Freudenberg und Quantron entwickeln Fuel-Cell-Antrieb

Zulieferer Freudenberg und Truck-Umrüster Quantron schließen eine Kooperation zur Entwicklung eines Brennstoffzellen-Lkw und kontern damit die Fernost- und US-Konkurrenz, aber auch Daimler.

Huckepack: Die Wasserstofftanks sollen an der Kabinenrückwand Platz finden. | Foto: Freudenberg
Huckepack: Die Wasserstofftanks sollen an der Kabinenrückwand Platz finden. | Foto: Freudenberg
Johannes Reichel

Der Weinheimer Automobilzulieferer Freudenberg Sealing Technologies und der Augsburger LKW-Umrüster Quantron AG haben eine Kooperation für die Entwicklung eines Brennstoffzellensystems für emissionsfreien Schwerlastverkehr unterzeichnet. Die Hersteller wollen "innerhalb kürzester Zeit" ihre Entwicklungsergebnisse auf der Straße im realen Betrieb testen. Das Projekt wird gefördert durch das Energieforschungsprogramm vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, dem Vernehmen nach als eines der ersten im Lkw-Bereich.

Zwar hätten sich in den vergangenen Jahren in dieser Gewichtsklasse Umweltfreundlichkeit, Sicherheit und Effizienz verbessert. Dennoch seien Verbrauch und Emissionen weiterhin hoch, so das Urteil der Freudenberg-Experten. Dies gelte insbesondere innerhalb der EU, wo Lastwagen 25 Prozent der gesamten CO2-Emissionen im Verkehrssektor verursachten. Während batterieelektrische Fahrzeuge durchaus in städtischen Gebieten effizient und umweltschonend eingesetzt werden könnten, sei die Brennstoffzellentechnologie der Erfolgsfaktor bei der emissionsfreien Logistik über lange Strecken und bei höheren Nutzlasten. Rein batteriegetriebene elektrische Nutzfahrzeuge hält man unter anderem aufgrund der langen Ladedauer und begrenzten Reichweiten durch geringere Energiedichten für den alltäglichen Betrieb ungeeignet. Außerdem erfordert ein batterieelektrischer Antrieb Zugeständnisse bei der möglichen Zuladung.

Alternative zum 40-Tonner mit Dieselantrieb

Ziel sei es mit der Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie nicht nur, den Schwerlastverkehr emissionsfrei machen, sondern auch wirtschaftlich sinnvolle Antriebslösungen zu bieten. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen Entwicklungsprojekte für Busse und Kreuzfahrtschiffe mit Partnern wie FlixBus und der Meyer Werft gestartet. Jetzt sollen in Kooperation mit Umrüster Quantron LKW-Lösungen in der Gewichtsklasse der 40-Tonner entwickelt und produziert werden. Bereits Mitte 2021 soll ein erstes Testfahrzeug mit der neuen Antriebstechnologie auf den Straßen im Freistaat unterwegs sein. Das Fahrzeug mit dem Namen Energon wurde bereits Anfang August der Öffentlichkeit vorgestellt, noch ohne weitere Details zur Technologie und der Partnerschaft zu nennen.

„Brennstoffzellen-LKW sind die einzige wirtschaftliche, emissionsfreie Alternative, die große Zuladungen als auch signifikante Reichweiten und schnelle Tankzyklen zulässt“, glaubt Manfred Stefener, Vice President Fuel Cell Systems bei Freudenberg Sealing Technologies.

Brennstoffzellen für LKW müssen komplett andere Last- und Betriebsprofile abdecken als die für PKW, begründet der Zulieferer die Initiative. Heute bereits im Markt verfügbare Brennstoffzellensysteme seien ursprünglich für PKW entwickelt worden. Für Heavy-Duty-Anwendungen hingegen müssten alle wesentlichen Designaspekte des Systems auf hohe Lebensdauern getrimmt werden. Ein PKW fahre durchschnittlich maximal eine Stunde pro Tag und steht die restlichen 23 Stunden. Deshalb seien PKW-Systeme auch nur für 5.000 bis 8.000 Betriebsstunden ausgelegt. LKW-Systeme hingegen erforderten mindestsens eine Lebensdauer von 35.000 Stunden.

