Automatisierung: Beladungsplanung dynamisch automatisieren
Mit Blick auf aktuelle Entwicklungen und den rasanten Fortschritt beim autonomen Fahren bleiben kaum Zweifel daran, dass autonome Fahrzeuge bereits in wenigen Jahren den Weg auf deutsche Straßen und in unseren Alltag finden. Ein erster Meilenstein aus Sicht der Logistikbranche ist die weltweit erste Straßenzulassung für einen autonomen Lkw in Europa. Der T-Pod von Einride ist seit Anfang 2019 offiziell auf Schwedens Straßen autonom unterwegs, zwar noch auf festen Routen in einem Versuchsgebiet und mit permanenter Überwachung durch einen menschlichen Bediener, dennoch ist der erste Einsatz auf öffentlichen Straßen ein großer Schritt.
Laut einer Studie des internationalen Strategieberaters Strategy& lässt sich die tägliche Fahrleistung mit autonomen Fahrzeugen um bis zu 50 Prozent steigern. Ferner könnten autonome Lkw das Verkehrsaufkommen auf deutschen Autobahnen und Straßen mehr als halbieren und durch den maßgeblichen Nachteinsatz die schon heute verstopften Innenstädte und Autobahnen spürbar entlasten. Hinzu kommt der massive Fachkräftemangel, von dem kaum eine andere Branche so stark betroffen ist, den autonome Fahrzeuge ohne Fahrereinsatz entschärfen könnten. Aus diesen Gründen wird und muss sich die Logistikbranche dem technologischen Wandel unterziehen und Leitmarkt als auch Vorreiter für autonome Lkw werden.
Autonome Logistik bedeutet mehr als autonome Fahrzeuge
Doch bei all den Potenzialen und Verheißungen stehen mit Blick auf den Praxiseinsatz autonomer Lkw elementare Fragestellungen im Raum: Können autonome Lkw aktuell in der Logistik überhaupt eingesetzt werden? Welche Voraussetzungen sind an den Praxiseinsatz autonomer Lkw gebunden? Und wie können Frachtprozesse in Zukunft gesteuert werden, wenn möglicherweise gar kein Fahrer mehr im Cockpit sitzt? Hier lohnt sich ein Blick auf den Ist-Zustand in der Logistik, um nötige Voraussetzungen für autonome Prozesse zu identifizieren.
Am Beispiel der Lebensmittellogistik zeigt sich, dass der Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad je nach Bereich noch sehr unterschiedlich hoch ist. Es zeichnet sich ein historisch gewachsener Wildwuchs von Eigenentwicklungen und prozessspezifischen IT-Insellösungen ab, der die systemübergreifende Kommunikation durch Informationslücken behindert. Die durchgängige Digitalisierung scheitert außerdem bereits häufig an immer noch als Standard gesetzten Frachtpapieren, und manuelle Korrekturen sind an der Tagesordnung. Zudem erfordern die meisten Prozesse entlang der Transportkette großes Expertenwissen, das von langjähriger Erfahrung geprägt ist. Daraus ergeben sich wichtige Voraussetzungen für den effizienten Einsatz autonomer Fahrzeuge. Digitale Systeme und Fahrzeuge müssen miteinander kommunizieren und Informationen weitergeben. Das bedeutet eine umfassende Vernetzung entlang der gesamten Lieferkette. Aussagekräftige Daten müssen genau an dem Punkt zur Verfügung stehen, an dem sie gebraucht werden, dafür ist eine durchgängige Digitalisierung notwendig. Außerdem steht und fällt die Planung mit dem Erfahrungswissen der Mitarbeiter, das auch in der Software abgebildet werden muss.
