Köpfe der Branche: Paul Group-CEO Bernhard Wasner über neue Antriebsformen

Im März 2023 zog sich der Familienunternehmer und Geschäftsführer Josef Paul aus dem operativen Geschäft der Paul Group zurück. An der Seite des CEO Bernhard Wasner erweitert Andreas Bartels nun die Geschäftsführung der Gruppe in der Rolle des CFO. Das erklärte gemeinsame Ziel des neuen Duos: das profitable Wachstum der Paul Gruppe ausbauen und neue strategische Geschäftsfelder erschließen. Wir sprachen mit Bernhard Wasner über die Chancen und Grenzen neuer Antriebsformen im Transportgeschäft von Morgen.

Bernhard Wasner, Geschäftsführer Paul Group, Vilshofen. | Bild: Paul Group
Bernhard Wasner, Geschäftsführer Paul Group, Vilshofen. | Bild: Paul Group
Tobias Schweikl

Tobias Schweikl: Herr Wasner, die Paul Group hatte jüngst den bayerischen Verkehrsminister Christian Bernreiter in Vilshofen zu Besuch. Worüber haben Sie gesprochen?

Bernhard Wasner: In erster Linie ging es um die gesetzlichen Regelungen zu E-Lkw und Wasserstoffantrieben. Wenn wir als Fahrzeughersteller einen Brennstoffzellen-Lkw in Verkehr bringen, haben wir immer noch eine Längenthematik. Wir brauchen bei diesen Fahrzeugen 80 bis 100 Zentimeter mehr an Fahrzeuglänge, um das H2-Tanksystem im Lkw platzieren zu können. Da ist mittlerweile schon das ein oder andere Jahr ins Land gezogen, ohne dass dazu auf EU- oder Bundesebene eine Entscheidung gefallen ist. Obwohl es immer wieder Ankündigungen gab.

Tobias Schweikl: Was würden Sie der Politik gerne mit auf den Weg geben?

Bernhard Wasner: Wenn man eine Energiewende will, dann muss man auch Entscheidungen treffen. Aber speziell auf Bundesebene passiert das nur sehr zögerlich. Das Hin und Her aus großen Ankündigungen und anschließendem Zurückrudern ist leider zum Alltag geworden.

Tobias Schweikl: Das Thema Brennstoffzelle liegt für manche in der Politik vielleicht noch etwas zu weit in der Zukunft...

Bernhard Wasner: Es trifft uns hier bei Paul aber schon ganz konkret. Wir bauen bereits die ersten Wasserstoff-Lkw für einen Kunden von uns. Für die beiden H2-Lkw, die wir für das Unternehmen fertigen, müssen wir den Kofferaufbau wegen der Wasserstofftanks einkürzen, weil wir die Gesamtzuglänge nicht überschreiten dürfen. Der Kunde will die Fahrzeuge mit Rollwägen beladen, wird wegen des Brennstoffzellensystems aber eine Reihe Wägen weniger mitnehmen können. Weniger Ladung pro Lkw bedeutet letztlich mehr Lkw auf der Straße.

Tobias Schweikl: Die Wasserstofftanks hinter dem Fahrerhaus verbrauchen etwa 90 Zentimeter der Fahrzeuglänge eines Brennstoffzellen-Lkw?

Bernhard Wasner: Genau. Das Rack mit den Tanks zieht sich in dieser Tiefe über die gesamte Fahrzeughöhe und lässt sich auch an keiner anderen Stelle platzieren.

Tobias Schweikl: Sind Wasserstoff-Lkw ohne einen entsprechenden Längenzuwachs überhaupt sinnvoll?

Bernhard Wasner: Meines Erachtens ist der Längenzuwachs beim Brennstoffzellen-Lkw ein Muss, um gegenüber anderen Antriebsformen konkurrenzfähig zu sein. Andere Länder machen das auch schon.

Tobias Schweikl: Welche Reichweite erzielt man mit so einem Rack?

Bernhard Wasner: Wir haben die H2-Fahrzeuge auf 500 bis 550 Kilometer Reichweite ausgelegt. Aber Fahrer und Topografie haben auch beim Brennstoffzellen-Lkw einen starken Einfluss auf die Reichweite.

Tobias Schweikl: Mit 550 Kilometern ist der Brennstoffzellen-Lkw aber keine Lösung für den Fernverkehr, wie so oft postuliert. Die Orangen aus Spanien kommen damit nicht nach Deutschland...

Bernhard Wasner: Wir bleiben mit unseren Fahrzeugen bewusst im Verteilerverkehr. Es gibt noch kein flächendeckendes Netz an Wasserstofftankstellen, der Fernverkehr ist mit der Brennstoffzelle noch nicht sinnvoll. Erst in der Zukunft gibt es vielleicht auch die Technologie, um den Wasserstoff stärker zu komprimieren. Stand der Technik heute sind 350 Bar, die man vernünftig lagern und betanken kann – das ist keine Weltraumtechnologie.

Tobias Schweikl: Genügt die H2-Technik damit den Anforderungen?

