Akkutechnik: Langstrecke – ohne lange Ladepausen

Eine neue Technologie könnte die Elektromobilität revolutionieren: Der israelische Batterieentwickler StoreDot will Fahrzeuge künftig in fünf bis zehn Minuten voll laden können. Von Claus Bünnagel

In den Laboren von StoreDot in Israel wird fieberhaft an der Entwicklung der ­FlashBattery gearbeitet. Bild: Storedot
In den Laboren von StoreDot in Israel wird fieberhaft an der Entwicklung der ­FlashBattery gearbeitet. Bild: Storedot
Claus Bünnagel

Die Elektromobilität arbeitet sich immer noch an ihren drei Grundproblemen ab: Preis, Reichweite und Ladezeit. Letzteres könnte in absehbarer Zeit gelöst sein. Denn der 2012 gegründete Batterieentwickler StoreDot will mit seiner FlashBattery einen radikalen Neuansatz vollziehen, der auch Folgewirkungen auf die ersten beiden Grundprobleme haben könnte

Ortswechsel: In Herzeliya, nördlich von Tel Aviv, einem Zentrum von Start-ups und Hightechfirmen in Israel, tüftelt man bereits seit 2014 an einer neuen „Wunderbatterie“, wie die Medien es damals bezeichneten. Dann blieb es lange ruhig um StoreDot, abgesehen von Meldungen über diverse Geldgeber, die mit Investitionen eingestiegen waren: Lucion Venture Capital, diverse Finanzinstitute aus Israel sowie China, der russische Oligarch Roman Abramovich und schließlich sogar globale Player wie Samsung (2015), Daimler (2017) und BP (2018), wobei dem britischen Mineralölunternehmen das Investment 20 Millionen Dollar wert war. Insgesamt mehr als 130 Millionen Dollar hat Storedot mittlerweile eingesammelt. Seit einigen Monaten verdichten sich die Anzeichen, dass die Flashbattery vor dem Marktanlauf stehen könnte.

Im Elektronikbereich vor allem bei Handys dürfte es durch die Verzögerungen infolge der Corona-Pandemie nun zwar erst 2021 mit der Generation 1 (Gen 1) der FlashBattery losgehen. Der anvisierte Start in die Batterieproduktion für Elektroautos mit der Generation 2 (Gen 2) soll jedoch laut CEO Dr. Doron Myersdorf (siehe Interview) unverändert 2022 vollzogen werden.

Die Ionen müssen möglichst ungehindert fließen können

Was nun macht den gravierenden Unterschied des neuen Batterietyps im Vergleich zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien (LIB) aus? Die können mit leistungsfähigen Ladern zwar relativ schnell mit Energie versorgt werden, doch ab einem Ladestand (SoC = State of Charge) von 70 Prozent wird es äußerst zäh. Denn sie besitzen in der Regel eine relativ dicke Anode mit geringer Porosität. Das mindert die Ionendiffusion beim Austausch zwischen Kathode und Anode. Dünne Anoden mit hoher Durchlässigkeit ermöglichen zwar deutlich schnelleres Laden. Aber auf der negativen Elektrode bildet sich mit steigender Anzahl von Ladezyklen ein Film aus metallischem Lithium, was den Ionenfluss ebenfalls stört und im schlimmsten Fall zur Ausbildung der unter Batterieentwicklern gefürchteten Dendriten führen kann – und eine Selbstentladung bis hin zum Brand oder zur Explosion nach sich ziehen kann.

Die Ladungsmenge liegt viel höher

Die Anode in der FlashBattery ist dagegen ganz anders aufgebaut. Sie besitzt kein Graphit wie in Standard-LIB’s, sondern Metalloide wie Silizium, Zinn und Germanium, alles Elemente der sogenannten Gruppe IV im Periodensystem. Das ist noch nicht alles: Sie kommen zudem in Nanogröße daher und sind zum Schutz bei der Ioneninsertion mit einem organischen Film beschichtet. Das soll in Verbindung mit einer hochleitenden, thermisch optimierten Kathode und einem Elektrolyten aus bioorganischen Peptid-Nanodots den Ionentransfer erhöhen und damit ultraschnelles Laden ohne die Gefahr der Dendritenbildung ermöglichen. Durch den niedrigen Zellwiderstand steht so die annähernd volle Ladeleistung bis zu 100 Prozent Ladestand zur Verfügung, ohne dass es zu übermäßiger Zellalterung käme.

