„Ein mehrdimensionaler Transformationsprozess“: Im Interview Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil über die Bedeutung der IAA Nutzfahrzeuge für das Bundesland und die Zukunft der Mobilität.

Stephan Weil, Ministerpräsident Niedersachsen Bild: IAA aktuell
Stephan Weil, Ministerpräsident Niedersachsen Bild: IAA aktuell
Redaktion (allg.)
INTERVIEW

Sie sind seit Februar 2013 Ministerpräsident in Niedersachsen, es ist Ihre dritte IAA Nutzfahrzeuge. Welche Rolle spielt die Messe für das Land Niedersachsen?

Stephan Weil: Die IAA Nutzfahrzeuge ist weltweit die Leitmesse für Mobilität, Transport und Logistik. Hier trifft sich die automobile Nutzfahrzeug-Welt insbesondere Nutzfahrzeughersteller und deren Zulieferer. Die Fahrzeugindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Niedersachsen. Ca. 250.000 Menschen sind in Niedersachsen bei Automobilherstellern und -zulieferern beschäftigt. Hannover ist also der ideale Ort für eine Internationale Nutzfahrzeugausstellung.

Wie fließen die Themen der Messe in Ihre Politik ein?

Das Leitthema der Messe „driving tomorrow“ spielt in der Politik der niedersächsischen Landesregierung eine große Rolle. Die gesamte Automobilindustrie befindet sich in einem mehrdimensionalen Transformationsprozess, den wir eng begleiten.

Die rot-schwarze Regierung hat angekündigt, bis 2022 eine Milliarde Euro in den Ausbau der Digitalisierung zu investieren, 2018 soll ein Sondervermögen für Digitalisierung eingerichtet werden. Welche konkreten Projekte sind geplant, von denen auch die Nutzfahrzeugbranche profitieren kann?

In der Tat planen wir Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro, 850 Millionen haben wir schon zusammen. Ein Teil des Geldes ist für den Ausbau der automatisierten und vernetzten Mobilität in Niedersachsen vorgesehen. Prominentestes Beispiel ist das Testfeld „Autonomes Fahren“, das letztendlich die Autobahnen A2, A39, A391, A7 sowie einen Abschnitt der B3 im Raum Hannover sowie der B243 im Raum Hildesheim umfassen soll. Außerdem wollen wir durch den verstärkten Einsatz der von Fahrzeugen generierten Daten den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit erheblich steigern. Im Güterverkehr sollen Transport- und Lieferketten optimiert werden.

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Medienberichten zufolge plant VW die Sparte der schweren Nutzfahrzeuge nach München zu verlagern. Wie bewerten Sie diese Pläne?

VW Truck & Bus hat sehr, sehr viel Potential im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge. Dieses Potential soll in den nächsten Jahren konsequent genutzt werden. Es ist nachvollziehbar, dass dabei die Planungen auf München, die Heimat von MAN, hinauslaufen. Wichtig ist mir: Der Volkswagen Konzern hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder zu seinen niedersächsischen Wurzeln bekannt. Und das wird auch so bleiben.

Vor welchen Herausforderungen steht die Nutzfahrzeugindustrie im Autoland Niedersachsen?

Der Siegeszug alternativer Antriebe geht unaufhaltsam voran. Treiber sind die direkten staatlichen Vorgaben in China sowie harte Umweltvorgaben in Europa und den Vereinigten Staaten. Niemand sollte die Wirkmacht des Klima- und Umweltschutzes unterschätzen. Dieses Versäumnis ist eine der Ursachen für Fehlentwicklungen des letzten Jahrzehnts und für die zermürbende Diskussion über Fahrverbote in deutschen Innenstädten.

Gleichzeitig wird mit aller Macht an der Weiterentwicklung zum automatisierten Fahren gearbeitet.

Die deutsche Schlüsselindustrie steckt mitten in einem sehrt grundsätzlichen Innovationszyklus mit dem insbesondere für die Beschäftigung nicht unerhebliche Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind. Es muss uns gelingen, den digitalen Wandel der Automobilindustrie in Deutschland erfolgreich zu gestalten und gleichzeitig Beschäftigungsstrukturen zu erhalten, zu modernisieren und neue Beschäftigungsperspektiven aufzubauen.

Welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Regierung in Berlin?

Die Bundesregierung ist in der Pflicht mit mehr Geld und Elan an die Mammutaufgabe Luftreinhaltung zu gehen und Fahrverbote in den Innenstädten entbehrlich zu machen. Wir brauchen ein mit den Ländern und Kommunen abgestimmtes Konzept für eine nachhaltig bessere Luftqualität.

Es ist zudem notwendig, die finanziellen Mittel aus dem „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ zugunsten der Städte zu erhöhen. Eine einmalige Fördersumme von einer Milliarde Euro ist hierfür nicht ausreichend. Vielmehr wird eine auf mehrere Jahre angelegte Förderung in Höhe von jährlich einer Milliarde Euro benötigt. Auf den Eigenanteil der betroffenen Kommunen muss verzichtet werden, er kann vielfach nicht erbracht werden. Das ist ein Grund dafür, dass die Mittel nicht schnell genug abfließen und entsprechende Maßnahmen nicht oder erst spät realisiert werden.

Artikel „Ein mehrdimensionaler Transformationsprozess“: Im Interview Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil
Seite 8 | Rubrik Aktuelles
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