„Es gibt immer Raum für Verbesserungen“: Im Interview mit Ron Borsboom, DAF Trucks
Herr Borsboom, DAF feierte dieses Jahr sein 90-jähriges Bestehen. Man hat die Feierlichkeiten auch genutzt, um den Entwicklungsstand zum Beispiel beim Platooning eindrucksvoll auf der Teststrecke zu demonstrieren. Wie geht es in Sachen Platooning weiter? Hat diese Art des Windschatten-Fahrens überhaupt eine Chance im dichten, mitteleuropäischen Verkehr?
Ron Borsboom: Als Unternehmen und als Hersteller haben wir die Pflicht, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um den Straßenverkehr noch sauberer und sicherer zu machen, und deshalb muss ein breites Spektrum von Technologien erforscht werden. Truck Platooning ist eine davon und meiner Meinung nach eine sehr vielversprechende, mit dem Potenzial, für die im Windschatten fahrenden Fahrzeuge den Kraftstoffverbrauch um zehn Prozent zu senken und damit auch den CO2-Ausstoß zu reduzieren – und immer noch eine Ersparnis von acht Prozent für das Führungsfahrzeug zu realisieren. Platooning wird im Ruhrgebiet zur Hauptverkehrszeit wahrscheinlich keinen Sinn machen, aber wenn man sich die Karte des ganzen Landes und einen kompletten Tag ansieht, gibt es viele Routen und Zeitfenster, in denen diese hochmoderne Technologie ihre Vorteile ausspielen kann. DAF gehört sicherlich zu den europäischen Spitzenreitern in der Entwicklung des Truck Platooning. Das zeigt sich auch darin, dass DAF vom britischen Verkehrsministerium ausgewählt wurde, an einem zweijährigen Lkw-Platooning-Testprojekt auf öffentlichen Straßen teilzunehmen. Darüber hinaus hat am 1. Juni das sogenannte Ensemble-Projekt begonnen, bei dem alle europäischen Lkw-Hersteller an der Entwicklung, Erprobung und Bewertung des Mehrmarken-Platooning teilnehmen.
Das zweite große Thema waren zwei DAF-Trucks mit Hybrid-Antrieb. Mittlerweile entwickelt DAF gerade mit dem Partner VDL einen rein elektrisch angetriebenen Sattelzug für die Warenverteilung. Wie sehen die Eckdaten dieses Fahrzeugs aus?
Tatsächlich befindet sich der CF Electric in der Entwicklung für den Einsatz in städtischen Gebieten, zum Beispiel zur Belieferung von Supermärkten, wo höhere Nutzlasten erforderlich sind und Ein- und Zwei-Achs-Sattelauflieger den Standard darstellen. Diese Technologie bietet eine Antwort auf lokale innerstädtische Anforderungen wie emissionsfreies Fahren und geräuscharmen Betrieb in den Abendstunden und wird in Zukunft zur Reduzierung des globalen CO2-Ausstoßes beitragen. Dabei handelt es sich um eine 4x2-Sattelzugmaschine für bis zu 37 Tonnen Gesamtzuggewicht, die für den vollelektrischen Betrieb die E-Power-Technologie von VDL einsetzt. Das Herzstück des intelligenten Antriebsstrangs ist der Elektromotor mit 210 kW Dauer- und 240 kW Spitzenleistung. Die Lithium-Ionen-Akkus haben eine Gesamtkapazität von 170 kWh und ermöglichen dem CF Electric eine Reichweite von cirka 100 Kilometern. Das Schnellladen der Batterien dauert nur 30 Minuten – was beim Be- und Entladen im Verteilzentrum oder am Lieferort möglich ist und daher gut in die typischen Abläufe der Supermarktbelieferung passt. Die ersten CF Elektro-Trucks werden noch in diesem Jahr bei ausgewählten Kunden in den Feldtestbetrieb gehen. Wir sind bereit, die E-Trucks einzuführen, sobald der Markt dazu bereit ist – was mit den gesetzlichen Anforderungen, der Entwicklung der Batterietechnologie und der wirtschaftlichen Machbarkeit zusammenhängt. Eins ist auf jeden Fall klar: DAF bringt den CF Electric und andere E-Trucks nur dann auf den Markt, wenn Qualität und Leistung gleich oder besser sind als die unserer Diesel-Lkw. Die Messlatte liegt also hoch!
Automechanika & IAA Transportation: Die Zukunft des Lkw-Verkehrs ist elektrisch.
Der Bushersteller VDL ist ja ein bekannter Anbieter von Elektro-Bussen und hat große Erfahrung mit E-Antrieben. Man kann sich wohl keinen kompetenteren Partner wünschen. Dennoch: Warum entwickelt DAF für die nahe Zukunft nicht einen eigenen E-Antrieb in dieser Größenordnung?
Wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit der VDL Groep, die bereits seit langem besteht: DAF liefert VDL-Busmotoren und VDL ist ein anerkannter Lieferant für alle Arten von Produktionsmaterialien. Darüber hinaus verfügt die VDL Groep über Erfahrung und Expertise nicht nur in der Elektrifizierung von Antriebssträngen, sondern auch bei Ladestationen. Das ist ein wichtiger Punkt, denn die Herausforderung besteht darin, das Aufladen perfekt in den täglichen Betrieb des Kunden zu integrieren. Effektive Reichweite und Produktivität gehen verloren, wenn zusätzliche Kilometer zur Ladestation gefahren werden müssen – das Aufladen muss dort erfolgen, wo der Truck sowieso hält. Die Verwendung von Batterien als Energieträger zur Unterstützung der Elektrifizierung kann als Brücke zu Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien angesehen werden, die noch mindestens zehn Jahre brauchen, bis sie einsatzreif sind. Um alles für eine noch sauberere Umwelt, insbesondere in den Städten, zu tun und die von der EU festgelegten zukünftigen CO2-Grenzwerte einzuhalten, ist die Elektrifizierung ein notwendiger und guter Schritt, der eine Reihe von Lösungen für die Herausforderungen im Transportbereich bietet.
