ABT E-Line: Elektrifizierer aus dem Allgäu

Die vollelektrischen ABT e-Line-Versionen von Caddy Maxi sowie Transporter 6.1 schlagen in überzeugender Weise die Brücke, bis VW Nutzfahrzeuge dem e-Crafter weitere eigene Stromer zur Seite stellt. Denn bis der ID. Buzz kommt, dauert es noch etwas.

Foto: ABT e-Line
Foto: ABT e-Line
Redaktion (allg.)

Wenn das keine Win-win-Situation ist: Volkswagen Nutzfahrzeuge ist noch nicht so weit, die Elektrifizierung in der Breite des Portfolios starten zu können. Der Allgäuer „Haustuner“ ABT sucht nach neuen Geschäftsfeldern jenseits der rasanten Verbrennerwelt , die man als „Sportifizierer“ vom Dienst quer durch alle Konzernmarken schon lange erfolgreich bedient.
Schon seit einer Weile stehen die Zeichen auch auf „Grün“ in Kempten: Neben der ABT-Sportsline beschäftigt man sich seit über zehn Jahren mit der E-Mobilität, 2018 mündete das Engagement in die Gründung der ABT e-Line GmbH, nunmehr am einstigen Stammsitz Oberwanger Straße. Obwohl in der Tochterfirma, die inzwischen auf etwa 70 Mitarbeiter angewachsen ist, die Atmosphäre eines Start-ups herrscht, ist sie im eigentlichen Sinne keines mehr. Schließlich realisierte man vor Jahren in Kleinserie 40 Exemplare eines elektrischen Caddy, die noch heute für die Post stromern.

Interessantes Leasing ab 293 Euro

In jüngster Zeit erfuhr die Beziehung zum Konzern eine deutliche Vertiefung, weil man für die schnellere Elektrifizierung der VWN-Produkte kurzerhand auf die Expertise der Allgäuer zurückgriff. Werksnah und auch offiziell als Premiumpartner eingebunden, fertigt ABT in Kooperation die E-Modelle von Caddy und Transporter 6.1, die sich formell korrekt und mit Verweis auf die Urheberschaft in Kempten ABT e-Caddy und ABT e-Transporter sowie e-Caravelle 6.1 nennen.
Erstmals vorgestellt wurde der überraschende, aber eigentlich naheliegende Pakt auf der IAA 2018. Jetzt sind die Fahrzeuge bestellbar. Der ABT e-Caddy Maxi bleibt mit 29.990 Euro als Basis für die monatliche Leasingrate von 293 Euro in einem klassengemäßen und für einen 4,2-Kubik-Lieferwagen vertretbaren Rahmen (48 Monate, 4.500 Euro Sonderzahlung, 10.000 km jährlich). Zum Vergleich: Ein Renault Kangoo Maxi Z.E. 33 liegt bei 29.900 Euro, knapp darunter ein Nissan eNV200 40. Der ABT e-Caddy ist nur im Leasing erhältlich und direkt beim VW-Händler orderbar.
Auch für den ABT e-Transporter 6.1 stehen die Preise fest: Der Kasten liegt netto bei 44.990 Euro, der Kombi bei 49.623 und die Caravelle Comfortline bei 56.475 Euro. Im Leasing geht es bei 459 Euro los (48 Monate, 4.666 Euro Sonderzahlung, 10.000 km jährlich). Die Garantie orientiert sich an den Werksstandards für E-Modelle von VW: acht Jahre auf den Akku, 160.000 Kilometer. „Auch wenn die Produkthaftung für den Antrieb und Umbau bei ABT liegt, der Kunde soll davon so wenig wie möglich mitbekommen und nur einen Ansprechpartner haben“, betont Jens Häberle, Leiter Produktmanagement e-Mobility bei ABT e-Line und seit Anbeginn der Elektrifizierung dabei.

