3D-Druck revolutioniert Ersatzteilversorgung: Seifert Logistics Group produziert für Daimler Buses mit CodeMeter und Farsoon Technologies

Ersatzteile aus dem Drucker: Die Seifert Logistics Group produziert für Daimler Buses in Ulm Ersatzteile im 3D-Druckverfahren – ein Pilotprojekt auch für andere Transportbranchen.

Die Ausbildung der Mitarbeiter im 3D-Druck ist vergleichsweise kostengünstig und wenig zeitaufwendig. (Bild: Seifert Logistics Group; Bartl/HUSS-VERLAG (Icons))
Die Ausbildung der Mitarbeiter im 3D-Druck ist vergleichsweise kostengünstig und wenig zeitaufwendig. (Bild: Seifert Logistics Group; Bartl/HUSS-VERLAG (Icons))
Claus Bünnagel

Die Seifert Logistics Group produziert für Daimler Buses in Ulm Ersatzteile im 3D-Druckverfahren – ein Pilotprojekt auch für andere Transportbranchen.
Die Ersatzteilversorgung bestimmter Produktgruppen wird sich durch additive Fertigung, umgangssprachlich 3D-Druck genannt, nachhaltig verändern. Ersatzteile erst dann zu produzieren, wenn sie benötigt werden, reduziert die Lagerkapazitäten bei schonendem Ressourceneinsatz. Gleichzeitig bringt die Fertigung mit 3D-Druckern den Vorteil der örtlichen Flexibilität mit sich, sodass Ersatzteile zukünftig direkt dort produziert werden können, wo sie benötigt werden.


eShop für Drucklizenzen

Als Pilotkooperationspartner von Daimler Buses ist die Seifert Logistics Group an der Erprobung und dem Roll-out der dezentralen Fertigung beteiligt. Um benötigte Ersatzteile des Busherstellers jederzeit und überall drucken zu können, ist jedoch ein sicheres und digitales Lizenzsystem zum Schutz des geistigen Eigentums erforderlich. Daimler Buses nutzt für die Drucklizenzen eShops. Bauteile werden dort zunächst online als verschlüsselte Downloads an die Kunden verkauft.

Damit erwerben diese eine Vorlizenz zur Verwendung des verschlüsselten 3D-Modells zur Arbeits- beziehungsweise Druckvorbereitung und eine tatsächliche Drucklizenz des benötigten Ersatzteils. Damit können genau so viele Exemplare gedruckt werden, wie der Kunde benötigt und erworben hat. Der CAD-File des lizenzierten Bauteils kann dann von der Onlineplattform heruntergeladen werden. Mit diesem kann anschließend der Druckvorgang geplant werden. Sofern auch eine Drucklizenz erworben wird, wird diese über die Verschlüsselungslösung auf Vorhandensein geprüft und der Druckvorgang freigegeben.

Möglich ist dies alles durch die Verschlüsselungs- und Lizenzierungslösung „CodeMeter“ von Wibu-System und einen zertifizierten 3D-Drucker von Farsoon Technologies, wie sie bei dem Kontraktlogistiker in Ulm seit zwei Jahren zum Einsatz kommen. Die Software von Farsoon und Wibu-Systems musste vorab auf dem Computer des 3D-Druckers installiert werden. Sobald eine Lizenz erworben wird, lässt sich diese online vor Druckstart aktivieren, der anschließend freigegeben wird. Die erworbene Lizenz erlischt nach erfolgreichem Druck.
 

Produktion in kürzester Zeit

Der gesamte Prozess – vom Lizenzerwerb bis zum finalen Druck des Ersatzteils – wurde von der 3D-Druck-Abteilung bei Seifert auf Funktionsfähigkeit und Optimierungspotenziale geprüft, mit dem Ergebnis, dass die gedruckten Bauteile alle Qualitätsanforderungen erfüllen. Zukünftig positioniert sich die Seifert Logistics Group außerdem als Daimler-Buses-Servicepartner und produziert in diesem Zuge innerhalb kürzester Zeit das benötigte Ersatzteil.

Somit können verschlüsselte Lizenzen sicher, ortsunabhängig und jederzeit online erworben werden, um diese anschließend auf einer zertifizierten Anlage, wie sie bei Seifert zu finden ist, gedruckt werden. Mittels 3D-Druck werden Zeitbedarf und Aufwand einer konventionellen Fertigung deutlich reduziert. Durch diese Innovation gelangt die sichere On-Demand-Produktion von Ersatzteilen in greifbare Nähe, mit der sich die Ersatzteillogistik in einen revolutionären Wandel begibt.