Bereits auf der IAA 2014 zeigte DAF leichte Lkw der LF-Reihe als Hybrid- und Elektro-Versionen. Ist der leichte Verteiler-Lkw bis 18 Tonnen nicht eher ein lohnendes Objekt für den reinen Elektro-Antrieb auf Akku-Basis?
Ja, das stimmt. Auf der IAA hat DAF mehr als eine zukünftige Lösung mit einem elektrifizierten Antriebsstrang präsentiert. Wenn es um die Elektrifizierung geht, gibt es einfach keine Lösung von der Stange. Wir brauchen vollelektrische Fahrzeuge für leichte und mittelschwere Lkw, die immer oder hauptsächlich in städtischen Gebieten unterwegs sind. Diese reinen Elektrofahrzeuge sollten einen Arbeitszyklus haben, der ein häufiges Laden an Ladestationen ermöglicht, die wiederum gut in diesen Arbeitszyklus integriert sind. Mittlere und schwere Lkw, die täglich viele Kilometer fahren, meist außerhalb von Ballungsgebieten eingesetzt werden, aber bei der Einfahrt in Städte hohe, beziehungsweise Null-Emissions-Anforderungen erfüllen müssen, werden von Plug-in-Hybridlösungen optimal profitieren. Der Dieselmotor ermöglicht eine breite Fahrzeugpalette auf regionalen, nationalen und internationalen Straßen, während der Elektromotor die Möglichkeit bietet, in städtischen Gebieten emissionsfrei zu fahren.
Neben dem Mitte diesen Jahres vorgestellten CF Electric haben wir daher auch verschiedene Alternativen im Fokus beziehungsweise in der Entwicklung – zusätzlich zu unseren großartigen dieselbetriebenen LF-, CF- und XF-Baureihen. Dieselantriebe sind nach wie vor effizient, sauber, langlebig und zuverlässig und bieten einen hervorragenden Restwert. Die Infrastruktur in jedem wichtigen Markt ist ausgezeichnet, und keine andere Technologie schneidet besser ab, wenn es um niedrigste Betriebskosten geht – ein wesentlicher Beitrag zur Rentabilität des Kunden. Allerdings ist das vielleicht nicht der wichtigste Punkt, wenn ein Kunde einfach in einen E-Truck investieren muss, um Zugang zur Stadt zu erhalten.
Lassen Sie uns noch weiter auf der Zeitleiste in Richtung Zukunft schauen: Autonomes Fahren ist in aller Munde. Wo sehen Sie als Produktentwickler und Visionär den Lkw in, sagen wir, zehn 10 bis 15 Jahren?
Vollautonomes Fahren ist noch ein gutes Stück zu weit weg. Diese Technologie muss erst noch weiterentwickelt werden, um ihre Zuverlässigkeit unter allen möglichen Umständen zu beweisen, und darüber hinaus wird sie von Brüssel noch nicht zugelassen. Wenn Truck Platooning auf öffentlichen Straßen Realität wird – und das wird sicherlich noch drei bis vier Jahre dauern –, wird trotzdem ein Fahrer an Bord sein, und das wird unserer Meinung nach auch noch einige Zeit so bleiben. Man kann es mit einem Flugzeug vergleichen. Das ist in der Lage, per Autopilot zu fliegen, aber dabei ist immer ein Pilot an Bord. Der Lkw-Fahrer wird in Zukunft eine vergleichbare Rolle einnehmen. Er oder sie wird sich mit Platoons verbinden und sich aus ihnen lösen, die Systeme überprüfen und vor allem und in erster Linie den Truck in den vielen, vielen Situationen, in denen eine volle Autonomie nicht möglich ist, sicher und wirtschaftlich steuern.
Bei DAF sagen wir: Es gibt immer Raum für Verbesserungen. Und morgen sollten wir noch besser sein als heute. Das gilt auch für die Lkw-Entwicklung: Noch sauberer durch weitere Optimierung des Dieselmotors, Einführung alternativer Antriebe und Erforschung der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Noch sicherer durch fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme, die ebenfalls zu einer optimalen Effizienz beitragen und für die wir über Online- und Funkdienste die Konnektivität ausbauen. Es ist eine herausfordernde, aber wunderbare Welt, in der wir arbeiten, mit vielen Möglichkeiten. Und diese Möglichkeiten sollten auch genutzt werden. Für mich ist es kaum zu verstehen, dass nicht alle EU-Mitglieder die EcoCombis begrüßen. Unglaublich. Mehr Last hinter dem Motor – ein größerer Schritt in Richtung CO2-Reduktion ist kaum möglich! Und was ist mit der neuen Gesetzgebung in Bezug auf Maße Gewichte und Längen, die uns mehr Freiheiten einräumt, die Aerodynamik weiter zu verbessern, einerseits für einen deutlich verringerten Kraftstoffverbrauch und damit reduzierten CO2-Ausstoß und andererseits für ein wesentlich besseres Sichtfeld für mehr Sicherheit. Warum wird damit gewartet?
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