Die in Sandwichbauweise gestalteten und gestapelten Zellen der FlashBattery in Pouchform bestehen also wie herkömmliche LIB’s aus Anode, Kathode, Elektrolyt und Separator – in allen Bestandteilen jedoch erheblich modifiziert. Neu ist auch, dass alles wie in einem Beutel eingepackt ist – in einem dünnen und relativ weichen Gehäuse aus tiefgezogenem, geschweißtem Aluminiumlaminat.

Weil sie so leicht und formbar sind, können die Zellen in einer Vielzahl von Formaten und Größen hergestellt werden – zum Beispiel mit weniger als ein Millimeter Höhe. Das sorgt für eine erhebliche Gestaltungsfreiheit beim Endprodukt.

Sie können wie andere LIB’s seriell und/oder parallel verbunden werden, um höhere Kapazitäten und Leistungen zu ermöglichen. StoreDot bevorzugt für die Generation zwei jedoch 20-Ah-Zellen im Format (L x B x H) von 200 x 100 x 6–10 Millimeter. Die Ladeschlussspannung beträgt unabhängig vom Format jedoch immer rund 4,3 V, vergleichbar herkömmlicher LIB-Zellen. Die Ladungsmenge übersteigt aber mit 4.200 mAh/g diejenige von Zellen mit Graphitanoden wenigstens theoretisch um den Faktor 5 – ein riesiger Unterschied.

Gleichzeitig kann eine relativ hohe Energiedichte von 200 bis 240 Wh/kg erreicht werden. StoreDot wechselt übrigens gerade die Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxide von NMC 622 auf NMC 811, das ja auch Tesla in seinen Batterien für das Model 3 verwendet. Heißt, dass das Lithiummetalloxid der Kathode mit seiner Mischung aus Mangan-, Nickel- und Kobaltoxidverbindungen künftig acht Anteile Nickel und nur noch je einen Anteil Mangan und Kobalt aufweisen wird. E-Autos mit herkömmlichen LIB’s an Bord können mit einer C-Rate von maximal 3 aufgeladen werden (Porsche Taycan 2,9, Hyundai Ioniq und Tesla Model 3 jeweils 2,5). Die C-Rate ist eine umgangssprachliche Quantifizierung für die Lade- und Entladeströme für Akkus – je höher, desto besser. So können die maximal zulässigen Lade- und Entladeströme, abhängig von der Nennkapazität angegeben werden. Teslas Model 3 Long Range braucht am 95-kW-Supercharger rund 20 Minuten für 150 Kilometer Reichweite und 115 Minuten für 500 Kilometer. Aus der Praxis weiß man: Die letzten Kilometer brauchen viel Ladezeit.

Endlich möglich: Langstrecken mit kurzen Ladestopps

Bei Fahrzeugen mit FlashBattery kann dagegen mindestens mit 5 C über den gesamten Ladezyklus bis hin zu Pulsladungen von 10 C gearbeitet werden. So sind theoretisch Energieversorgungen bis zu 100 Prozent State of Charge binnen fünf Minuten möglich. Dass StoreDot vorerst bis 2025 DC-Ladezeiten von zehn Minuten anvisiert, hat weniger mit der Batterie als mit der Ladeinfrastruktur zu tun. Will man beispielsweise ein solches Fahrzeug per 350-kW-CCS-Lader mit Energie versorgen, ist zusätzlich zu einem rund 3,5 Megawatt leistenden 10- bis 30-kV-Mittelspannungstransformator voraussichtlich ein Leistungsverstärker in Form eines Energiespeichers im Ladepark nötig.

Was kostet das? Die FlashBattery-Technologie wird voraussichtlich mindestens 10 Prozent teurer sein als herkömmliche LIB’s. Das kann jedoch mehr als wettgemacht werden, da der Akku auf 50 bis 80 kWh Kapazität begrenzt werden kann und trotzdem Langstreckeneinsätze möglich sind. Man schafft mit einer solchen Batterie auf der Autobahn vielleicht nur 300 Kilometer, doch wie beim Verbrenner wären dann mit zwei kurzen Tankstopps von je zehn Minuten 900 Kilometer Reichweite machbar.

