne zu kompliziert zu sein.“
Darüber hinaus bietet Omniplus On commerce die Möglichkeit, eine direkte Buchung von digitalen Diensten wie beispielsweise Omniplus Uptime online vorzunehmen. Künftig werden weitere Produkte und Dienstleistungen über On commerce buchbar sein. Das könnten neue Vertriebskanäle wie eProcurement, Serviceverträge, Schulungen und weitere Dienstleistungen sein. Auch Lizenzen für 3D-Druck könnten in nicht allzu ferner Zeit hier erworben werden. Dazu ist Omniplus in ständigem Kontakt mit Pilotkunden, die für die Weiterentwicklung der Verkaufsplattform extrem wichtig sind. Überhaupt soll On commerce und der eShop ein kundenorientiertes System sein, das nicht nur präsentiert, sondern auch den „Rückweg“ vom Kunden und somit das Feedback vom Anwender ermöglicht.
Wie drückt es Walter Matthies, der Manager Kundenservice Diagnose und Datenprodukte, so schön aus: „Data ist the new oil“.Claus Bünnagel
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