Bernhard Wasner: Unser Ansatz ist, dass wir jetzt das technisch Machbare auf die Straße bringen und beweisen, dass es funktioniert. Dass es in den kommenden Jahren Fortschritte geben wird, ist aber ebenfalls sicher. Wir haben vor 100 Jahren auch keinen Diesel-Lkw gebaut, wie er heute unterwegs ist. Perspektivisch werden die vorher erwähnten spanischen Orangen mit dem Wasserstoff-Lkw besser nach Deutschland kommen, als mit dem batterieelektrischen.

Tobias Schweikl: Wenn sowohl Brennstoffzellen- als auch batterieelektrische Lkw noch eine Lösung für den Verteilerverkehr sind, dann konkurrieren doch beide Technologien anstatt sich zu ergänzen. Welchen Sinn ergibt das?

Bernhard Wasner: Der Unterschied liegt in der Reichweite. Beim batterieelektrischen Lkw ist Stand heute nach 200 bis 250 Kilometern Schluss. Damit funktioniert er im urbanen Bereich bestens. Hersteller wie Daimler und Volvo sind zwar bestrebt, auch Fahrzeuge mit höherer Reichweite in den Markt zu bringen. Aber dann bekommt man durch das Batteriegewicht eine Nutzlastproblematik. Und auch die Frage, wie Unternehmen 70 oder 80 E-Lkw abends auf einmal laden sollen, ohne dass das Netz zusammenbricht, ist vielfach eine offene Frage.

Tobias Schweikl: Überfordert man die Kunden mit so vielen unterschiedlichen Technologien nicht?

Bernhard Wasner: Man muss auf jeden Fall systemoffen bleiben, weil verschiedene Wege zum Ziel führen. Und weil wir beim Erreichen der Klimaziele ohnehin schon im Verzug sind, haben wir auch keine Zeit mehr, auf das falsche Pferd zu setzen. Es wird Parallelszenarien geben. Auch der Wasserstoff-Verbrennungsmotor ist noch nicht abgeschrieben.

Tobias Schweikl: Gibt es eine Antriebstechnologie, die Sie ausschließen würden?

Bernhard Wasner: Oberleitungs-Lkw halte ich für unsinnig und sehr teuer. E-Fuels kommen, werden aber vermutlich im Schiffs- und Flugverkehr eingesetzt werden. Im Straßenverkehr wird es wohl auf Batterie- und Brennstoffzellen-Lkw hinauslaufen. Selbst Gas-Lkw kann ich mir langfristig nicht vorstellen.

Tobias Schweikl: Was wäre Ihr Fazit für den Brennstoffzellen-Lkw?

Bernhard Wasner: Die nötige Fahrzeugtechnik ist vorhanden und funktioniert. Das beweisen gerade auch die Kollegen von Hyundai mit ihrem Xcient Fuel Cell. Was jetzt kommen muss, ist eine flächendeckende H2-Tankinfrastruktur. Und ein funktionierender gesetzlicher Rahmen.

Tobias Schweikl: Wie weit sind wir bei der Wasserstoff-Infrastruktur?

Bernhard Wasner: Es wächst momentan sehr viel. Jet, Shell, OMV, um nur ein paar zu nennen, bauen entsprechende Tankstellen auf. Auch H2 Mobility und Air Liquide sind auf dem Markt unterwegs. Ich gehe davon aus, dass wir in zwei bis drei Jahren in Deutschland 400 bis 500 Wasserstofftankstellen haben, die auch Lkw betanken können. 

Tobias Schweikl: Was ist für Lkw komplizierter zu bauen – eine Stromladestelle oder eine Wasserstofftankstelle?

Bernhard Wasner: Eine einzelne E-Lkw-Ladestelle ist relativ einfach zu bekommen. Schwierig wird es, wenn man mehr machen will. Die Stadtwerke haben dann Probleme, den entsprechenden Strom zu Verfügung zu stellen. Vollends schwierig wird es, wenn man zum vielfach geforderten Megawatt-Charging kommt. Dafür gibt es nicht einmal geeignete Kabel, die man in der Erde vergraben könnte.

Tobias Schweikl: Woran arbeitet Paul Nutzfahrzeuge momentan ganz konkret?

Bernhard Wasner: Wir bauen derzeit 25 PH2P Trucks auf Basis der Glider Chassis vom MB Atego für Shell auf. Parallel dazu läuft das Projekt eines batterieelektrischen Betonmischers, Battery Electric Arocs, dass wir vergangenes Jahr mit Mercedes Benz Trucks und Liebherr Concrete auf der Bauma vorgestellt haben. Und wir produzieren den batterieelektrischen 7,5-Tonner BAX, den wir gemeinsam mit BPW auf die Straße bringen. Auf der Messe Transport Logistic in München zeigen wir übrigens gemeinsam mit dem Kunden Detzer Aircargo Service einen 16-Tonnen Wasserstoff-Lkw mit Kofferaufbau auf Basis eines Mercedes-Benz-Atego.

Tobias Schweikl: Vielen Dank für das Gespräch.