Auch die Akkulebensdauer soll massiv steigen

Zudem ist man bei StoreDot überzeugt, mit der Gen 2 dank ihres beschriebenen chemischen Aufbaus rund 1.500 Ladevollzyklen erreichen zu können. Mindestens 450.000 Kilometer sollten also über die gesamte Lebensdauer der Batterie so möglich sein, mehr als Otto Normalbürger innerhalb von 20 Jahren verfährt. Ergo: Auch die angesprochenen Elektromobilprobleme 1 und 2 könnte die FlashBattery so lösen – durch relativ klein dimensionierte und damit günstige Batterien sowie hohe Reichweiten dank kurzer Tankstopps.

Dass das Prinzip der FlashBattery funktioniert, hat StoreDot bereits 2019 anhand der Aufladung eines Elektrorollers öffentlich demonstriert (siehe QR-Code). Die Zellen der Gen 1 werden derzeit vom Batteriespezialisten EVE Energy in Huizhou im Südosten Chinas hergestellt, die Prototypen für die Gen 2 auf der Pilotlinie in Israel. Gemeinsam plant man künftige sogenannte OneGiga-Fabriken mit einer Produktionskapazität von ein bis 10 GWh. Die könnten in absehbarer Zeit beispielsweise am Daimler-Standort Tuscaloosa in Alabama, wo der SUV EQS ab 2021 gebaut wird, ebenso errichtet werden wie in Europa oder China. Sollten die Prognosen von Store Dot wirklich zutreffen, hätte man die drei Grundprobleme der Elektromobilität gelöst.

Auf den Punkt

Es ist … eine neue Dimension des Ladens.

Schön, dass … wir künftig E-Autos in fünf Minuten mit Energie versorgen werden.

Schade, dass … die FlashBattery erst frühestens 2022 für E-Autos zur Verfügung steht.

Was haben Flotten davon? Das Thema Reichweite spielt künftig keine Rolle mehr.

Interview: Dr. Doron Myersdorf, CEO von StoreDot

Was unterscheidet die Lithium-Ionen-Batterien von StoreDot mit sogenannter Flash-Technologie von herkömmlichen LIB’s?

Myersdorf: LIB’s sind bekannt für ihren Kompromiss zwischen Schlüsselparametern. Es ist immer schwierig, eine Eigenschaft zu verbessern, ohne eine andere zu opfern. Beispielsweise kann ein Elektrolyt mit überlegener Leistung bei niedrigen Temperaturen im Zuge steigender Wärmegrade instabil sein. In ähnlicher Weise hilft das Verringern der Partikelgröße von aktiven Materialien beim schnellen Laden, aber dann leiden die Batterielebensdauer und die Sicherheit. Es ist äußerst schwierig, wenn überhaupt Materialien mit einer hohen Laderate zu entwickeln, während Haltbarkeit und Sicherheit über einen weiten Temperaturbereich erhalten bleiben. StoreDot versucht, die Batteriewissenschaft durch ein grundlegend anderes Verständnis der Anoden- und Kathodenchemie von Kompromissen zu befreien. Die Gewährleistung einer effizienten Zusammenarbeit zwischen Anode, Kathode und Elektrolyt trägt wesentlich zum stabilen Betrieb einer vollen Batterie bei. Die Innovation von StoreDot basiert auf einem ganzheitlichen Denkprozess, der die chemische und technische Entwicklung integriert und eine komplexe Strategie künstlicher Intelligenz anwendet. Dieser Ansatz ermöglicht es uns, die Einschränkungen für ultraschnelle Ladungen zu überwinden.

Wie ist die Batteriekühlung der FlashBattery beschaffen? Denn gerade beim Ladevorgang wirkt ja eine enorme Leistung mit Wärmeentwicklung auf die Batterie ein.