Seifert besitzt einen 3D-Drucker, der über einen großvolumigen Bauraum verfügt, sodass auch größere Bauteile oder höhere Stückzahlen in einem Druckvorgang wirtschaftlich produziert werden können. Die Fertigungseinrichtung befindet sich im Neubau des Unternehmens im Ulmer Norden.

Erstmuster und Ersatzteile stellt Seifert aus dem Kunststoff PA12 her, einem der am weitesten verbreiteten Materialien in der additiven Fertigung. Derzeit beschränkt sich das Unternehmen auf den 3D-Druck von nicht sicherheitsrelevanten Teilen im Kunststoffsegment. Die 3D-Drucktechnik ist jedoch bereits auf dem Stand, dass auch sicherheitsrelevante Teile mittels verschiedener Druckverfahren aus Kunststoff oder Metall hergestellt werden könnten. Und die Anzahl der Materialien, mit denen additiv produziert werden kann, nimmt stetig zu.

Ein Druckvorgang dauert je nach Verfahren unterschiedlich lange. Bei dem von Seifert bevorzugten selektiven Lasersintern dauert ein kompletter Druckjob etwa 18 bis 20 Stunden. Der genaue Zeitbedarf hängt vom Volumen des zu druckenden Bauraums und des Materials ab. Nach dem Abkühlen werden die Bauteile von überschüssigem Pulver gereinigt und sind dann einsatzbereit. Je nach Kundenwunsch wird die weiße Oberfläche des Bauteils nachbearbeitet, eingefärbt oder anderes. Seifert als Dienstleister bietet in der Regel eine Lieferzeit von wenigen Werktagen an – je nachdem, wie dringlich ein Bauteil vom Kunden benötigt wird. Je nach 3D-Druckverfahren und Größe des Bauteils könnte dieses aber auch in wenigen Stunden gedruckt und eingesetzt werden.
 

Keine Serienproduktion

Doch ist der 3D-Druck bereits wirtschaftlich? Dazu kann Seifert noch keine pauschale Antwort geben, da die wirtschaftliche Bilanz stark von den benötigten Stückzahlen abhängig ist. Für eine große Serienproduktion gleicher Teile dürfte sich der 3D-Druck nach Ansicht der Seifert-Experten nicht durchsetzen. Benötige man jedoch individuelle Produkte oder habe man nur kleinere Losgrößen, sei dieses Verfahren durchaus wirtschaftlicher, da keine kostenintensiven Werkzeuge hergestellt werden müssen, heißt es aus dem Unternehmen. Oftmals könnten auch mehrere Produktionsvorgänge reduziert und durch den 3D-Druck kombiniert werden, sodass sich zum Beispiel Baugruppen direkt am Stück drucken ließen.

Für einen 3D-Drucker der Größe, wie ihn Seifert verwendet, wird ein niedriger bis mittlerer sechsstelliger Betrag fällig. Aber auch diesbezüglich gilt, dass die Kosten stark vom Druckverfahren und der Bauraumgröße abhängig sind. Beim Metalldruck potenzieren sich die Aufwendungen allerdings leicht um den Faktor 3.

Dagegen ist die Ausbildung der Mitarbeiter im 3D-Druck vergleichsweise kostengünstig und wenig zeitaufwendig. Als Basis sollte lediglich ein technisches Grundverständnis des Mitarbeiters vorliegen. Anschließend wird die Funktionsweise des Druckverfahrens und der Maschine erläutert. Schulungen zur Software der Maschinensteuerung sowie der Software zur Planung der Druckvorbereitung sind zudem nötig, sodass der Druckvorgang später eigenständig geplant werden kann. Anschließend wird der Funktionsablauf der Druckvorbereitung, des Rüstens der Maschine und des Druckvorgangstarts trainiert. Nach erfolgreichem Druck muss nur noch der Entpulverprozess des gedruckten Bauraums erklärt werden. Derzeit beschäftigt Seifert zwei Mitarbeiter im Bereich 3D-Druck.


3D-Druck-Lizenzshop anvisiert

Gegenwärtig arbeitet das Ulmer Unternehmen mit dem Team von Ralf Anderhofstadt zusammen, der den Bereich 3D-Druck im ErsatzteilLogistik Center (ELC) von Daimler Buses in Neu-Ulm leitet. Zudem hat sich mit dem 3D-Drucker-Hersteller Farsoon und Wibu-Systems in den vergangenen Jahren eine enge Partnerschaft entwickelt, um gemeinsam einen 3D-Druck-Lizenzshop auf die Beine zu stellen. Im Rahmen dieses Geschäftsmodells sollen sukzessive immer mehr Bauteile im digitalen Lager archiviert werden.


Dieser Artikel wurde ursprünglich im Magazin VISION TRANSPORT Ausgabe 2023 veröffentlicht.