Algorithmen müssen zu Planungsexperten werden
Besonders die Beladungsplanung stellt digitale Lösungen dabei vor große Herausforderungen. Nicht umsonst erledigen diese Aufgabe zurzeit hochqualifizierte und begehrte Experten, die jahrelange Erfahrung besitzen. Stark standardisierte und formschlüssig sicherbare Fracht kann heute bereits mithilfe automatischer Systeme verladen werden. Diese sind jedoch sehr unflexibel und funktionieren nur bei Werksverkehren und Transporten mit immer gleichbleibender Fracht. Zudem ist dabei die Planung nicht zwingend inbegriffen, die aber großen Einfluss hinsichtlich des Zeitfaktors hat. Immerhin nehmen Ladeprozesse je nach Tour bis zu 50 Prozent der gesamten Tourdauer in Anspruch. In der Lebensmittellogistik beispielsweise werden sehr heterogene Güter transportiert, die unterschiedliche Ansprüche an Temperaturen und Ladungssicherung haben. Beladungsplaner müssen dabei die Reihenfolge der Kunden, die Gewichtsverteilung auf dem Lkw, die verschiedenen Temperaturzonen im Laderaum und Ladungssicherungsbelange berücksichtigen. Zusätzlich muss häufig nicht nur Ware geliefert, sondern auch Leergut aufgenommen werden, was ebenfalls in die Planung einfließen sollte. Ändern sich kurzfristig Bestellungen und Mengen, gilt es zu überprüfen, ob das geplante Fahrzeug noch die erforderliche Kapazität hat oder auf andere Touren ausgewichen werden muss.
Eine automatische Beladungsplanung bedeutet, all diese Prozesse zu digitalisieren und dynamisch zu steuern. Aus Einblicken in ein Forschungsprojekt der Dako GmbH lässt sich eine Vorstellung vom Umfang eines solchen Vorhabens gewinnen. Das Unternehmen arbeitet mit einem großen Lebensmittellogistiker zusammen, um Softwaretools unter anderem für die Beladeplanung zu entwickeln, die bereits eine Vorstufe für autonomes Frachthandling bilden. Dabei gilt es, die speziellen Restriktionen der Branche in die Entwicklung der leistungsstarken Algorithmen einzubeziehen. Diese müssen beispielsweise bestimmte Lastverteilung, Zugänglichkeit und Platz für Nachlieferungen einkalkulieren. Ebenso gilt es, die Lieferreihenfolge, die Position der Temperaturfühler und die thermische Trennung zu berücksichtigen sowie den Umladeaufwand für Fahrer am Lieferstopp zu minimieren. Darüber hinaus muss der Aufbau und Volumen des Laderaums genau bekannt sein, um die optimale Verteilung der Ladung zu berechnen.
Dafür hat Dako gerade ein Tool entwickelt, mit dem die Disponenten das Layout ihrer Fahrzeuge genau eingeben und diese auch verwalten können. Auf diese Weise werden alle Laderaumdaten der Fahrzeuge genau erhoben und für die Berechnung bereitgestellt. Als nächster Schritt wurde bereits ein Prototyp des Beladungsplanungstools programmiert, der aus diesen Daten, Warenbestellungen, Tourangaben sowie Daten zu Ladungsträgern und Ladungssicherung eine komplexe Beladungsplanung erstellt, die alle Anforderungen einbezieht und dynamisch auf Veränderungen beim Entladen und der zusätzlichen Aufnahme von Leergut eingeht. Dieser erste digitale Baustein ist vom Automatisierungsgrad her bei Stufe 2 einzuordnen, also als eine digitale teilautomatisierte Unterstützung für die Beladung. Nun steht das Tool bei den Experten des Logistikers auf dem Prüfstand, die damit erste Beladungen und Touren berechnen und die Ergebnisse auswerten. Fällt der Feldtest positiv aus, ist damit ein erster Schritt getan, um Expertenwissen in Software zu übertragen.
Im weiteren Verlauf des Projekts stehen das automatisierte Monitoring der Fracht und der Ladungssicherung sowie die Verknüpfung aller Prozesse im Fokus, um eine umfassende Systemlösung zu entwickeln und so die Grundlage für autonomes Frachthandling zu legen.
Dr. Harald Hempel
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