ABT nutzt den VW-Baukasten

Um also die Großserienstandards und ECE-Normen auch technisch sicherzustellen, arbeitet man eng verzahnt mit den technischen Prüfdiensten zusammen. Man verwendet so weit es geht Standardkomponenten aus dem Konzernbaukasten, die sich schon im e-Golf und dessen technischem Verwandten e- Crafter bewährt haben. Etwa bei Ladegerät, Klimakompressor, wahlweise einem HV-Heizgerät. Vor allem dockt man mittels eines selbst entwickelten Druckgussgehäuses in der Funktion einer Art Schablone an das Standard-DSG-Getriebe an, nutzt davon aber nur vier respektive drei Gänge beim Caddy und Transporter.
Die ausgebauten Antriebs- und Abgaskomponenten gehen übrigens als „Umlaufmotor“ zurück ins Werk und werden in den nächsten ABT-Modellen verbaut, weil Fahrzeuge für die Typgenehmigung voll funktionsfähig vom Band rollen müssen. „Wir verstehen uns als Systemintegrator“, macht Häberle deutlich.
Dem aber noch zahlreiche Hausaufgaben verbleiben: Vor allem galt es ein Motorsteuergerät zu entwickeln, das den kompakt bauenden, 83 kW starken E-Antrieb von Bosch dirigiert und die Schnittstelle zu den konventionellen Restkomponenten bildet. „Es handelt sich hierbei um ein voll funktionsfähiges VCU“, betont Uwe Asbach, Leiter Entwicklung bei ABT e-Line. Die zweite Schlüsselkomponente: der Akku, der in der Serienfassung jetzt 37,3 kWh Kapazität bietet und damit nur leicht über dem e-Golf-/e-Crafter-Satz von 35,8 brutto liegt. Eine ursprünglich angedachte Version mit gedoppeltem Paket und 75 kWh hat man zurückgestellt: zu teuer und zu komplex zu integrieren im Rahmen des Gesamtgewichts von 2,8 bis 3,2 Tonnen im Falle des Transporters. Dann lieber einen 50-kw-Lader mit CCSAnschluss standardmäßig an Bord gepackt, mit dem der Speicher in 45 Minuten zu 80 Prozent mit Energie befüllt ist – oder per AC-Lader mit 7,2 kW in fünfeinhalb Stunden. Die von CATL bezogenen Zellen mussten für den Einbau im Transporter und vor allem im Caddy gemeinsam mit dem Spezialisten Handtmann neu paketiert werden, samt crashsicherem Stahlblechgehäuse, verstärkenden Rahmen gegen Seitencrashs und gründlicher Abdichtung gegen Korrosion.
Auf die Crashsicherheit ist Häberle besonders stolz, die 42 Kilo an zusätzlich verbautem Material sorgen beim Pfahlaufprall etwa dafür, dass dieser nicht einmal bis zum Akkurahmen vordringt, wie ein gecrashtes Exemplar in der Halle veranschaulicht. Vor allem im Caddy war die Paketierung eine harte Nuss, weil der Speicher deutlich weniger Platz im Unterboden hat. Er schrumpfte daher in der Länge, wuchs dafür in der Höhe. Jeden Millimeter haben die Ingenieure dabei genutzt, um den gewünschten laderaumneutralen Einbau zu realisieren. Wer unter das Fahrzeug blickt, stellt staunend fest, dass der Akku sich exakt an das Niveau des Unterbodens schmiegt. 315 respektive 330 Kilo wiegt der Energiespeicher, woraus beim ABT e-Caddy im elektrischen Gesamtsystem zu einem für ein E-Fahrzeug vertretbares Leergewicht von 1.711 Kilo beim Kasten und 1.729 Kilo beim Kombi resultiert.
So bleiben 539 und 651 Kilo an Nutzlast bei einem Gesamtgewicht von 2.250 und 2.380 Kilo. Der ABT e-Transporter T6.1 kommt als Kasten auf 2.104 Kilo leer, als Kombi/Caravelle auf 2.223 Kilo und eine Zuladung von 1.096 oder 977 Kilo, sofern man die 3,2-Tonnen-Zulassung wählt. Und, Spezialität von ABT: Man hat sogar die Möglichkeit, einen Anhänger anzukuppeln. Der könnte beim ABT e- Transporter 6.1 bis 1.500 Kilo bei einem Zuggesamtgewicht von 3.770 Kilo, beim e-Caddy bis 750 Kilo wiegen. Das dürfte dann allerdings die Reichweite in die Knie zwingen. Dennoch: Mit diesem Package kann man als Profi etwas anfangen.

Ladevolumen voll erhalten

Und die weitere Perspektive? Der ABT e-Caddy wird zwar nicht mehr auf die Plattform Caddy V umgestellt, läuft aber im aktuellen Trimm noch eine Weile weiter. Er würde vom Format her sonst teils mit dem ID. Buzz Cargo konfligieren, der 2022 kommen soll und etwas mehr Volumen bietet als der Caddy Maxi. Der ABT e- Transporter hat aber nach dem jüngsten Update auf 6.1 mindestens einen Zeithorizont von vier bis fünf Jahren, bis hier weitere elektrische Werksprodukte im Mittelformat gereift sind. Gefertigt werden soll der im Allgäu entwickelte Stromer übrigens ebenfalls im Allgäu: und zwar auf zwei eigens eingerichteten Fertigungslinien bei AL-KO, auf denen man teils automatisiert bis zu 10.000 Exemplare jährlich realisieren könnte, wie Häberle stolz vermerkt.