Es gibt zwei Hauptprobleme, die durch Wärme verursacht werden. Das erste ist, dass die hohe Temperatur während des Ladens und Entladens die zulässigen Werte überschreiten und die Batterieleistung verringern kann. Das zweite ist, dass eine ungleichmäßige Temperaturverteilung im Akkupack zu einer lokalen Schädigung einzelner Zellen führt. Ohne ausreichende Kühlung werden diese aufgrund Bildung heißer Stellen allmählich beschädigt. Das verkürzt die Batterielebensdauer erheblich und kann Zellen infolge thermischen Durchgehens dauerhaft zerstören. Tesla hat z.B. kürzlich eine neue Technologie vorgestellt, mit der solche Probleme behoben werden können. Diese wird als „Unterwegs-Temperieren der Batterie“ bezeichnet und bringt den Akku auf die ideale Temperatur zum Laden, wenn der Fahrer die Ladestation ansteuert. Alleine das kann die Ladezeit um 25 Prozent reduzieren. Mit der StoreDot-Technologie wird diese weiter verkürzt.

Fahrzeughersteller wie Porsche oder Hyundai setzen verstärkt auf 800-V-Systemspannung. Wie sieht das bei der FlashBattery aus?

Das 800-V-System beeinflusst den Gesamtstrom des Packs, jedoch nicht unbedingt den Strom jeder Zelle. Die Batteriespannung eines Autos ergibt sich daraus, wie die einzelnen Zellen in parallelen Gruppen konfiguriert sind und wie jede dieser Gruppen in Reihe geschaltet ist. Zellen können in „Zellgruppen“ parallel elektrisch verbunden werden, um effektiv größere Gebilde mit mehr Energiespeicherkapazität bei gleicher Spannung zu werden. Somit erhalten die Zellen nicht von Natur aus die Fähigkeit, sich einzeln schneller zu laden, nur, weil sich die Gesamtspannung der Packs von 400 auf 800 V verdoppelt hat, weil mehr Zellen in Reihe geschaltet sind. Allerdings sind 800 V in jedem Fall besser für die FlashBattery-Technologie, da die Hochspannungsinfrastruktur den Gesamtstrom zum Akkupack hin verringert, was zu einer geringeren Wärmeerzeugung führt.

Seit 2014 hört man immer wieder von der sensationellen Technik der FlashBattery. Bislang hat es jedoch nur Ankündigungen gegeben. Erzählen Sie uns etwas über die Road Map zur Markteinführung der Flash-Battery.

Der Hauptunterschied zwischen Gen 1 und Gen 2 sind die Kosten der Metalloidverbindung. Gen1 ist teurer und daher für EV-Anwendungen weniger relevant. Wir sind derzeit mit Gen 1 hinter dem Zeitplan zurück, da sich der Zertifizierungsprozess aufgrund der Covid-19-Pandemie verzögert hat, die unsere Ingenieure daran hindert, zu unserem Partner EVE Energy zu reisen. Wir hoffen, dass wir im vierten Quartal zur Arbeit vor Ort in China zurückkehren können. Wir zielen zunächst auf Anwendungen wie Powerbanks, Drohnen und andere Unterhaltungselektronik mit kleinformatigen Zellen ab. Gen 2 wird derzeit nur in unserer Pilotlinie in Israel hergestellt – 2022 bleibt das Produktionsziel.

Sind Sie im Gespräch mit OEM’s für den Einbau in Serienfahrzeugen?

Wir müssen unsere Technologie zunächst mit einer ultraschnellen EV-Plattform demonstrieren, die die Ladestation, das Kühlsystem, das BMS, die Verkabelung usw. abdeckt. Daimler als unser strategischer Investor ist natürlich erster Ansprechpartner, aber wir haben bereits auch mit anderen OEM’s zusammengearbeitet.

Werden Sie sich nur auf Automobile konzentrieren? Oder wird man die FlashBattery in absehbarer Zeit auch in Nutzfahrzeugen und Bussen sehen?

Ja, wir sehen eine Zukunft in Bussen und Nutzfahrzeugen. Wir haben deren Einsatzprofil untersucht. Daraus ergibt sich, dass die FlashBattery-Technologie für die spezifischen Anwendungsfälle hinsichtlich der täglichen Kilometerleistung, der erforderlichen Last und der Anzahl der Zyklen optimiert werden muss.