Konter gegen Fernost-Konkurrenz von Hyundai und Toyota

Zu den weiteren Lkw-spezifischen Innovationen des Projekts soll auch die Nutzung lebensdaueroptimierender Materialkombinationen und die Entwicklung der Schnittstellen für eine Bauraum-optimierte Anwendung in einem Nutzfahrzeug gehören. Damit ließen sich Wartungs-, Reparatur- und Austauscharbeiten mit minimalem Aufwand durchführen und dank Standardisierung ein maximales Fahrzeugspektrum bedienen, wirbt der Anbieter.

Bisher bieten nur die Hersteller Hyundai und Toyota in Serie gefertigte Fuel-Cell-Modelle an, den SUV Nexo sowie die Limousine Mirai. Deren Technologie soll allerdings jetzt auch verstärkt für den Einsatz in schweren Nutzfahrzeugen transferiert werden, wo man die Technologie auch bei diesen Anbietern primär sieht. Vor kurzem wurden zudem die ersten in Serie gefertigten Fuel-Cell-Trucks vom Typ Hyundai Xcient verschifft, die in einem Pilotprojekt in der Schweiz eingesetzt werden. Auch in den USA treiben Start-ups wie Hyzon oder Nikola Motor die Entwicklung voran, für Europa delikaterweise mit Iveco. Der Hersteller ist mit dem Spin-of-Unternehmen Quantron aus der Haller-Gruppe verbunden, weil Haller zugleich ein bedeutender und jahrzehntelanger Iveco-Vertragspartner im Südwesten ist.

Indirekt macht man sich also beim Thema Brennstoffzelle Konkurrenz. Nikola arbeitet beim Fuel-Cell-System mit dem weltgrößten Zulieferkonzern Bosch zusammen. Auch Daimler forciert in jüngster Zeit die FC-Entwicklung nur noch im Lkw-Bereich mittels einer eigenen GmbH und will hier eine hohe eigene Wertschöpfung sicherstellen, zudem Synergieeffekte in einem Joint-Venture mit Volvo Trucks schöpfen. Die ersten Modelle sollen allerdings erst bis in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auf den Markt kommen.

Vom Verbrenner zur Brennstoffzelle

Freudenberg Sealing Technologies unterstütze seit Jahrzehnten die Hersteller von Autos und Nutzfahrzeugen dabei, mit dichtungstechnischen Innovationen Verbrauch und Emissionen von Verbrennungsmotoren zu senken. Mitte der 1990er Jahre ist die Freudenberg-Gruppe bei der Erforschung alternativer Antriebskonzepte in die Entwicklung technisch anspruchsvoller Komponenten für Brennstoffzellen und Batterien eingestiegen. Das Unternehmen hat unter anderem serienreife Gas-Diffusions-Lagen (GDL), Befeuchter, Filterlösungen sowie Dichtungen für den Brennstoffzellen-Stack entwickelt. Anfang 2018 wurde dieses Know-how mit der Akquisition des Brennstoffzellenherstellers Elcore strategisch ergänzt. Damit biete man jetzt sowohl eine ganzheitliche System-Kompetenz als auch eine tiefe Wertschöpfung bei den Kernkomponenten der Brennstoffzelle, wirbt der Zulieferer. Kurz darauf erwarb das Unternehmen durch seine Beteiligung am US-amerikanischen Batterieherstellers XALT Energy auch in der Batterietechnik wichtige technologische Expertise.

Lediglich zugekaufte Komponenten zusammenzubauen ist keine Lösung für Heavy-Duty-Brennstoffzellen der Zukunft in hohen Stückzahlen. Dank der Kooperation mit der Quantron AG können wir die neuesten Forschungsergebnisse der Freudenberg-Gruppe für LKW-Brennstoffzellen innerhalb kürzester Zeit auf die Straße bringen", kündigt Claus Möhlenkamp, CEO von Freudenberg Sealing Technologies an.